Die Pferdelords 06 - Die Paladine der toten Stadt. Michael Schenk
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war die Chance größer, dass ein geschwächtes Tier genug Nahrung abbekam,
um wieder gesund zu werden. Nein, sie riskierten nicht viel, diese eleganten
Räuber, aber deswegen waren sie keineswegs feige. Wenn es darauf ankam,
kämpften sie rücksichtslos. Kein vernünftiger Mann würde sie unterschätzen.
Doch Terwin, der Schwertmann an Kormunds rechter Seite, war nicht
vernünftig. Obwohl er sich im Kampf gegen die Orks bewährt hatte, fehlte
ihm der Instinkt, die Raubkrallen richtig einzuschätzen. Kormund merkte das,
als der Reiter sich entfernte und auf den steilen Hang zuhielt, der den
Raubkrallen ein Entkommen unmöglich machte. Der erfahrene Scharführer
wandte den Kopf und musterte die Felsen, die vereinzelt und in Gruppen am
Fuße des Hanges lagen. Irgendwann hatte die Erosion sie gelöst und von oben
herabstürzen lassen. Einige lagen wohl schon viele Jahreswenden dort, denn
sie waren an der dem Wind zugewandten Oberseite mit Moos bewachsen.
Kormund brauchte nur Augenblicke, um die Stellen zu erkennen, an denen
der Bewuchs frisch abgeschabt war; er öffnete den Mund zu einem Warnruf.
Terwin hatte den Felsen nur einen flüchtigen Blick geschenkt und war
dann zwischen sie geritten, die Augen auf den vor ihm liegenden Hang
geheftet, wo er zuvor eine schemenhafte Bewegung wahrgenommen hatte
Tatsächlich erkannte er dort einen goldgelben Schatten. Unzweifelhaft eine
Raubkralle, und sie zog einen Hinterlauf nach. Terwin frohlockte, denn
verletzt würde sie eine leichte Beute sein.
Hinter ihm ertönte Kormunds Warnschrei, aber er nahm ihn kaum wahr. Er
hatte einen Pfeil aufgelegt und den Bogen halb gespannt und verfluchte allein
die Tatsache, dass sich das verletzte Tier immer nur für wenige Augenblicke
zeigte und dabei tiefer und tiefer zwischen die Felsen humpelte. Auf den
Gedanken, dass die Raubkralle ihn in eine Falle locken könnte, kam der
Pferdelord nicht. Er jagte ein Tier, und Tiere waren dumm. Eigentlich hätte er
es besser wissen müssen, aber das Jagdfieber hatte ihn gepackt.
»Zurück, Terwin!«, schrie Kormund auf. »Das Biest lockt dich zwischen
die Felsen!«
»Er ist scharf auf das Fell«, knurrte der andere Schwertmann.
»Verdammter Narr.«
Die beiden Reiter zogen ihre Pferde herum und trieben sie in Terwins
Richtung. Der Wind stand auf dem Hang und verhinderte so, dass das Pferd
des Schwertmanns den Geruch der Raubkrallen aufnahm. Erneut hörte
Terwin den warnenden Schrei des Scharführers hinter sich, aber er hatte die
verletzte Raubkralle nun deutlich im Blick und konnte den Bogen endlich
zum Schuss spannen. Dann, gerade als er den Pfeil lösen wollte, geschah es.
Auf dem Felsen, an dem Kormund die verräterischen Spuren gesehen
hatte, erschien eine weitere Raubkralle und duckte sich zum Sprung. Nervös
peitschte ihr Schwanz, während sie mit dem Becken die typischen
Bewegungen machte, mit denen die Tiere ihre Muskeln spannten. Begleitet
von Kormunds Aufschrei sprang die Raubkralle los.
Terwin schoss in dem Moment den Pfeil ab, als das Tier gegen ihn prallte.
Mit seinem Körper von der Größe eines Schafes und der Wucht des Sprunges
warf es Mann und Pferd einfach um. Der Schwertmann schrie auf, als sein
eines Bein unter dem stürzenden Pferd begraben wurde und brach, während
das liegende Tier auskeilte und versuchte, wieder auf die Läufe zu kommen.
Der Räuber hatte unterdessen seine Krallen in den Leib des Mannes
geschlagen und riss ihm blutige Wunden, bevor der Schwung des Sturzes sie
wieder voneinander trennte.
Der Pfeil Terwins ging ins Leere, denn die scheinbar verletzte Raubkralle,
auf die er gezielt hatte, war plötzlich herumgefahren und hastete nun mit
weiten Sprüngen heran. Zwei weitere Tiere erschienen zwischen den Felsen
und näherten sich ebenfalls.
Das Pferd kam hoch und wieherte erregt, als es die anstürmenden
Raubkrallen sah. Seine Instinkte verlangten, dass es flüchtete und sich in
Sicherheit brachte, aber Terwins Reittier war gut ausgebildet, und so stellte es
sich zum Kampf, statt zu fliehen. Noch während der Gestürzte versuchte, sich
vom Boden zu erheben, stieg sein Hengst auf die Hinterhand und
zerschmetterte einer der Raubkrallen mit dem Vorderlauf den Schädel.
Die andere sprang jedoch am Pferd vorbei und traf den Schwertmann, der
mittlerweile aufrecht stand, das gebrochene Bein aber nicht belasten konnte.
Er wollte gerade den Bogen fallen lassen und sein Schwert ziehen, als das
frontal von vorn kommende Tier gegen seine Brust prallte. Terwin stürzte
hintenüber, und eine der Tatzen der Raubkralle zog eine blutende Wunde über
sein Gesicht. Wäre der schützende Helm nicht gewesen, hätte er sicherlich ein
Auge verloren. Aber er war auch so schon übel zugerichtet.
Innerhalb