Das Gespenst der Karibik. Hans W. Schumacher

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Das Gespenst der Karibik - Hans W. Schumacher

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und meinte: "Wird wohl ein Container-Schiff sein."

      "Kannst du dir vorstellen, daß mein Bruder und ich uns immer um die Ingwermarmelade gestritten haben, als wir klein waren", fuhr er fort.

      "Das widerliche Zeug," bemerkte Adelaide wegwerfend, "kann ich nicht verstehen." Sie empfand das dringende Bedürfnis, ihn zu verletzen. Leonidas spürte den Stachel. Seine gute Laune schlug um.

      "Kannst du dir vorstellen", fuhr er in düster schneidendem Ton fort, "daß ich ihn deswegen habe umbringen lassen."

      "Ach geh, das kann ich nicht glauben, Dickerchen. Du kannst doch keiner Fliege etwas zuleide tun!" erwiderte sie, um ihn zu reizen.

      Das war zuviel. Onkel Leo kochte. Dieses dumme blonde angelsächsische Weibsstück mußte man einmal einen Blick in die Abgründe Lateinamerikas werfen lassen. Wenn er auch als Mann nicht mehr viel bei ihr ausrichten konnte, so sollte sie ihn doch nicht herablassend behandeln. Grausen sollte sie es vor ihm! Und nun beichtete er einem (zugegeben) teuren Callgirl (aber sie war ihr Geld wert!), deren Augen sich immer ungläubiger weiteten, alle seine Morde: Wie er seinen von Kindheit auf gehaßten älteren Bruder Rodolfo, den Präsidenten von Santo Ignacio ("Was soll das sein?") mit Hilfe von CIA-Agenten aus politischen Gründen, von denen sie sowieso nichts verstehen würde, hatte umlegen lassen, beim Frühstück, hahaha, wie ihn diese CIA-Bande aber betrogen habe und dem Führer der Linkspartei Vargas statt seiner Gruppe zur Macht verholfen habe. Wie er sofort nach dem Attentat festgenommen und mitsamt der Bruderleiche abgeschoben worden sei. Wie er mit seinem Neffen, seiner Leibwache und der einbalsamierten Leiche von Land zu Land geflogen sei, um sie irgendwo zu bestatten, von wo man sie einmal als Reliquie hätte herausholen können, um sie dem begeisterten Volk zu zeigen, sie solle an Evita Peròn denken - ("Kenn' ich nicht.") und ihm dann Porfirio als Sohn und rechtmäßigem Nachfolger zu präsentieren. Er selbst sei ja schon siebzig gewesen.

      "Ach geh, " meinte Adelaide spitz, "das erfindest du doch alles nur, um dich interessant zu machen. Sowas gibt's doch gar nicht!"

      Onkel Leo fuhr ungeachtet seines inneren Grimms fort, irgendwann mußte selbst bei der Dümmsten der Groschen fallen: Das sei aber völlig fehlgeschlagen. Weil sein Bruder ein so berüchtigtes Scheusal gewesen sei, habe sich kein Land bereitgefunden, seine geheiligte Erde mit seiner Leiche zu entweihen, so wäre ihm in seiner Verzweiflung schließlich eingefallen, sie vom Flugzeug aus ins Meer zu werfen.

      "Nun sag' doch aber, Leo. Selbst im Scherz...." Adelaide fand es allmählich geschmacklos.

      "Hör' zu, dummes Stück!" donnerte Onkel Leo so laut, daß sich zwei Knittergreise sechs Tische weiter erstaunt umsahen. Leo dämpfte seine Stimme: Sein Neffe, sei ihm mit der Zeit aber doch ziemlich überflüssig vorgekommen. Er sei das Gefühl nicht losgeworden, Porfirio wüßte, wer seinen Vater auf dem Gewissen hatte. Einmal habe er im Schlaf "Hamlet, Hamlet!" gestöhnt, da habe es für Leo festgestanden, daß er bald irgendwie verschwinden mußte. Und die Gelegenheit dazu habe sich ganz von selbst ergeben. Als Porfirio mit seiner Wache zusammen den Sarg aus dem Flugzeug wuchtete, habe er, das heißt genau genommen einer seiner body-guards, ihm ein Bein gestellt und ab ging's mit ihm ins Meer. Es sei nicht schade um ihn gewesen, ein Mädchenschänder weniger!

      Adelaide hielt es nicht länger aus, sie lachte schrill auf. Onkel Leo konnte tief in ihren rosigen Rachen sehen, in dem das Zäpfchen auf und nieder schnellte. Gerade wollte er ihr eine beruhigende Ohrfeige langen, als sich von einer Seitentür her mit wehenden Rockschößen ein Kellner näherte. Er hielt ein silbernes Tablett in der Hand und stellte es links neben den Onkel.

      "Sie haben neue Marmelade bestellt?" fragte er.

      Der Onkel sah erstaunt auf. Mißtrauisch musterte er den Ober. Jeder Angestellte des Hotels, der mit ihm zu tun hatte, war sorgfältig unter die Lupe genommen worden.

      "Wer sind Sie? Ich kenne Sie nicht!"

