Willenbrecher. K.P. Hand
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Aber er hatte andere Dinge, die für ihn wie Drogen waren. Von denen er süchtig war, wenn nicht sogar geradezu besessen. Ja, besessen traf die Sache ganz gut, dachte er insgeheim als er den Rückspiegel wieder zurechtrückte, weil die Ampel wieder auf Grün umsprang.
Alessandro fuhr wieder an und behielt sein gemächliches Tempo bei. Er hielt kurz bei einem Zebrastreifen und ließ eine Klasse Schulkinder darüber, während der Mann hinter ihm im Wagen wieder kräftig die Hupe betätigte.
Bei der nächsten Gelegenheit überholte der Wagen hinter Alessandro schließlich und zeigte ihm beim Vorüberfahren demonstrativ den Mittelfinger. Alessandro grüßte lediglich freundlich und lächelte nur frech.
Nachdem er genug davon hatte, die anderen Verkehrsteilnehmer in den Wahnsinn zu treiben, indem sie zwang, sich an die Verkehrsregeln zu halten, bog er schließlich in das Viertel, zudem er von Anfang an hatte gelangen wollen.
Es handelte sich um einen Wohnblock aus Hochhäusern mit Mietwohnungen. Hier gab diese eine Person auf Erden, die Alessandro benötigte, wie ein Alkoholiker seinen Alkohol.
Er parkte sein Auto unauffällig auf der gegenüberliegenden Straßenseite unter den kahlen Ästen einer Trauerweide, die am Rande eines kleinen Spielplatzes emporragte.
Alessandro blieb im Wagen sitzen, als er die graue Fassade des Gebäudes hinaufblickte, zu den Balkonfenstern der einen Wohnung, die ihn interessierte.
Oft hatte er sich schon gefragt, wie es wohl darinnen aussehen würde. Vermutlich würde er es nie erfahren, geschweige denn, mit eigenen Augen sehen.
Hier zu sitzen und Stunde um Stunde im Wagen auszuharren war seine ganz persönliche Droge. Na ja, nicht das Rumsitzen, korrigierte er sich, eher das heimliche beobachten der anderen Person, wie ein kleiner, perverser Spanner.
Um genau zu sein, war er aber kein gewöhnlicher Spanner, da er nicht darauf aus, war etwas Intimes aus dem Privatleben der Person zu erfahren. Er wollte den Menschen nur ... sehen. Da er nicht einfach hingehen und die Person treffen konnte, musste er es eben heimlich tun. Seltsamerweise gab ihm das stets ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, dabei schwebe er umso mehr in Gefahr, je näher er sich an die Person heranwagte.
Doch heute stimmte etwas nicht. Während Alessandro hinauf starrte, erkannte er, dass hinter den Fenstern kein Licht brannte. In der Wohnung gab es kein Leben.
Grübelnd hob er seinen Arm um dessen Handgelenk eine Armbanduhr hing und las die Zeit davon ab. Es war spät und der andere müsste eigentlich schon zu Hause sein.
Nun, aber er schien mal wieder länger zu arbeiten. Seltsam war aber, dass dessen Wagen auf dem Parkplatz stand, der für ihn bestimmt war.
Vielleicht war er mit dem Dienstwagen unterwegs, überlegte Alessandro und startete seinen Wagen.
Auf direktem Weg fuhr er zur Arbeitsstelle seines »Stalking-Opfers« und parkte auch davor auf der gegenüberliegenden Seite. Von dort aus hatte er einen guten Blick in das Büro, indem der andere für gewöhnlich arbeitete. Dort brannte wie üblich Licht, aber er war nicht zu finden.
Enttäuscht lehnte Alessandro sich zurück, er hatte gehofft, einen kurzen Blick auf ihn erhaschen zu können. Er war neugierig darauf gewesen, wie er sich verändert hatte.
Seufzend startete er wieder den Motor und lenkte den Wagen auf die Straße. Da er sonst nichts weiter zutun hatte, fuhr er enttäuscht und niedergeschlagen wieder nach Hause. Oder besser gesagt, in Enios Zuhause; er selbst hatte nichts Eigenes.
Noch nicht!
