Irrlichter und Spöckenkieker. Helga Licher

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Irrlichter und Spöckenkieker - Helga Licher

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sich gut an.«

      »Das hört sich verdammt gut an!«

      Ole lachte dröhnend und holte die Kornflasche aus der Anrichte.

      »Komm Mutter, darauf stoßen wir an.«

      Jetzt wird alles gut, dachte Meta und schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Vielleicht glaubte sie in diesem Augenblick wirklich, der Himmel habe ein Einsehen.

      Eine Zeit lang hatte es auch tatsächlich den Anschein.

       6

      Die Jahre bis zu ihrem zehnten Geburtstag waren für Stine die unbeschwertesten ihres Lebens. Sie besuchte die Volksschule in Oldsum und war bei ihren Mitschülern sehr beliebt. Mit Begeisterung nahm sie am Musikunterricht teil und schrieb ausgezeichnete Aufsätze.

      »Aus dir wird einmal eine berühmte Schriftstellerin«, sagte die Lehrerin zu ihr und schrieb eine Eins unter Stines Hausaufgabe. Meta war stolz auf die schulischen Leistungen ihrer Ziehtochter und dachte an ihre eigenen kleinen Gedichte, die noch immer in der alten Aussteuertruhe ruhten. Schon lange waren keine neuen Texte hinzugekommen, viel zu sehr war die Bäuerin mit der alltäglichen Hausarbeit beschäftigt. Und doch war der Wunsch, Worte und Sätze zu einem Gedicht zu reimen, ungebrochen.

      Der Knudtsenhof erwirtschaftete gute Gewinne, sodass die Familie ihren Bestand an Milchvieh erweitern konnte.

      Ein weiterer Knecht wurde eingestellt, der dem Bauern bei der Hofarbeit zur Hand ging, und man plante den Kauf einer neuen, elektrischen Melkanlage.

      »Das neuste Modell, soll es sein. Das können wir uns jetzt leisten.«

      Ole war mächtig stolz auf seinen florierenden Betrieb.

       7

      Der Herbst kündigte sich an. Die Tage wurden kürzer. Das Laub der alten Buche vor dem Knudtsenhof erstrahlte in bunten Farben. Die Insel wurde vom herbstlichen Morgennebel in ein unwirkliches Licht getaucht. Die Fischer flickten ihre Netze und erzählten Geschichten vom Klabautermann und von riesigen Seeungeheuern. Während die ersten Stürme über die Kniepsandflächen wehten, bereiteten sich die Föhrer auf den Winter vor.

      Doch dann geschah etwas, was die heile Welt der Familie Knudtsen zusammenbrechen ließ wie ein Kartenhaus.

      Immer wieder fragte Meta sich später, ob sie diese Tragödie hätte verhindern können und wusste doch ganz genau, dass sie den Lauf der Dinge schon längst nicht mehr beeinflussen konnte.

      Stine hatte, wie immer am Sonntag, ihre Großmutter nach dem Kirchgang auf den Friedhof der St. Laurentii-Kirche in Süderende begleitet. Sie trug ein neues Kleid, aus himmelblauem Baumwollstoff und eine weiße Schürze aus zartem Batist. Die dunklen Haare betonten ihre sanften Gesichtszüge, ließen sie jedoch ein wenig blass aussehen.

      Es war im Laufe der Zeit zu einem schönen Brauch geworden, die viel zu früh verstorbenen Urgroßeltern väterlicherseits nach der Sonntagsmesse auf dem Kirchhof zu besuchen. Und wie jedes Mal machte das Mädchen einen kleinen Abstecher zum Grab ihrer Mutter. Die kleine Stine liebte diesen Ort der Ruhe und genoss, wenigstens für eine kurze Zeit, die ungeteilte Aufmerksamkeit der Großmutter. Unbeschwert lief sie zwischen den Gräbern umher und versuchte, die verwitterten Inschriften der Grabsteine zu entziffern.

      Plötzlich blieb das Mädchen wie angewurzelt stehen, den Blick starr auf ein großes, morsches Holzkreuz gerichtet. Keuchend griff Stine sich an den Hals, sie hatte das Gefühl, jeden Moment zu ersticken. Taumelnd machte sie einige Schritte auf das Kreuz zu und riss hilfesuchend ihre Arme zum Himmel empor.

