Reisen Band 2. Gerstäcker Friedrich

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Reisen Band 2 - Gerstäcker Friedrich

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Als der Kutscher endlich aufstieg und die vier starken und wohlgenährten Pferde mit der Peitsche zum Mitfahren einlud, waren wir fast andertalb Dutzend Seelen auf der einen Achse.

       Es war das erste Mal, daß ich oben auf einem Wagen fuhr, und der tolle Galopp, mit dem unser Kutscher jetzt wahrscheinlich die verlorene Zeit einzuholen suchte, diente gerade nicht dazu, das etwas unbehagliche Gefühl, das mich da oben bei der Idee eines Umwerfens ergriff, zu beruhigen. Die Straßen dort sind aber ausgezeichnet, die Kutscher sehr sicher und mit ihren Tieren vertraut, und wir fuhren etwa sieben englische Meilen in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit. Glücklicher Weise erfuhr ich erst später, daß noch gar nicht so lange eben eine solche Kutsche auf dem nämlichen Wege, zwischen Paramatta und Sidney, bei einem tollen Wettfahren umgeschlagen sei, und sieben Personen augenblicklich tot und andere schwer verletzt worden wären.

       In vollem Galopp rasselten wir die Straße hinab, unserer nächsten Station entgegen, die wir aber erst nach Dunkelwerden erreichen sollten. Von den „oberen" Passagieren waren indessen schon hier und da mehrere heruntergeglitten; sie gehörten meistens in die kleinen Ortschaften oder aus die einzelnen Farmen, die am Wege lagen, und ließen sich bei ihrer Heimath oder wenigstens so nah' als möglich bei derselben „ausladen“. Auch aus dem Innern des Wagens sah ich mehrere Mal Helle Gewänder in der jetzt einbrechenden /66/ Dämmerung verschwinden, und sogar der Kürbis blieb in einem kleinen, einzeln stehenden Farmhaus, an dessen Thür ihn ein kleines mageres Männchen, vielleicht zärtlich harrend, jedenfalls eine große Stalllaterne hoch emporhaltend, um darunter wegzusehen, erwartete.

       Das Wetter sah wie Regen aus, und ich gedachte schon einen Operationsplan auszuführen, der mich wieder in das Innere des Wagens, wo ich jetzt auf Platz hoffen konnte, bringen sollte, als die Kutsche plötzlich vor einem niedern langen Gebäude hielt und uns angekündigt wurde, daß hier „Pferde und Wagen“ gewechselt werden sollten.

       Die Wirklichkeit sollte bald unsere traurigsten Erwartungen oder vielmehr Befürchtungen übertreffen: statt der geschlossenen Kalesche bekamen wir einen offenen Jagdwagen, zur auf Federn allerdings, aber mit harten Sitzen und dem Wind und Wetter erbarmungslos preisgegeben, und nach nur kurz gegönnter Frist, um etwas Abendbrod zu uns zu nehmen, ging die Reise wieder weiter, in die stockdunkle, regendrohende Nacht hinein.

       So machten wir vielleicht, gerade nicht in der besten Laune und überdicht geladen, zwanzig bis fünfundzwanzig Meilen, und hatten wir bis jetzt wenigstens noch erträglich gesessen, so sollten wir nun erfahren, was es eigentlich heiße, in Australien auf einer R o y a l – M a i l zu fahren. Hier wurden Wagen und Pferde wieder gewechselt, und wir bekamen jetzt eine ganz eigene, ja sogar eigentümliche Art von Beförderung - der jetzige Postwagen, ebenfalls offen wie der vorige, glich einem gewöhnlichen Leichenwagen - die Sitze waren an den Seiten angebracht, und bestanden aus zwei sehr schmalen und nur notdürftig gepolsterten Bänken, so schmal, daß sie in der Tat eher einer höchst unnützen Verzierung glichen, als zum wirklichen Gebrauch bestimmt schienen, und i n diesem Kasten, der sich nur darin von einem Leichenwagen unterschied, daß auf diesem eine Person bequem liegt, während auf der Royal- Mail eine unbestimmte Anzahl von Passagieren hincingekeilt hing, beförderte man nun sämtliche Reisende, Männer, Frauen und Kinder, ohne sich auch nur im Mindesten darum zu bekümmern, ob sie Platz hätten. Der Begriff „Platz“ /67/ umgreift überhaupt auf einer australischen Postkutsche den des Eistierens, oder selbst der Möglichkeit des Existierens, und wir fanden bald darauf zu unserem Erstaunen zehn Personen in einem Raum untergebracht, den ich früher nicht für im Stande gehalten hatte, um sechs ordentlich zu fassen und zu halten. An S i t ze n war aber auch gar nicht zu denken, unsere Beine - und fünf von den Zehn waren Frauen - staken wild durcheinander, die meinigen so fest eingeklemmt, daß ich sie auch nicht einen Zoll hätte bewegen können, wäre mein Leben damit zu retten gewesen. Es schien auch schon, als ob wir da oben nicht vor einer Stunde mit Durchcinanderschreien und Raumsuchen, wo keiner zu finden war, fertig geworden wären, als plötzlich der Kutscher unseren Bedenklichkeiten ein gewaltsames zwar, aber auch vollkommenes Ende machte.

