Russian Mafia Prince. Sarah Glicker
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„Du hättest mir ruhig sagen können, was hier los ist“, beginne ich direkt.
„Das habe ich doch.“
Ich muss mehrmals tief durchatmen, um die Ruhe zu bewahren. Ich bin nicht gerade dafür bekannt, dass ich das kann. Und auch jetzt fällt es mir schwer.
„Es gibt niemandem, dem ich das anvertrauen kann.“
Ich seufze. Mit nur diesen wenigen Worten hat mein Vater es geschafft, mich in die Ecke zu treiben.
„Du weißt, dass ich mich darum kümmern werde. Dennoch würde ich gerne wissen, wieso du nicht schon eher etwas gesagt hast. Bevor es eskaliert ist.“
„Ich musste es für mich behalten, da wir irgendwo einen Maulwurf haben. Eine andere Möglichkeit dafür gibt es nicht, dass so viel schiefgegangen ist in der letzten Zeit.“
Ich fahre mir über den Nacken. Seine Worte gefallen mir nicht. Sie halten mir nämlich vor Augen, dass ich mich nicht nur um die Geschäfte kümmern muss, sondern auch darum.
„Verdammt, das hättest du mir von Anfang an sagen müssen“, erkläre ich, wobei ich aber auch zugeben muss, dass es Sinn ergibt.
„Dann wäre ich das Risiko eingegangen, dass derjenige es erfährt.“
„Ich werde mich darum kümmern“, erwidere ich nur und lege auf.
Falls mein Dad recht hat und es wirklich jemand aus unseren Reihen ist, werde ich denjenigen finden und ihm seine gerechte Strafe zuführen.
Und ich werde ihn nicht am Leben lassen.
Kapitel 3
Sarah
„Sarah, da bist du ja. Ich habe schon gedacht, dass du gar nicht mehr kommst“, ruft meine Tante, als ich durch das Gartentor meiner Eltern trete und mich dabei zu allen Seiten hin umsehe.
Bei ihren Worten werfe ich einen prüfenden Blick auf die Armbanduhr, da ich die Befürchtung habe, dass ich zu spät bin. Aber ich habe gesagt, dass ich um zwei Uhr da sein werde und jetzt ist es halb zwei. In meinen Augen bin ich überpünktlich, in den Augen meiner Eltern bin ich gerade noch so pünktlich. Doch bis jetzt habe ich sie noch nicht gesehen, also hat meine Mutter sich anscheinend noch nicht auf die Suche nach mir gemacht.
Mit großen Schritten kommt meine Tante auf mich zu. Dabei wehen ihre langen blonden Haare im Wind und ihr üppiger Busen hüpft ein wenig auf und ab.
Meine Tante Carole kann man als eine der wenigen Normalen in meiner Familie bezeichnen. Meine Cousins standen nie unter Leistungsdruck und man hat ihnen auch nie gesagt, wie sie sich verhalten sollen. In gewisser Weise kann man sagen, dass ich sie ein wenig beneidet habe und das auch heute noch mache. Obwohl nein, nicht nur in gewisser Weise. Ich beneide sie. Trotzdem ist etwas aus ihnen geworden. Der mittlere ist sogar ein erfolgreicher Anwalt.
Die Erziehung meiner Eltern hat mir zwar ein Leben in Sicherheit geschenkt, auch jetzt noch. Doch bei einer schlechten Note habe ich mir schon einmal gewünscht, dass meine Eltern nicht schimpfen oder laut werden. Das sie einfach mal ruhig bleiben. Und dazu muss ich sagen, dass eine zwei schon eine schlechte Note bei ihnen war. Meine Tante hat mich zwar oft zu sich und ihrem Mann geholt, aber das hat mir noch mehr gezeigt, was ich mir immer gewünscht habe.
Eine normale Familie!
„Hi“, begrüße ich sie und schließe sie dabei in meine Arme.
„Wie geht’s dir? Man sieht und hört ja überhaupt nichts mehr von dir. In den letzten Tagen habe ich ein paar Mal versucht dich anzurufen. Und weil du nicht erreichbar warst, bin ich davon ausgegangen, dass du dich im Urlaub befindest.“
„Urlaub hätte ich gerne“, seufze ich und fahre mir über den Nacken. Dabei bildet sich vor meinem inneren Auge ein Bild, wie ich am Strand liege und einen Cocktail schlürfe.