      »Großmutter, da schwebt eine Frau«, rief sie röchelnd und zeigte mit dem Finger auf das hölzerne Kreuz.

      Doch Meta hörte das Rufen des Mädchens nicht, sie befand sich auf der anderen Seite des Friedhofes und ahnte nichts von den Höllenqualen ihrer Enkelin. Stine war inzwischen am Fuße des Kreuzes auf die Knie gesunken. Mit leiser Stimme sprach sie vor sich hin.

      Ihre Bewegungen erstarrten, nur ihre Lippen formten Worte, die vom Wind wie Blütenblätter davon getragen wurden.

      Nach einigen Minuten erfasste ein Beben das Mädchen, abrupt sprang es auf und lief weinend den Kiesweg entlang zu ihrer Großmutter.

      »Großmutter, Großmutter!«, schrie Stine so laut, dass es auf dem ganzen Friedhof zu hören war.

      Meta Knudtsen erschrak, lief ihrer Enkelin entgegen und zog sie in den Arm. Nur mit Mühe verstand sie die Worte, die Stine völlig atemlos von sich gab.

      »Großmutter, warum schwebt dort am Kreuz eine Frau? Was macht sie dort? Ich habe solche Angst.«

      Das Mädchen klammerte sich schluchzend an ihre Großmutter und vergrub ihr tränenüberströmtes Gesicht in Metas Umhang.

      Meta Knudtsen blickte fassungslos auf das Kreuz. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, während sie beruhigend auf Stine einredete. Mit geschlossenen Augen versuchte sie die Gedanken zu verdrängen, die ihr bei den Worten ihrer Enkeltochter ins Bewusstsein traten.

      »Es darf nicht sein, nein, es darf nicht sein …«, murmelte sie immer wieder tonlos. Hilflos starrte sie auf das Kreuz, das drohend in den Himmel ragte. Ein Schauer jagte über ihren Rücken, und die aufsteigende Panik raubte ihr den Verstand. Mit letzter Kraft nahm sie Stine an die Hand und zog sie mit sich in die kleine Friedhofskapelle.

      Von diesem Tag an weigerte sich Stine beharrlich, den Friedhof zu betreten. Die sonntäglichen Kirchgänge wurden für Großmutter und Enkelin zur Qual. Während Meta Knudtsen dem Grab ihrer Schwiegereltern nach wie vor einen Besuch abstattete, saß Stine still und in sich gekehrt auf den Stufen der alten Kirche und wartete auf die Rückkehr ihrer Großmutter. Wie gebannt war ihr Blick auf das große, eiserne Tor gerichtet, das den Friedhof vom Kirchplatz trennte.

      Die schwebende Frau wird es nicht wagen, den Friedhof zu verlassen, dachte Stine mit klopfendem Herzen.

      Großmutter hat es versprochen …

      Immer wieder schaute sie auf die große Kirchturmuhr. Viel zu lange wartete sie schon auf Metas Rückkehr.

      »Auf dem Kirchhof spukt es …«, murmelte Stine leise.

      In der Schule hatten die Kinder oft von Geistern gesprochen, die nachts auf dem Friedhof ihr Unwesen trieben.

      »Es gibt keine Gespenster«, hatte Großmutter gesagt, als Stine zu Hause davon erzählte.

      »Die Kinder wollen dir nur Angst einjagen, hör nicht auf sie.«

      Nun hatte sie doch ein Gespenst gesehen. Lautlos, in ein weißes Kleid gehüllt schwebte es am Kreuz entlang. Aber warum hatte ihre Großmutter keine Angst?

      Meta vermied es, mit Stine über die schwebende Frau zu sprechen. Wenn das Kind dieses Thema ansprach, wich sie aus. Sie wusste, dass sie dem Mädchen eines Tages Antworten auf viele Fragen geben musste, aber noch war Stine zu jung, sie würde nicht verstehen, warum sie anders war als die Kinder im Dorf.

      »Du willst doch nicht, dass man über dich lacht? Stine spinnt, wird man sagen, willst du das?«

      Mit eindringlichen

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