Die Tote von der Maiwoche. Alida Leimbach

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Die Tote von der Maiwoche - Alida Leimbach

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Radio kam ein Lied, das Angelina mochte. Sie drehte es lauter und sang mit.

      Eine Weile ließ er es über sich ergehen, dann reichte es ihm. »Eine Sängerin wird aus dir sicher nicht«, murrte Alwin. »Wenn du mich fragst, triffst du keinen Ton. Jeder Elefant ist musikalischer als du.«

      Angelina verstummte und schaltete das Radio ab.

      Er drehte sich zu ihr hin. »Weißt du, was mich wundert?« Er musste auf die Bremse treten, weil ein Radfahrer ausscherte. Alwin fluchte leise. Auf der Lotter Straße war wie immer reger Verkehr.

      »Sag schon.«

      »Du wirkst sehr fröhlich, dabei ist doch gerade erst deine beste Freundin gestorben.«

      »Ich zeige das eben nicht so. Hab schon genug geheult. Aber zum Glück kann ich es zwischendurch ein bisschen verdrängen. Muss ja auch sein, sonst könnte ich meine Arbeit nicht machen.«

      »Ich sehe das anders. Gerade habe ich mir die Frage gestellt, ob du nicht sogar ein bisschen froh bist über ihren Tod.«

      Sie fuhr herum. »Wie meinst du das?«

      Er hielt an einer roten Ampel. Fußgänger und Radfahrer kreuzten die Straße. Eine Mutter zog ihr bockiges Kleinkind mit sich. Es wollte aus irgendeinem Grund immer wieder zurück. Alwin trommelte auf dem mit cremefarbenen Leder bezogenen Lenkrad. Es hatte die gleiche Farbe wie die Sitze. »Na ja, seien wir mal ehrlich, du hast dich oft über sie geärgert. Tobecke wollte sie in der Band haben und dich nicht. Sie hatte wohl etwas mehr Glück als du. Vor allem Talent.«

      »Ey, sie war meine Freundin, ich habe ihr das gegönnt!«

      »Das hat mal anders geklungen. Du warst sauer, du warst wütend, du hast getobt vor Eifersucht. So habe ich dich erlebt, nachdem Tobecke ein ernstes Gespräch mit dir geführt hat. Schon vergessen? Wo bist du eigentlich noch hingegangen am Freitagabend? Ich habe dich am Neumarkt gesehen, nach dem Konzert.«

      »Halt bloß die Klappe, Alwin, du übertreibst dermaßen! Ich wollte sowieso nächste Woche zur Polizei und eine Aussage machen.«

      »Warum das? Was für eine Aussage?«

      Sie schwieg und starrte aus dem Fenster.

      »He, was willst du denen erzählen, jetzt sag schon!«

      Angelina hob das Kinn und sah ihn an. »Wie geht es eigentlich deiner Mutter?«

      Er kniff die Augen zusammen. »Worauf willst du hinaus?« Alwin Müller lief dunkelrot an.

      »Zufällig kenne ich eine Mitarbeiterin aus dem Paulusheim, in dem deine Mutter zuletzt untergebracht war. Heike hat Sachen beobachtet, die dich nicht besonders toll dastehen lassen, Alwin. Einmal ist sie gerade noch rechtzeitig ins Zimmer gekommen, hat sie gesagt. Es hätte so ausgesehen, als ob du, na ja, du hättest deine Hände wohl gerade …«

      »Und das willst du denen erzählen?«, schnitt er ihr barsch das Wort ab. »Was hat das mit deiner Freundin zu tun?«

      »Was hat das damit zu tun, dass du mich in der Stadt beobachtet hast? Das kann ich genauso fragen. Bestimmt hast du wieder Katharina nachgestellt. Gib endlich auf, sie will nichts von dir.«

      »Ich auch nichts von ihr.«

      »Ja, ja, schon klar«, sagte sie spöttisch.

