Am Himmelreich ist die Hölle los. Ilka Silbermann

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Am Himmelreich ist die Hölle los - Ilka Silbermann

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      ***

      Noch immer vier Jahre zuvor

      Feuchtheiße Luft schlug Gerda und Rolf entgegen, als sie in Cancun das klimatisierte Flughafengebäude verließen, nachdem sie auf der Halbinsel Yucatán gelandet waren.

      „Mexiko!“, jubelte Gerda. „Wir kommen!“

      Ihr Unternehmungsgeist war erwacht. Der lange Flug hatte bei ihr keine Spuren hinterlassen. Rolf lächelte sie an. Für ihn war sie noch immer die attraktivste Frau der Welt. Sie wirkte auf ihn keinen Tag älter als bei ihrem Kennenlernen. Sofort hatten sie sich ineinander verliebt.

      Es waren damals stürmische Zeiten gewesen. Studentenbewegungen, wilde Partys und kleine Abenteuer. Mit Gerda konnte man Pferde stehlen.

      Doch zunächst brauchten sie eher einen Mietwagen.

      Beide steuerten auf das abseits gelegene Gebäude zu, das bekannte Autovermietungsfirmen auswies.

      Gerda überließ ihrem Mann die Verhandlungen. Bei der Besichtigung des Fahrzeugs umrundete sie es und machte mit ihrem Smartphone Fotos von allen Seiten. Sie hatten schließlich ihre Erfahrungen. Touristen versuchte man schon mal bei der Fahrzeugrückgabe hereinzulegen.

      In dem kleinen und preisgünstigen Modell verstauten sie rasch ihr Gepäck.

      Als sie endlich das Flughafengelände verließen, stand die Sonne hoch am wolkenlosen Himmel. Erst jetzt nahmen sie alles um sich herum richtig wahr. Palmen säumten die Straße, üppige Bougainvilleas, Oleander und Hibiskus begleiteten sie auf ihrem Weg nach Süden.

      „Was für eine Hitze!“, stöhnte Gerda. „Daran muss ich mich erst noch gewöhnen. Kannst du die Klimaanlage nicht kälter stellen?“

      „Ich denke, mehr geht nicht. Lass uns am nächsten Supermarkt anhalten und kühles Wasser kaufen. Wir sollten viel trinken.“

      Gerda nickte und fächelte sich mit der Straßenkarte Luft zu. Schon bald hatten sie den Stadtrand erreicht und entdeckten einen „Oxxo“, eine Filiale einer weitverbreiteten Supermarkt-Kette in unterschiedlichen Größen, die sie ansteuerten. Das Auto parkten sie unweit des Eingangs, schlossen es sorgfältig ab und hielten Ausschau nach zwielichtigen Gestalten. Dass sie Touristen waren, sah man ihnen schon von weitem an. Ihre helle Haut und ihr Auftreten verriet sie.

      Rasch erledigten sie ihren Einkauf und bezahlten bei der adretten jungen Mexikanerin an der Kasse.

      Als sie das Auto öffneten, schlug ihnen die Hitze wie aus einem Backofen entgegen.

      „Meine Güte! Wie schnell es sich aufheizt“, rief Gerda.

      „Ich kann kaum das Lenkrad anfassen“, erwiderte Rolf. Rasch fuhren sie weiter. Die Fenster ließen sie herunter, um die Luft auszutauschen. Der gewünschte Effekt war jedoch äußerst gering, denn neue Glut drang von außen herein.

      „Was schätzt du? Wann sind wir da?“, fragte Rolf, nachdem ihm Gerda die Richtung gewiesen hatte. Sie hielt die Straßenkarte in der Hand. Ein Navigationsgerät stand ihnen nicht zur Verfügung.

      „Zwei Stunden vielleicht. Kommt auf den Zustand der Straßen an. Wenn es so weitergeht, müsste es klappen.“

      Sie befuhren eine gut ausgebaute Autobahn. Anders als in Deutschland fuhren hier schnelle, aber auch langsame Fahrzeuge, wie Lastwagen, auf deren Ladefläche Arbeiter sich tummelten und den Fahrtwind genossen.