       Ein Schlag seiner Peitsche trieb die Pferde an, die Kutsche - wenn ich mich einer so groben Schmeichelei schuldig machen darf, ein solches Fuhrwerk Kutsche zu nennen - schoß vorwärts, und mit dem plötzlichen Ruck, oder ich möchte sagen der nachfolgenden „Onantität von Rucken“, wurden wir so ohne weiteres Erbarmen durcheinander geschüttelt, daß sich ein Teil der Passagiere setzte, d. h. nicht etwa in unserem civilisirten und gesellschaftlichen Sinne, sondern wie durch irgend einen chemischen Proceß, als Bodensatz formiert wurde, während die andere, leichtere Hälfte obenauf zu liegen kam. Ich saß - oder sitzen sollte hier eigentlich ein passives Verbum sein - ich wurde also gesessen.

       Um die Sache noch vollkommen zu machen, fing es etwa um zehn Uhr Abends an zu regnen, und um zwölf Uhr goß es, so daß wir in der Tat jede gegründete Ursache hatten, uns elend zu befinden, und vollkommen entschuldigt gewesen wären, hätten wir unserem Unmut in Flüchen und anderen Zeichen grimmigen Zornes Luft gemacht. Aber Gott bewahre! Die Extreme berührten sich auch hier. Ich weiß mich der Zeit nicht zu erinnern, daß ich eine ganze Nacht hindurch, selbst in der angenehmsten Gesellschaft und unter den erfreulichsten Verhältnissen, mehr gelacht und mich besser amüsiert hätte, als auf diesem fliegenden Marterkasten. Obgleich fast Keiner noch das Gesicht des Andern gesehen hatte, ausgenommen beim /68/ ersten Einsteigen, wo man doch wenig auf einander achtet, noch dazu da so Viele unterwegs ausstiegen, und man nicht einmal wissen konnte wer eigentlich sitzen geblieben war, und später vielleicht die wenigen Secunden beim Abendessen, lachten und schwatzten wir doch Alle so gemütlich mit einander, als ob wir schon die längsten Reisen mitsammen gemacht hätten, und Anekdoten und Geschichten wurden erzählt, und Lieder gesungen die ganze Nacht hindurch. Wir mußten dabei einen steilen Berg übersteigen, den sogenannten razor-back (Rasiermesserrücken). Es regnete zugleich wie aus kleinen Eimern, die Pferde konnten den Wagen kaum leer hinaufschleppen, die armen Frauen kaum ihr eigenes Selbst hinaufbringen, und ich trug außer meiner Büchsflinte, die ich nicht aus den Händen ließ, noch kleine Kinder den Razorback hinauf und wieder hinunter - auch eine sehr schöne Beschäftigung für einen reisenden Literaten - aber nichts vermochte unsere gute Laune zu stören, und der Kutscher schüttelte nur immer verwundert den Kopf und meinte, solch' wunderliches Volk sei ihm in seiner ganzen Praxis noch nicht vorgekommen, und er hätte doch noch stärkere Ladungen bei noch scheußlicherem Wetter hier herauf und hinunter gefahren.

       Naß wie die Katzen und über und über voll Schlamm stiegen wir wieder ein, unsere gute Laune blieb aber immer dieselbe, und nur gegen Morgen, als es zu regnen aufhörte und der kalte, fröstelnde Morgenwind über die Bergkuppen strich, wurden die Gespräche zuerst einsilbiger, das Lachen kürzer und einzelner. Hier und da fing Einer oder der Andere an zu nicken, und knöpfte sich fester in seinen Rock ein, wenn er durch das Schaukeln des Wagens, der ihm nicht die geringste Rücklehne bot, emporgeschnellt wurde, und nun vor Kälte zitternd fand, daß er - nicht etwa in seinem Bette, was er vielleicht eben in flüchtigen Umrissen geträumt, sondern an Bord einer australischen königlichen Postkutsche sei.

       Als der Morgen endlich dämmernd anbrach, wünschte ich mir zeichnen zu können, denn eine solche Gruppe betrübter Gestalten habe ich in meinem ganzen Leben nicht gesehen; wir mußten in der Tat Alle laut auflachen, als wir einander /69/ ansichtig wurden. Das komischste Bild war ein mir gegenübersitzender Kollege, ein Mr. Johnson, der Herausgeber des Goulbourne Herald, der nach Sidney eine kleine Vergnügungstour im schönsten Wetter gemacht hatte, und jetzt im kalten Regen, nur mit einem dünnen Sommerröckchen bekleidet, fröstelnd, die zusammengefalteten Hände zwischen die Knie geklemmt, den fadennassen Seidenhut tief in die Stirn gedrückt, dasaß und - ein Bild des Leidens und der Resignation - seinen Rockkragen zu einer doppelten Wasserrinne dienen ließ, indem er rechts das jetzt wieder niederträufelnde Regenwasser von einem hellblauen baumwollenen Regenschirm und links von einem grünen Sonnenschirm geduldig auffing, und aus sein Vorhemdchen nicht allein weiter beförderte, sondern diesem auch die entsprechende hellblaue und grüne Farbe getreu und unparteiisch mitgeteilt hatte.

       Auf einer der Zwischenstationen, deren Namen ich vergessen habe, ließen wir einen Teil der Passagiere und bekamen nun hinreichenden

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