Der Zorn der Hexe. Lars Burkart

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Der Zorn der Hexe - Lars Burkart

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Morgen. Sie bräuchte nur darauf zu achten, nicht schwanger zu werden. Es war so einfach. Die ganze Sache war so lächerlich einfach, dass sie um ein Haar in schallendes Gelächter ausgebrochen wäre. Das einzige, was sie davon abhielt, war ein Gedanke: Waren ihre Vorfahren wirklich so kurzsichtig gewesen? Konnten sie all die Jahrhunderte so blind gewesen sein? War das möglich?

      Und dann ging ihr noch ein Gedanke durch den Kopf. Er kam so plötzlich, dass sie gar nicht mehr wusste, ob es nicht vielleicht auch an ihm lag, dass sie nicht in schallendes Gelächter ausbrach.

      War sie von Anfang an belogen wurden? Zeit ihres Lebens? War sie vielleicht gar kein Einzelkind? Hatte sie Familienangehörige, von denen sie nichts wusste, einen Onkel oder eine Tante? Hatte sie vielleicht gar einen Bruder oder eine Schwester? Wie sie aus den Unterlagen entnommen hatte, war ihre Familie im Laufe der Zeit über den halben Erdball verstreut worden. Es hatte immer welche gegeben, die ihr Glück anderswo versuchten. So viel also zum Thema: alle nur hirnamputierte Idioten. Nun musste sie die Sache doch noch einmal überdenken. Wenn sie nämlich nicht der letzte Zweig ihres Stammbaums war, würde der Fluch keineswegs mit ihr enden. Ganz und gar nicht. Dann würde es immer so weitergehen …

      Vielleicht wusste diese andere Person gar nichts von ihrem Schicksal. Vielleicht lebte sie fröhlich in den Tag hinein und ahnte nicht das Geringste. Dieser Gedanke ließ Sabine aufschrecken. Wenn es diese Person wirklich gab, durfte sie sie nicht blind in ihr Unglück tappen lassen.

      Und da wurde ihr noch etwas klar: Es war gut möglich, dass es so war. Dass ihre Vermutung richtig war. Allerdings gab es nur einen Weg, die Wahrheit zu erfahren: Sie musste noch einmal in den Keller.

      5. Kapitel

       5. Kapitel

      Die Menschen haben sich ein interessantes Sprichwort angeeignet: Blut ist dicker als Wasser. Nun, anscheinend war da tatsächlich etwas dran. Oder wie ließ es sich sonst erklären, dass Sabine tatsächlich in den Keller ging, sogar mehr als einmal, und alle Unterlagen nach oben trug? Sie tat es für ein Familienmitglied, von dem sie nicht einmal wusste, ob es diese Person tatsächlich gab. Für einen Fremden hätte sie das bestimmt nicht getan.

      Während dieser Zeit kamen ihr Gedanken, warum das Ganze absurd war, hirnrissig. Ihr Vater hätte ihr doch bestimmt erzählt, wenn er noch Schwester oder Bruder gehabt hätte, oder? Und in der gleichen Sekunde: Warum hätte er es tun sollen? Na schön, na schön, sie wusste es nicht – und konnte nur hoffen, dass sie Anhaltspunkte fand, die das entweder belegten oder nicht.

      Sie schaffte alles aus dem Keller – und danach war sie geschafft. Sie hatte ohne Unterbrechung Stunden geschuftet, und jetzt verlangte ihr Körper, was ihm zustand. Er wollte schlafen, ruhen. Doch noch konnte sie nicht. Sie musste noch etwas schleppen. Es war nämlich fraglich, ob sie noch einmal hinunter in den Keller ging, wenn sie jetzt aufhörte, sich schlafen legte und alles beließ, wie es war. Nein, diesen Mut brachte sie dann ganz gewiss nicht noch einmal auf …

      Eineinhalb Stunden und unzählige Treppenstufen später war sie endlich fertig und gestattete ihrem Körper eine Pause. Sie hatte eigentlich nur vorgehabt, sich kurz hinzusetzen, ein paar Minuten zu verschnaufen und sich dann die Akten anzusehen. Doch ihre Müdigkeit machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Sie schlief nämlich so ein, wie sie dasaß – am Küchentisch, die Arme verschränkt, Stapel von Papier vor sich auf dem Tisch und zu ihren Füßen noch jede Menge andere, die Beine langgestreckt und den Kopf nach hinten gefallen. Nur einen Augenblick später fielen ihre Arme schlaff zu Boden, und dann drang auch schon der erste Schnarcher aus ihrem Mund. Ihre Rechte zitterte noch ein paar Mal leicht, doch dann war auch das vorbei. Sabine saß still wie eine Wachsfigur in der Küche.