Nach zwanzig Minuten betrat er wieder die prunkvolle Eingangshalle der Villa. Es war warm und es roch nach frischgebackenem Kuchen, allerdings war Alessandro die Lust auf Süßspeisen für heute vergangen. Er wollte lieber in sein Zimmer und schmollen.
Aber seltsam war es schon, überlegte er, während er die Treppe hinauf schlurfte. Es gab in dieser Stadt eigentlich nur zwei Orte an dem er ihn antreffen konnte. Alessandro hatte ihn Jahrelang beobachtet und wusste genau, wo er, wann hinging. Morgens ging er joggen, meistens außerhalb der Stadt, er lief einige Kilometer, kam zurück und duschte, dann machte er sich auf zur Arbeit, dann war er im Büro oder mit seinem Wagen unterwegs, nach der Arbeit fuhr er in seine Wohnung und blieb dort, einkaufen ging er stets Samstags nach seiner Schicht. Er hätte also in seiner Wohnung sein müssen!
Gut, es war natürlich möglich, dass er beruflich unterwegs war, er saß ja nicht ständig im Büro, allerdings war es dennoch seltsam, das sein Wagen vor der Wohnung geparkt hatte.
Alessandro ließ die Treppe hinter sich zufallen und durchquerte den Flur. Er kam an Florenze Zimmer vorbei, dessen Tür offen stand.
Sich am Kopf kratzend trat Alessandro in den Rahmen und spähte vorsichtig in das dunkel eingerichtete Schlafzimmer. Wie alles im Haus seines Bruders, waren auch die Möbel in diesem Raum Antik. Alles war altmodischelegant eingerichtet. Altmodisch im Sinne von dunklen, massiven Möbeln und kein Blümchenmusteraltmodisch.
Florenze saß im Schneidersitz auf der Matratze seines Doppelbetts und beugte sich über eine Vielzahl von Unterlagen. Alessandro konnte davon ausgehen, dass es sich dabei um diverse Polizeiakten hielt, die Florenze sich ungefragt angeeignet hatte. Der Kleine war ein Genie wenn es darum ging, an verschlossene Akten heran zu kommen. Was vermutlich daran lag, das er sich als ehemaliger Kommissar verdammt gut mit den Daten der Polizeicomputer auskannte. Er war wohl deshalb das nützlichste Mitglied hier.
Florenzes frührer Beruf war auch der Grund, weshalb Alessandro nun leise an den Türrahmen klopfte.
Überrascht blickte Florenze auf.
Alessandro grinste. »Störe ich?«
»Ein wenig«, gestand Florenz lächelnd. »Aber nicht schlimm.«
»Ich habe nur eine kurze Frage.«
Florenze lehnte sich zwar wieder über seine Unterlagen, forderte aber Alessandro auf: »Dann raus damit!«
»Sag mal ... du weißt nicht zufällig was Kommissar Koch im Moment so treibt, oder?«
»Norman Koch?« Florenze sah zu Alessandro auf. »Nein. Wieso? Macht er dir wieder Probleme?«
Alessandro schüttelte den Kopf und senkte den Blick. »Nein ich ... ich will ihn einfach nur im Auge behalten. Sicher ist sicher.«
Florenze nickte verständlich, sagte jedoch: »Versuch am besten einfach, ihm aus dem Weg zu gehen. Der Kerl scheint geradezu besessen von dir zu sein, irgendwann sind auch unsere Mittel erschöpft. Wir können dich nicht jeden zweiten Monaten vor einer Verurteilung bewahren, irgendwann fällt es auf.«
»Deshalb will ich ihn ja im Auge behalten«, warf Alessandro ein, »damit ich ihm aus dem Weg gehen kann.«
Einen momentlang betrachtete Florenze Alessandro noch mit kühlen Augen, aber schließlich nickte er knapp und widmete sich wieder den illegal beschafften Akten.
Alessandro war wegen des Gesprächs noch enttäuschter als zuvor, weil nichts dabei heraus gekommen war. Er drehte sich mit hängenden Schultern um und wollte gehen.
»Wir haben ihn beobachtet und selbst im Auge behalten«, erklärte Florenze plötzlich.
Alessandro