Ich muss zugeben, dass die Verlockung groß ist, einfach wegzufahren. Gerade kann ich mich aber nicht entbehrlich machen in der Firma, sodass es noch ein wenig warten muss.
„Soviel zu tun?“ Carole sieht mich mitfühlend an.
„So kann man auch nennen. Ich war in den letzten Tagen immer bis spät abends im Büro, um das Chaos auf meinem Schreibtisch in den Griff zu bekommen.“
„Hat es funktioniert?“
„Nicht wirklich.“
Ich verziehe das Gesicht und gebe ihr so zu verstehen, dass ich es mir eigentlich auch anders vorgestellt habe. Stattdessen kommt es mir so vor, als wäre es von Tag zu Tag nur noch schlimmer geworden.
„Du hast dir eindeutig den falschen Beruf ausgesucht“, stellt sie fest und schüttelt dabei den Kopf. Gleichzeitig erkenne ich das belustigte Funkeln in ihren Augen.
„Ich kann das machen, was ich gerne tue und ich verdiene gut. Mehr ist nicht wichtig für mich“, wende ich ein. Dabei behalte ich für mich, dass vor allem das Gehalt der Hauptgrund dafür ist, dass ich diesen Job mache. Dank ihm kann ich mir Dinge leisten, die ich mir sonst wahrscheinlich nicht leisten könnte.
Der Blick, mit dem sie mich nun bedenkt, zeigt mir aber, dass sie das ganz genau weiß. Deswegen bin ich nur froh darüber, dass sie nichts weiter dazu sagt.
„Ich habe viele Nichten, aber du bist mein Liebling. Deswegen möchte ich dich an meinen Weisheiten teil haben lassen. Irgendwann wirst du morgens aufwachen und merken, dass du auf dem falschen Weg bist. Dass die Dinge, die du noch am Vortag wichtig fandest, es eigentlich nicht sind, weil du dich auf die falschen Sachen konzentriert hast. Du wirst merken, dass es wichtigere Dinge gibt. Und das ist der Moment, in dem du einiges ändern wirst. Du wirst dir einen neuen Job und vielleicht sogar eine neue Wohnung suchen. Einen Mann, der dich auf Händen trägt, und du wirst weniger arbeiten und mehr Spaß haben und das Leben genießen.“ Nachdem sie geendet hat, zwinkert sie mir noch einmal zu.
Ich nehme mir die Zeit und denke über ihre Worte nach. Mein erster Reflex besteht darin, den Mund aufzumachen und zu widersprechen. Doch ich weiß nicht so genau, was ich eigentlich von mir geben soll. Deswegen lasse ich es sein.
„Du brauchst es mir nicht zu sagen. Ich weiß auch so, dass deine Eltern nicht sehr begeistert davon sein werden. Meine Mutter ist damals völlig ausgerastet, als ich angefangen habe, meinen eigenen Weg zu gehen. Du weißt ja, wie nachtragend sie sein kann. Deswegen muss ich dir wohl nicht sagen, dass sie bis heute deswegen sauer ist. Sie ist der Meinung, dass ich den falschen Weg gegangen bin und es auf ihre Weise besser gewesen wäre. Aber sie hatte ja deine Mom, die immer noch nach ihren Regeln spielt. Wir beide wurden so erzogen den Schein nach außen hin zu wahren, deswegen bin ich hier. Wäre es nach deiner Mutter gegangen, hätte sie mich nicht eingeladen. Nach all den Jahren sind beide Frauen immer noch wütend auf mich und sprechen nicht mehr als nötig mit mir.“
Carole lacht leise und gibt mir so zu verstehen, dass es ihr egal ist. Aber mich hätte es auch gewundert, wenn es nicht so wäre. Meine Tante hat noch nie sehr viel auf die Meinung von anderen gegeben.
Noch so ein Punkt, auf den ich ein wenig neidisch bin. Sie macht einfach ihr Ding. Das hat sie schon immer und ich bin mir sicher,