Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes. Michael Schenk
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes - Michael Schenk страница 23
Herdur-Mann verstand die Skepsis seines Stellvertreters. „Es gibt sie, mein Freund, es gibt sie. Ich bin einem dieser Wesen vor Jahreswenden begegnet und habe, wie durch ein Wunder, überlebt. Aber die Narben, die ich erlitt, sind mir eine stete Mahnung. Mein Schwert fügte der Kreatur keinen Schaden zu. Ich habe lange in den Archiven von Ataraan gesucht, bis ich eine Erklärung fand.“
„Die Nachtläufer des Todes“, sinnierte Borsik-Mann. „Wenn du nicht einer der Bestien begegnet wärst, würde ich nicht an ihre Existenz glauben. Doch an deinem Wort will ich nicht zweifeln.“
„Sei froh, dass diese Kreaturen der Finsternis noch nicht über uns hergefallen sind.“ Herdur-Mann starrte finster über das Land. „Einst waren sie eine große Gefahr, doch die Truppen des Königs fanden ein Mittel, mit dem man sie töten konnte. Man überzog den Stahl der Waffen mit einer dünnen Schicht Gold. So bezwang man die Nachtläufer und glaubte, sie ausgelöscht zu haben.“
„Bis du einem von ihnen begegnet bist.“
„Bis ich einem von ihnen begegnet bin.“ Herdur-Mann strich unbewusst über eine der langen Narben. „Und wo eine der Nachtbestien lebt, da wird es auch andere geben. Doch jetzt gibt es keine Truppen des Königs mehr und auch kein Gold, um die Waffen damit zu überziehen.“
Borsik-Mann grinste vergnügt. „Ha, das haben wir. Wie ich schon sagte, wir waren erfolgreich. Ich drang mit einer Gruppe unerkannt über die Grenze.“ Er lachte erneut. „Niemand bewacht noch eine Grenze, die in ein totes Land führt. Wir marschierten durch das Kaltland nach Rushaan, und wir fanden, was wir brauchten.“
Herdur-Mann seufzte erleichtert. „Dann habt ihr Gold gefunden.“
„Es machte nicht viel Mühe“, fuhr Borsik-Mann fort. „In der Öde trafen wir auf eine Gruppe sehr kleiner Menschen, die eifrig danach grub. Wir beobachteten sie eine Weile und warteten, bis sie so viel aus der Erde gekratzt hatten, wie wir noch tragen konnten. Dann nahmen wir uns das Gold und brachten es heim.“
„Und jene, die nach ihm gruben?“
„Wir haben nicht lange gefragt“, knurrte Borsik-Mann. „Wir brauchten das Gold ja.“
„Das ist wahr.“ Herdur-Mann strich sich über das Gesicht. „Leben in der Öde? Seltsam, es ist doch ein totes Land. Jene kleinen Menschen, wer waren sie wohl?“
„Sie stammten nicht aus der Öde“, erklärte Borsik-Mann. „Es gibt dort keine Anzeichen für eine Siedlung. Gut, wir waren natürlich nicht überall“, schränkte er ein, „doch wir haben die Toten genau betrachtet. Sie müssen von jenseits des südlichen Gebirges stammen.“
„Dann haben die alten Reiche überlebt“, murmelte Herdur-Mann. „All das Schlachten des Ersten Bundes, und es gibt Überlebende. Erstaunlich.“ Sein Gesicht wurde ernst. „Wir sollten ein Auge auf die Südgrenze halten, mein Freund. Jene, die ihr erschlagen habt, gehören zu einem Volk. Es könnte sein, dass jemand sie zu rächen versucht.“
„Wir hinterließen keine Spuren“, versicherte der Stellvertreter. „Und niemand würde mehrere Zehntage in das Kaltland hinaufmarschieren, um ein paar Tote zu rächen.“
„Ich bin mir dessen nicht so sicher“, seufzte Herdur-Mann. „Doch wir haben dringendere Sorgen. Zeig mir das Gold. Reicht es für unsere Zwecke?“
„Wenn wir es sehr dünn auftragen, dann reicht es für eine Menge Schwerter“, versicherte Borsik-Mann. „Unser Sespiru und seine Männer werden sicher sein.“ Er räusperte sich. „Was, äh, ist mit den anderen?“
„Den anderen?“
„Den anderen Männern. Und was ist mit den Frauen?“
„Das Gold reicht nicht, um sie alle vor den Nachtläufern zu schützen.“
Borsik-Mann biss sich auf die Unterlippe. „Du willst sie opfern?“
„Ich will uns bewahren“, korrigierte Herdur-Mann.
