Brand und Mord. Die Britannien-Saga. Sven R. Kantelhardt
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Brand und Mord. Die Britannien-Saga - Sven R. Kantelhardt страница 36
Da trat Prinz Vortimer an Ordulf vorbei und rammte dem mit dem Tode Ringenden sein Schwert so heftig in den Rücken, dass die blutige Spitze in der Brust wieder zum Vorschein kam. Ordulf zuckte zusammen. Der Getroffene riss Augen und Mund erschrocken auf. Statt eines Schreis kam aber nur ein Schwall dunklen Blutes hervor. Dann fiel sein Körper mit gebrochenen Augen in sich zusammen. Vortimer schenkte Ordulf ein kurzes, kaltes Lächeln, während er sein Schwert an der Hose des toten Pikten abwischte, dann schritt er wortlos weiter. Ordulf sah ihm schaudernd nach. Vermutlich hatte er das Beste für den Pikten getan, aber einen Wehrlosen zu töten, ohne mit der Wimper zu zucken? Das stieß Ordulf doch irgendwie ab.
Als die leichter verletzten Gegner schließlich unter Horsas strengen Blicken versorgt waren, plünderten die Sachsen die Leichen und das Gepäck der gefallenen Pikten. Sie verscharrten die Toten in einem rasch ausgehobenen Massengrab direkt auf dem Schlachtfeld. An eine Siegesfeier war aber nicht zu denken, denn an diesem Abend mussten sie von dem wenigen mitgebrachten Proviant und dem, was sie bei den Pikten gefunden hatten, zehren, denn Vortigern leckte seine Wunden in Lindum und auch Vortimer gelang es hier nicht, irgendwelche Vorräte aufzutreiben.
„Lasst uns lieber Holz sammeln, um Ypwine ein ordentliches Begräbnis zu bereiten“, schlug Gerolf stattdessen vor.
Er selbst, Thiadmar und Ordulf machten sich daran, trockenes Holz im nahen Wäldchen zu sammeln. Auf dem Schlachtfeld schichteten sie einen Scheiterhaufen auf. Fast mannshoch. Darauf legten sie Ypwine mit seinen Waffen. Gerolf legte zwei der britannischen Silbermünzen auf seine geschlossenen Augen.
„Das bin ich ihm schuldig“, kommentierte er.
Als die Sonne gesunken war, versammelten sich die Sachsen in dunklen Reihen um den Scheiterhaufen. Hengist selbst trug den Brand durch die düstere Schar zum Scheiterhaufen. Seine Fackel spiegelte sich gespenstisch in den Waffen der Männer. Funken stoben auf, als Hengist das Feuer schließlich an den Scheiterhaufen warf. Gierig griffen die Flammen auf das Holz über. Rasch loderten sie empor und es stank kurz nach verbranntem Haar und Fleisch, als die Glut den toten Krieger verzehrte.
Am nächsten Morgen sammelte Gerolf Asche und Knochenstücke in einem Tontopf. „Ich will ihn dort begraben, wo er seinen Hof bauen wollte, unten in Thanet an seinem Fleet“, erklärte er Ordulf mit feuchten Augen.
Gerolf hatte diesen Freundesdienst keinen Augenblick zu früh verrichtet, denn Vortimer drängte zum Aufbruch. Sie folgten wieder der geraden Römerstraße. Gegen Mittag näherten sie sich einer größeren Ortschaft. Schon von weitem erkannte man die steinernen Mauern hoch oben über einem aufgestauten Fluss. Lindum.
Reiter aus Vortimers Eskorte hatten die frohe Nachricht von der Niederlage des piktischen Stoßtrupps bereits dorthin getragen und Vortigern selbst ritt ihnen hundert Schritte vom Tor aus entgegen. Ordulf erkannte ihn sofort an seinem purpurnen Mantel und dem goldenen Reif auf dem Haupt. Zuerst reichte er seinem Sohn, dann Hengist, Horsa und Willerich und schließlich auch Ceretic die Hand, bevor er sein Pferd wendete und die Sieger im Triumph den steilen felsigen Hang hinauf zum Tor von Lindum führte.
Die Torflügel in der alten, von roten Ziegelbändern geschmückten Mauer aus weißem Kalkstein standen weit offen, aber der Jubel der Bevölkerung und der Reste von Vortigerns geschlagener Armee klang eher verhalten. Der Schrecken der Sachsen war offenbar bis hier in den entlegenen Norden Britanniens gedrungen. Erst als die gefangenen Pikten durch das Tor getrieben wurden, heulten die Massen wütend auf. Einige besonders Mutige drängten sich vor, um sich an den Pikten zu vergreifen.