      Er fuhr mit fast 70 Stundenkilometern über die Rheiner Landstraße und sie wies ihn darauf hin. »Das Knöllchen bezahlst du!«

      Er drosselte die Geschwindigkeit. »Verdammt, bei diesen neuen Bestattungswagen merkst du nicht, wenn du zu schnell unterwegs bist.«

      »Wenn wir gleich am Friedhof angekommen sind, kein Wort mehr, okay? Dirk hat seine Lauscher überall. Ich brauche nicht noch jemanden, der wirres Zeug erzählt.«

      »Ich hätte sowieso nicht damit angefangen.«

      »Du hast damit angefangen, Alwin«, sagte Angelina.

      Den Rest der Fahrt schwiegen sie.

      Alwin parkte das Fahrzeug direkt vor der Einfahrt des Krematoriums.

      »Bleib sitzen, ich mach das schon«, sagte Angelina, nahm die Papiere aus dem Seitenfach und stieg aus.

      Im Eingangsbereich kam ihr Dirk, der Leiter des Krematoriums, entgegen. »Hi, Angelina, wie geht’s, was habt ihr heute für mich?«

      »Moin, Dirk! Eine junge Frau, sie sieht nicht mehr wirklich schön aus, wir haben uns alle Mühe gegeben, die Angehörigen wollten sie noch mal sehen, aber viel war nicht zu machen. Bereite die Ärztin auf ihren Anblick vor, wenn sie kommt, oder war sie schon da?«

      »Eben weg, sie kommt erst morgen wieder. Ist es deine Freundin?«

      Angelina schüttelte den Kopf. »Nee, die ist noch nicht freigegeben. Ich glaube auch nicht, dass die das über uns machen. Zumindest habe ich bisher nichts gehört. Die Leiche bei uns im Wagen ist ein Verkehrsopfer. Wir haben sie letzte Woche auf der A1 aufgesammelt. Die Angehörigen wünschen eine Trauerfeier mit Urne.«

      Dirk nickte und nahm die Papiere entgegen. »Kann aber eine Weile dauern. Wir sind voll im Moment. In der Kühlhalle warten gut und gerne 40 Särge.«

      »Können wir einen Kaffee haben? Alwin wartet im Wagen.«

      »Alles klar, du weißt ja, wo die Maschine ist. Bedient euch ruhig. Ich bring dir schon mal den Sargwagen. Kommt ihr klar?«

      »Ey, haben wir jemals Hilfe gebraucht?« Sie lachte.

      Während sie den Kiefernsarg aus dem Bestattungsfahrzeug schoben, warf Angelina ihrem Kollegen einen stechenden Blick zu.

      *

      Durch ein halb geöffnetes Fenster drang Vogelzwitschern. Birthe versuchte, die Tragödie mit den Augen der Eltern zu sehen. Es war so ein herrlicher Frühlingstag, den Jessica nun nicht mehr erleben durfte. Keinen einzigen weiteren Tag. Ein junges Leben voll Hoffnung und Zukunft war ausgelöscht worden. Wie sollten die Eltern nur mit dieser endgültigen Gewissheit weiterleben! Der Schock würde noch kommen, manchmal erst bei der Beerdigung oder kurz danach. Davor gab es so viel zu tun, zu erledigen. Viele Angehörige machten erst einmal alle Schotten dicht, ließen keine Gefühle zu, konzentrierten sich aufs Wesentliche, funktionierten, weil sie funktionieren mussten. Erst danach begann die lange, dunkle Zeit der Trauer und der Verarbeitung.

      Birthe verbot sich weitere Gedanken an die Eltern. Mitgefühl ja, Mitleid nein, hatten sie auf der Polizeiakademie gelernt. Sie musste lernen, sich viel mehr abzugrenzen.

      »Früher kannte ich das nicht von Jessica. Noch vor wenigen Monaten hatte sie sich so sehr auf ihr neues Leben gefreut. Endlich hatte sie etwas gefunden, für das sie brannte. Sie wollte unbedingt in diese Band, sie wollte dazugehören, berühmt werden, aber das war natürlich nicht so einfach, wie sie sich das vorgestellt hatte«, sagte Elke Wagner leise.

      »Wobei das überhaupt nicht unser Ding war«, ergänzte ihr Mann. »Wir hätten uns einen solideren Weg für Jessica gewünscht. Sie glauben nicht, wie oft ich bereut habe, ihr jahrelang diese teuren Klavierstunden bezahlt zu haben.«

      »Und Gesangsunterricht«,

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