„Du willst sie nicht einmal warnen?“
„Wozu?“ Der alte Anführer schüttelte den Kopf. „Damit sie in Angst leben, bis der nächtliche Tod sie ereilt? Wahrscheinlich würden sie meiner Warnung ohnehin nicht glauben.“
„Aber die Frauen …“ Borsik-Mann griff sich demonstrativ in den Schritt. „Ohne sie wird unser Volk untergehen.“
Herdur-Mann lachte auf. „Wenn die Nachtläufer erst über sie herfallen, dann werden die Weiber unseren Schutz suchen. Jene, die uns gefallen, mögen uns dann dienen. So wie es in den alten Zeiten war.“ Er blickte nach Nordosten. „Zur Finsternis mit den anderen Frauen. Sollen die Nachtläufer sie ruhig fressen.“
Kapitel 8
Nacht senkte sich über das namenlose Dorf.
Gajaths anmutige Gestalt trat aus ihrem Haus hervor. Das Haus war ihr Refugium. Das einzige Gebäude im Lande Julinaash, welches die Nachtläufer niemals betreten durften. Hier studierte sie die alten Schriften, vervollkommnete ihre geheimnisvollen Künste.
Sie blickte zu den sieben Hügeln. Die Spitzen der sieben Säulen funkelten hell im letzten Licht des Tages, und die Schatten wurden länger und wanderten über die Runen der schlanken Gebilde hinweg. Bald würde sich der Schatten zur Dunkelheit vereinigen.
Gajath strich langsam über das seidig schimmernde Gewand und vergewisserte sich unbewusst, dass der Stab der Beschwörung an seinem Platz war. Sie spürte die Kälte, die er unter ihrer Berührung ausstrahlte. Für einen Moment schloss sie die Augen, genoss den sanften Hauch des Windes auf ihrer Haut. Eine seidige Berührung, wie vom Fell eines Nachtläufers. Sie gab sich der Liebe hin, die sie für diese Wesen empfand. Eine Liebe, die weit tiefer ging als jegliches körperliches Verlangen, das sie einst als Mensch empfunden hatte.
Gajath erreichte den Punkt, an dem sich die Schatten der sieben Säulen trafen. Dunkelheit, welche die Rudel rief. Sie hob den Stab in ihrer emporgereckten Hand. Blaues Leuchten waberte, und die dunklen Schlieren breiteten sich darin aus, verdichteten sich im Zeichen der Zusammenkunft. „Schewar, deine Dienerin und Gebieterin ruft dich.“
Aus dem Blau wurde Schwarz. Nebel wallten.
„Schewar hört die Dienerin des Volkes und die Gebieterin der Rudel.“
Gajath trat an den Nachtläufer heran. Ihre freie Hand hob sich und strich über das kurze Haar des graubraunen Fells. Schewar stieß ein leises Schnurren aus und reckte ihren spitzen Schädel behaglich vor. Viel zu selten waren diese vertrauten Berührungen geworden.
„Die Nacht gehört uns“, sagte Gajath zärtlich. „Und die Herrschaft des Menschen im Licht des Tages wird nun bald enden.“
„Es ist Zeit, dass die Rudel ausschwärmen und ihre Fänge in die Glatthäuter schlagen“, stimmte Schewar zu. „Sie sind unruhig und kaum noch zu halten.“
„Die Menschen sind uneins, und das erleichtert es uns, sie zu vernichten.“ Gajath trat lächelnd zurück und blickte in den klaren Sternenhimmel