Doch Horsa ging verärgert dazwischen. „Wenn ihr mit euren Feinden Mutwillen treiben wollt, dann fangt euch eure Pikten doch selbst. Es laufen noch genug da draußen herum. Wenn ihr genauso tapfer gefochten hättet wie diese hier, bräuchtet ihr unsere Hilfe nicht“, brüllte er. Und obwohl ihn niemand verstand, fuhren die vordersten Britannier wie von einer giftigen Schlange gebissen zurück. „Ich achte tapfere Krieger, auch wenn ihr Wurd sie in Gefangenschaft zwingt“, fügte er immer noch zornig hinzu.
Lindum, Juni 441
Ceretic
Auf dem Forum schließlich erwartete sie der Vasallenkönig von Lindum. Sorgenvoll blickte er den sächsischen Kriegern entgegen, die Vortigern gerade ohne jede Gegenwehr durch das Tor in die befestigte Stadt gelassen hatte. Ceretic selbst wunderte sich ebenfalls über Vortigerns Selbstsicherheit. Er kannte die Sachsen ja gar nicht, doch er reckte sich stolz. Vermutlich vertraute der König blind auf das Urteil seines Ritters und Beraters. Überhaupt war das Ganze sein eigener Verdienst. Missgünstig beobachtete er Vortimer, der hocherhobenen Hauptes hinter seinem Vater ritt, als habe er etwas Großes vollbracht.
Am Abend lud der Hochkönig selbst zum Festmahl. Vortigern saß, umringt von den Mitgliedern seines Comhairle – zu denen nun auch Ceretic gehörte – direkt neben Lindums Vasallenkönig Tasciovanus am Kopf der Tafel. Ceretic wusste, dass auch die Sachsen geladen waren, doch noch bevor sie erschienen, stand der Hochkönig unvermittelt auf.
„Ehe unsere barbarischen Hilfstruppen zu uns stoßen, will ich noch etwas erledigen“, sagte er mit gewichtiger Miene. „Ceretic, steh auf!“
Alle Augen richteten sich erstaunt auf das neueste Mitglied des Rates. Ceretic spürte einen Kloß im Hals. Sein Hocker fiel rumpelnd um, als er ungeschickt aufsprang. Er hörte wie Albanus Muirdoch etwas zuraunte. Verstehen konnte er nichts, aber der alte Banwr verzog seinen Mund zu einem säuerlichen Lächeln.
Ob sie ihm seinen Aufstieg neideten? Hatten sie ihn beim Hochkönig verleumdet?, schoss es ihm durch den Kopf.
Vortigern räusperte sich. „Ich bin kein undankbarer Mann“, begann er. Ceretics Knie wurden weich. Ein Satz, auf den ein „aber“ folgen würde. „Die von dir geworbenen Barbaren haben die bisher unbesiegten Pikten geschlagen. Sie haben uns die Rücken zugekehrt und werden es von nun an immer wieder tun. Nimm diesen Armreif als Zeichen der Dankbarkeit deines Königs!“
Damit zog er aus seinem Gewand einen breiten Goldreif hervor und reichte ihn dem verdutzten Ceretic. Fast fiel er ihm aus der Hand. Das Geschmeide war viel schwerer als er gedacht hatte.
„Mein Herr und König. Was immer ihr befehlt, will ich tun“, stammelte er überwältigt. Mit vor Freude brennenden Wangen drehte er sich zu seinem Sitz, doch die Freude währte nur einen Moment. Der Blick, mit dem ihn Vortimer anstarrte, ließ die Wärme der Dankbarkeit gefrieren.
Da betraten Hengist, Horsa und Willerich, gefolgt von ihrer lärmenden Horde, die Halle und der Kronprinz wendete sich ihnen zu. Die Sachsen wurden an langen Tischen und Bänken platziert. Lindums Vasallenkönig schaute säuerlich drein. Auf den Kosten für den Ochsen und die Schweine würde er sitzen bleiben.
Mägde brachten Met und Bier und kräftige Kerle drehten den Ochsen und die Schweine über einem mächtigen Feuer und bestrichen sie immer wieder mit würziger Soße. Ein herrlicher Duft erfüllte die Halle.
Ceretic fühlte, wie ihm das gute britannische Bier den Magen und langsam auch den Kopf mit wohligem Nebel füllte. Vortigern hatte Recht getan, ihm den Armreif zu schenken. Dieser Sieg war vor allem sein Verdienst. Schon leicht unsicher machte er sich auf den Weg nach draußen, um Wasser abzuschlagen. Auf dem Weg zurück drückte ihn im dunklen Gang vor der Halle plötzlich ein starker