Der Totenflüsterer. Dietmar Kottisch

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Der Totenflüsterer - Dietmar Kottisch

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tote Babygesicht, das plötzlich die Augen öffnete und sich zur hässlichen Fratze verwandelte.

      Da war etwas in deiner Vergangenheit! Diesen Gedanken konnte er nicht mehr loswerden.

      Er stand auf und stellte sich vor das große Fenster. Die Krähen waren zurückgekommen und saßen wie Orgelpfeifen aneinandergereiht auf dem Mast. Es war, als stierten sie ihn an. Ein paar putzten ihr Gefieder, ein paar flatterten mit den Flügeln, aber die meisten bewegten sich kaum.

       10.

      Er sagte es Klara nicht. Er wollte alles noch für sich behalten. Als sie ihn am Abend ansprach, warum er so bedrückt sei, wiegelte er ab, er habe Kopfschmerzen.

      Er rief am nächsten Tag Irmgard Kowalski an, die einen leicht lädierten Eindruck am Telefon machte.

      „Darf ich mal vorbeikommen?“ fragte er, und sie war damit einverstanden.

      Irmgard wohnte in Bad Homburg in einer Reihenhaussiedlung. Ihr Mann Karl war in einer Spedition als Disponent angestellt. Sie war achtunddreißig Jahre alt, brünett, schlank, zirka Eins fünfundsechzig groß. Sie begrüßten sich herzlich, und Paul sah zum ersten Mal die private Umgebung seiner Kollegin.

      „Darf ich dir was anbieten?“ Er spürte eine etwas versteckte Unsicherheit in ihren Gesten, denn Irmgard konnte sich denken, dass Paul bei seinen Nachforschungen herausgefunden hat, dass sie die Schwester der toten Esther Reschke ist.

      „Gerne, wenn es kein Teebeutel ist…“ lachte er und hoffte, sie nicht in Verlegenheit mit dieser Bemerkung gebracht zu haben. Sie trug Jeans und einen hellen Kaschmirpullover. Paul schaute auf ihre Rundungen, als sie in die Küche ging. „Dann eben einen Espresso, oder?“

      „Klar.“

      Er hörte sie in der Küche hantieren, warf einen kurzen Blick hinein und bemerkte leere Weinflaschen auf dem Boden. Dann sah er sich im Wohnzimmer um. Linker Hand auf einem kleinen Regal standen ein paar Bücher, daneben eine rechteckige dunkelblaue Couch mit Sesseln und einem Abstelltisch aus Glas. In einer großen wuchtigen Schale lagen ein paar Bananen und Äpfel, daneben stand ein Zinnaschenbecher, in dem ein paar Kippen waren. Rechter Hand von der Eingangstüre zog sich eine lange Schrankwand von einer Ecke zur anderen, auf der der Fernseher stand.

      An der Wand hing ein kleines gerahmtes Foto von einem etwa fünfjährigen Jungen mit blonden Haaren und einem schelmischen Gesichtsausdruck. Er wunderte sich, dass sie im Verein nie etwas von ihrem Sohn erzählt hatte.

      In dem Moment kam sie mit dem Espresso zurück, stutzte, als sie sah, dass er das Bild betrachtete.

      „Du hast nie erzählt, dass du…..“

      „Ich weiß, Paul. Aber ich… möchte ungern darüber sprechen…“ Sie blieb einfach stehen, und er sah plötzlich Trauer in ihren Augen. Aber dann sprach sie trotzdem weiter.

      „Tobias war fünf, als es passierte. Ich hatte eine Halbtagsstellung in einer Druckerei in der Buchhaltung. Eine Freundin passte immer vormittags auf meinen – unseren Sohn auf. An diesem Tag….“ Sie schluckte, ein paar Tränen traten aus den Augenwinkeln. „An diesem besagten Tag, es war der zweite Mai, ging sie mit ihm spazieren…und Tobias sah auf der anderen Straßenseite einen kleinen Hund … und weil er sich immer… einen Hund gewünscht hat… riss er sich von der Hand los .. und lief … und der Wagen konnte nicht mehr bremsen…“ Sie konnte nicht mehr weiterreden, begann zu weinen und stellte das Tablett auf den Tisch. Paul half ihr, weil ihre Hände zitterten. Dann nahm er sie spontan in den Arm. „Tut mir Leid, Irmgard.“