      Rolf gewöhnte sich sehr schnell an die neuen Verhältnisse und passte seinen Fahrstil an.

      Playa del Carmen, eine sehr schöne touristische Stadt, ließen sie nach einer Stunde Fahrt links liegen.

      „Wir sollten mal hierher einen Abstecher machen. Es soll hier viele Geschäfte und ebenso viele Restaurants geben. Außerdem stand im Reiseführer, dass es eine entzückende kleine Kirche gibt, die hinter dem Altar statt der üblichen Bilder durch eine große Fensterfront den Blick aufs Meer freigibt.“

      „Gerne. Doch erst einmal ankommen. Tulum müssen wir uns auch anschauen. Eine gut erhaltene Festung der Mayas, hoch oben über den Klippen. Sie haben schon zu damaliger Zeit Leuchtfeuer für ihre Seefahrer entzündet, damit sie heil durch die gefährlichen Riffe kamen. Wenn allerdings ein Angriff drohte, löschten sie diese, und die Schiffe schlugen dort leck und versanken. Es sollen noch etliche Wracks am Meeresgrund liegen.“

      „Oh, dann könnten wir danach tauchen!“ Die Vorstellung, in der kühlen Karibik zu tauchen, erfüllte sie mit neuer Energie.

      „Na ja, ich weiß nicht. Hier gibt es Haie.“

      „Oha, na dann …“

      „Aber wir können in den Cenotes tauchen. Das sind Süßwasserhöhlen, die ein weit verzweigtes Netz haben. Manche haben sogar Zugang zum Meer. Und dann gibt es noch die Pyramide Chichén Itzá. Dort wurden Menschenopfer dargebracht.“

      „Igitt!“, erwiderte Gerda spontan. „Vielleicht spukt es da.“

      Rolf brach in lautes Gelächter aus. „Du mit deinem Geisterunsinn!“

      „Lach du nur. Du wirst sehen. Es gibt ein Leben nach dem Tod!“, beharrte Gerda.

      „Halt! Hier müsste es ein!“ Gerda beugte sich ein wenig vor, um besser sehen zu können. Auf der rechten Seite befand sich der „Parkplatz“ mit dem Hinweisschild „El Paraíso Resort“. Ein großer Sandplatz, den Buschwerk und Palmen umsäumten.

      Gegenüber stand anscheinend das Hauptgebäude, eingerahmt von gigantischen Bougainvilleas in leuchtendem Pink.

      Ein letztes Schlagloch wurde vorsichtig überwunden, und gleich darauf parkten sie an einem schattigen Platz.

      Zuvor hatten sie die asphaltierte Straße gegen einen sandigen Naturweg eintauschen müssen und fürchteten schon, sich verfahren zu haben. Für eine Weile begleitete sie der entsetzliche Verwesungsgeruch eines überfahrenen Stinktiers, dann glich die Fahrt auf dem unebenen Untergrund eher einem Rodeo-Ritt.

      „Wir lassen besser nichts im Wagen“, empfahl Rolf.

      Er wuchtete die Reisetaschen aus dem Auto und drückte seiner Frau eine davon in die Hand.

      Augenblicklich brach ihnen der Schweiß aus allen Poren.

      „Es wird immer schwüler“, bemerkte Gerda. Sie überquerten die „Straße“ und kämpften sich durch den lockeren Sand zum Seiteneingang.

      „Oh, sieh nur!“ Gerda stieß einen Entzückungsruf aus. Vor ihnen breitete sich ein kleiner durchlässiger Palmenhain aus, und gleich dahinter, etwas abschüssig, glänzte völlig unbescheiden die Karibik in ihrem einzigartigen Smaragdgrün, das sich, je weiter man hinausschaute, in ein tiefes Türkis verwandelte. Einladend spiegelglatt präsentierte sie sich den Neuankömmlingen.

      „Lass uns als Erstes ein Bad nehmen“, rief Gerda enthusiastisch.

      „Nicht so stürmisch, junge Frau. Erst die Anmeldung und dann unser Quartier beziehen.“

      Rolf trat in das offene Gebäude ein und stand auch sofort der Rezeption gegenüber. Ein enormer Propeller

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