      Sie hatte mehrere Stunden geschlafen. Nun fühlte sie sich wie gerädert. Nicht nur, dass sie jetzt fast noch müder war als zuvor, nein, zur Krönung hatte sie auch noch einen steifen Hals und kreischenden Kopfschmerz. Dem konnte sie mit ein paar Aspirin Einhalt gebieten, aber was den steifen Hals anging, war sie mit ihrem Latein am Ende.

      In einem Märchen heißt es: Die Prinzessin erwachte nach einem Jahrhundert des Schlafes selig und ausgeruht durch den Kuss eines Prinzen. Nun, Sabine war weder selig noch ausgeruht, und wenn jemand den Fehler begangen hätte, sie jetzt anzusprechen, hätte dieser Jemand mit seinem Leben gespielt. Dagegen wären die Abenteuer hierher, durch die dichte Dornenhecke hindurch und so weiter, nur Peanuts gewesen. Aber Sabine war ja auch keine Prinzessin.

      Sie rekelte sich auf dem unbequemen Stuhl, streckte Arme und Beine weit von sich und grummelte missmutig. Sie war noch so müde. Sie hätte wie ein Baby weiterschlafen können, einfach nur schlafen. Babys hatten es so gut. Warum hatte das nicht so weitergehen können? Wäre `ne feine Sache, nur zum Füttern und Windelwechseln aufwachen und den Rest des Tages schlafen. Jau, das wäre was für meinereiner, hätte Bugs Bunny wohl gesagt und dabei zufrieden an seiner Möhre geknabbert.

      Sabine stützte sich mit den Händen auf die Tischkante und erhob sich. Und da merkte sie, wie erschöpft sie war. Es bereitete ihr eine gewaltige Anstrengung, sich aufzurichten. Und dann auch noch gerade stehen bleiben? Vielleicht noch, ohne sich irgendwo abzustützen? Nein, das ging nun wirklich nicht! Es musste aber gehen. Sie konnte unmöglich alle Zeit hier stehen bleiben. Oder vielleicht doch? Ach, Unsinn.

      Noch ein paar Sekunden blieb Sabine in dieser gebückten Haltung sitzen, als könne sie sich nicht entscheiden, ob sie nun stehen, sitzen oder liegen wollte. Dann fasste sie sich und richtete sich auf.

      Und dann dauerte es auch gar nicht mehr so lange, bis sie sich wieder den Schriftstücken widmete.

      6. Kapitel

       6. Kapitel

      Seit drei Tagen ging es jetzt so. Seit drei Tagen tat sie nichts anderes, als zu sitzen, ein Blatt nach dem anderen durchzukauen und darauf zu hoffen, endlich einen Anhaltspunkt zu finden. Doch bis jetzt war die Suche ergebnislos. Die Dokumente waren einmal nach Jahreszahlen geordnet gewesen; dummerweise hatte Sabine sie beim Transportieren jedoch kunterbunt durcheinandergewirbelt. Sie hatte sich diesen Salat also selbst eingebrockt. Na ja, so hatte sie wenigstens jemanden, auf den sie sauer sein konnte.

      Drei Tage war es her, da hatte sie das letzte Mal etwas gegessen. Und es war auch genauso lange her, dass sie nicht mehr geschlafen hatte. Dennoch wollte sie die Suche nicht unterbrechen, nicht einmal für eine Sekunde. Es reichte schon, wenn sie alle paar Stunden aufs Klo ging, da verschwendete sie schon genug Zeit.

      Momentan war sie nicht müde, obwohl sie schon etliche Tiefphasen hinter sich hatte, in denen ihr der Kopf vor Müdigkeit fast von den Schultern gefallen war. Sie hatte auch keinen Hunger, und das war ein echtes Wunder. Wo sie doch früher eine Naschkatze gewesen war! Aber davon war im Moment nichts zu spüren. Stattdessen fühlte sie etwas anderes. Und zwar, dass sie eine Dusche bitter nötig hatte. Die Kleider klebten ihr an der Haut, und die Haare hingen ihr fettig ins Gesicht. Seit dem Tod ihres Vaters hatte sie sich nicht mehr gewaschen.

      Sabine hatte also den Eindruck, ihr könne eine Dusche gut tun. Das hieß aber noch lange nicht, dass sie auch eine nahm. Sie machte diesbezüglich keinerlei Anstalten, kratzte sich höchstens mal nachdenklich den Kopf.

      Es war bereits Abend. Ein stürmischer Abend, um genau zu sein. Aber auch das interessierte sie nicht im mindesten. Sie hatte nur Augen für die verdammten Schriftstücke. Und dabei achtete sie nicht einmal so sehr auf die Geschichten, die sie ihr erzählten. Nein, ihre Aufmerksamkeit galt etwas anderem: Es war die Frage, ob ihr Daddy eine Schwester oder einen Bruder hatte. Etwas anderes kam ihr nicht in den Sinn. Sie war regelrecht besessen von

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