      Sie standen ein paar Minuten so da. Sie schwiegen. „Setzen wir uns…“ sagte sie dann und Paul nahm Platz. Als sie sich ihm gegenüber setzte, sagte sie: „Ich weiß, warum du hier bist…..Du hast in der Zeitung mein Bild gesehen.“

      „Solche familiären Angelegenheiten gehen mich normalerweise nichts an, Irmgard, aber das hier betrifft auch unsere Arbeit. Ich mach dir keinen Vorwurf, ich kann verstehen, dass du dich bedeckt gehalten hast. Und wenn du willst, sage ich den anderen nichts von meinen Recherchen. Der Reporter sagte, du würdest nichts darüber aussagen wollen.“

      „Danke. Es ist mir sehr peinlich, was du erfahren hast. Ich leide heute noch darunter, wenn ich daran denke.“

      „Was ist mit den Kindern? Es interessiert mich rein menschlich, aber du musst keine Auskunft geben.“

      Sie schob ihre Tasse beiseite. „Schlimm. Beide sind in Behandlung, sie haben das nicht verkraftet.“

      „In psychiatrischer Behandlung?“

      „Ja.“

      Paul fielen die frischen Blumen auf dem Grab ein.

      „Heiner lebt jetzt in Bremen, hat eine Stelle als Gärtner…. als Friedhofsgärtner…. passt gut, nicht wahr?“ Es war ein mehr sarkastisches Lachen. Sie holte aus der Schublade eine Zigarettenschachtel und steckte sich eine Zigarette an.

      „Lore lebt bei ihrer Großmutter väterlicherseits, die alte Dame hatte solche Gewissensbisse.“

      „Wir waren auch auf dem Friedhof. Die frischen Blumen sind von dir?“

      „Ja.“

      Nach einer Weile sah ihr Paul in die Augen. „ Ich kann mir vorstellen, dass du auch Kontakt zu deiner Schwester hast.“

      „Ja. Natürlich. Schon seit Jahren, aber du verstehst, dass ich das unserem Verein nicht mitteilen muss.“

      Und nach ein paar Sekunden: „Ich bekam Angst, als du uns das erste Mal von deiner Kontaktperson, also von Esther, berichtet hast. Ich hatte Angst, es könnte rauskommen. Jetzt ist es raus.“

      „Jeder, der experimentiert, hat ein ganz persönliches Motiv. Es war nicht primär das Interesse an der Wissenschaft, sondern es ist am Anfang der Drang, wissen zu wollen, wie es der Person ergeht, die gestorben ist. Bei mir war es mein Vater, und bei dir vielleicht deine Schwester,“ stellte er einfach fest.

      „Natürlich. Ich mache das schon, seit ich die Sendung über Jürgenson im Fernsehen gesehen habe.“

      Paul nickte, das war wahrscheinlich der Auslöser aller Experimentatoren. Er wollte gerade die Geschichte auf sich beruhen lassen und sich verabschieden, da merkte er, dass sie ihm noch etwas sagen wollte. Es war eine Geste, eine Bewegung ihrerseits, die einen Abbruch des Gespräches nicht wollte. Paul war dabei sich zu erheben, sie aber blieb sitzen.

      „Willst du schon gehen?“ Sie drückte die Zigarette im Ascher aus.

      „Eigentlich schon.“

      „Willst du noch einen Espresso?“

      Jetzt spürte er es, da war noch etwas. „Keinen mehr, aber wenn du einen Schluck Wasser hast?“

      Sie stand auf und ging in die Küche, dann kam sie mit einem Glas Wasser zurück. Für sich hatte sie ein Glas Wein eingeschenkt. „Wenn du willst, kannst du auch Wein haben..“

      „Danke, aber ich muss noch nach Hause fahren.“

      „Mein Mann Karl hält nichts von den Tonbandstimmen. Ich kann mit niemandem darüber reden, außer wenn wir uns treffen. Aber auch da nicht

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