      Das Gesicht des Kellners war hager und bleich, schwarze Mestizenaugen brannten in tiefen, blauumrandeten Höhlen.

      "Aber ich kenne dich!" schrie er plötzlich, riß einen Trommelrevolver unter dem Jackett hervor und feuerte Onkel Leo eine Serie von Löchern in die Hemdbrust.

      "Viva la révoluciòn!“ kreischte der Kellner, während Onkel Leo langsam vornüber sackte und mit dem Gesicht im Teller landete. Das Muster der Tischdecke spiegelte sich in seinen erstaunten Augen.

      Eine fürchterliche Aufregung entstand. Adelaide schlug die Hände vors Gesicht und kippte vor Schreck mit dem Korbsessel um. Von dem Personal umringt und der zu spät auftauchenden Leibgarde, die friedlich im Keller gefrühstückt hatte, wurde dem Attentäter der leere Revolver aus der Hand gewunden.

      "Viva la muerte!“ rief er noch höhnisch, als man ihn von der Terrasse schleppte.

      Die Vögel, die während des ganzen Schauspiels verschreckt geschwiegen hatten, begannen wieder mit ihrem naiven Gezwitscher.

      M. Cybulka Klavier- und Geigenunterricht

      Sie saß am Flügel, den Kopf in die linke Hand gestützt und schlug mit der rechten einen Akkord an. Immer denselben. Vor dem Fenster wirbelten Blütenblätter vorbei, ein rosiges Gestöber. Die japanischen Quitten im Vorgarten verblühten und der Himmel stand voll zarter, aufgelöster Wolken. Immer wieder den gleichen Akkord. Er entfaltete sich in ihr zu einem melancholischen Raum, der mit dahinstiebenden Blüten und einem fahlblauen Himmel ausgestattet war. Im dunkelglänzenden Lack des Instruments dämmerte ihr ein altersloses Gesicht entgegen. Der Akkord, dieser Klang, das war es! Er durchschauerte sie mit Ewigkeit, immer wieder, sie würde nie aufhören können, ihn anzuschlagen. Etwas löste sich in ihrer Brust, sie fühlte, wie trockene Schalen von ihrer Seele abfielen. Der Himmel hatte das verwaschene Blau der Schleifen, die sie als Kind im Haar trug, und die rosigen Blätter erinnerten sie an die Farbe ihres Konfirmationskleides. Der Klang, dieser Klang! Ihn festhalten, nicht locker lassen! Aber dann merkte sie, wie er verblaßte, es war doch nur ein gewöhnlicher Akkord! Was fand sie denn daran? Natürlich, es war das Kindergeschrei! Sie hatte sich beim Hausmeister oft genug darüber beschwert. Wie soll ein Mensch seinem Beruf nachgehen, wenn diese Kröten so entsetzlich brüllen? Entschlossen stand sie auf und ließ die Rolläden hinabdonnern, dann noch die schweren Samtvorhänge davor. Endlich Stille! Im Dunkeln ging sie unruhig auf und ab. Woher kam nur ihre Nervosität? Geräusche machten sie verrückt. Aber manchmal ertrug sie klaglos Preßlufthämmer und Düsenjäger. Wie kam das? Verflixt, wer klopft denn da? Sie suchte sich zum Lichtschalter durchzutasten, stolperte über den Klavierhocker und landete auf den Knien. "Fräulein Cybulka, sind sie gefallen? Wo ist denn der Schalter?" "Rechts neben der Tür." "Da ist nichts." "Sie suchen ja auch links, Sie Esel!" Etwas Leichtes stürzte flatternd und ächzend zu Boden. "Sie sind wirklich unmöglich. Mein Notenständer ist hin!" Herr Müller bückte sich mühsam. Betroffen im fahlen Licht zwinkernd, erkannte er ein Holzgestell, das sich an einer mit altersgrauem Bindfaden reparierten Bruchstelle wieder aufgelöst hatte. Er hob die am Boden verstreuten Notenblätter auf. Seine Hände zitterten, sein Herz schlug heftig. Diese alte Ziege konnte ihn von einem Tag zum anderen vor die Tür setzen. Und möblierte Zimmer waren so schwer zu kriegen. Also ruhig, Alter! Kein Wort. Fräulein Cibulka erhob sich entrüstet. Dieser Mensch würde sie noch zum Wahnsinn treiben. Schon sein Tritt! Wie konnte einer auch so daherstampfen wie ein Elefant? Krachend bogen sich die Dielen unter seinem Fuß und nachts ächzte sein Bett, als würde es gleich zusammenbrechen. Als sie sich darüber beschwerte, meinte er, sie könnte ja die Tür zwischen ihrem und seinem Zimmer zumauern lassen oder ihm ein Bett besorgen, das weniger altersschwach wäre. Sie hatte es ihm aber gegeben! "Nicht das Bett ist altersschwach, sondern Ihre Lunge! Sie husten ja zum Verzweifeln. Wenn Sie ihre Krankheit so verschleppen, habe ich am Ende noch Scherereien mit Ihnen. Das eine sage ich Ihnen, wenn Sie mal nicht mehr aus dem Bett kommen,

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