Der Zorn der Hexe. Lars Burkart
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Читать онлайн книгу Der Zorn der Hexe - Lars Burkart страница 21
Während sie das noch dachte, kam ihr in den Sinn, dass es nicht stimmen konnte. Tage konnte man sich nicht klauen lassen, egal wie schusselig man war. Und da es nun einmal nicht möglich war, blieb nur eines: Sie hatte einen ganzen Tag verschlafen. Sie hatte doch tatsächlich einen ganzen beschissenen Tag verpennt! Meine Herren, das nenne ich aber mal erfolgreich an der Matratze gelauscht!
War das möglich? Konnte sie wirklich so lange geschlafen haben? Na ja, wenn man bedachte, dass sie vorher drei Tage durchgemacht hatte, war es möglich. Schwer vorstellbar, das gebe ich zu, aber möglich.
Sie kratzte sich den Kopf, wie ihr Vater es getan hatte, gähnte und konnte nicht anders: Sie begann zu lachen. Es war so komisch, obwohl eigentlich überhaupt nichts komisch war. Sie lachte und lachte und war zum ersten Mal seit Tagen wieder richtig gut drauf. Schlaf war eben doch die beste Medizin!
Da stand sie nun, um einen Tag gealtert, um einen bestohlen und wusste nicht so recht, wie es weitergehen sollte. Der lange Schlaf hatte ihr zwar gut getan, sie hatte sich erholt. Aber er hatte auch ihren Kopf leergefegt; sie wusste rein gar nichts mehr. Blieb nur zu hoffen, dass sich das wieder ändern würde …
Wie wäre es mit Frühstück? Hm, ein guter Plan.
Sie schüttete den uralten Kaffee in den Ausguss und setzte sich neuen auf. Kaffee war wichtig. Was zum Kauen eher zweitrangig.
Eine knappe Stunde später war sie fertig. Sie hatte sich gestärkt und konnte endlich mit etwas Nützlichem beginnen.
Inzwischen sah die Welt anders aus. Ihr Kopf war nicht mehr ganz so leer. Sie konnte sich endlich Gedanken machen, wie das hier weitergehen sollte. Wie sie herauskriegen konnte, ob ihr Vater wirklich noch lebende Verwandte hatte. Denn dieses Geheimnis galt es nun zu ergründen, das hatte oberste Priorität. Es war sogar noch wichtiger als der vermaledeite Fluch und die Opfer, die er bis jetzt gefordert hatte. Sie waren schon tot, aber dieser Verwandte, wenn es ihn gab, war es noch nicht. Er erfreute sich noch seines Lebens, wusste wahrscheinlich nicht einmal, was ihm blühte und war unvorbereitet. Sabine aber wusste davon, und sie musste dieses Wissen weitergeben. Sie konnte es nicht verheimlichen.
Sie war in ihren Gedankengängen schon so weit gekommen, dass es am besten sein würde, im Geburtenregister der Stadt nachzusehen. Sie wusste, ihr Vater war hier geboren, und so standen die Chancen bestimmt gut, dass ein eventueller Verwandter auch hier geboren war. Es war zumindest anzunehmen. Und irgendwo musste sie ja schließlich anfangen, nicht wahr? Wenn sie nur Zuhause rumsaß, würde sie niemanden retten.
Ihr Plan war also schon ausgereift. Nun, das war doch schon mal was! Sie wusste nur nicht, ob sie die Unterlagen einsehen durfte. Aber das war bestimmt der Fall. Schließlich standen da ja keine Staatsgeheimnisse drin, sondern nur Angaben über ihre Familie. Außerdem wollte sie ja nicht die ganze Stadt auskundschaften.
Sabine trank den letzten Schluck Kaffee, stellte das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine, wusch sich, zog sich an und machte sich auf den Weg ins Standesamt.
Kräftig schüttelte Sabine den Schirm aus, denn den hatte sie gebraucht. Es hatte so stark zu regnen begonnen, dass es einem Inferno gleichkam. Als sie vom Anwesen losgefahren war, hatte es leicht zu tröpfeln begonnen. Aber es war schnell kräftiger geworden, und jetzt regnete es so stark, dass sie für die paar Schritte vom Auto zum Standesamt einen Schirm brauchte, um nicht bis auf die Knochen durchzuweichen. Sie hatte nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren können, weil die Straßen unter Wasser standen.
Hier drinnen war es überraschend kühl, doch vielleicht war nur der Regen schuld daran, dass es ihr so vorkam. Wenigstens war es trocken.
Eigentlich hatte Sabine geschäftiges Treiben erwartet. Oder zumindest etwas, das darauf hindeutete, dass hier gearbeitet wurde. Aber hier war tote Hose, wie sie überrascht feststellte. Entweder wurde hier aus Prinzip nicht gearbeitet und es war der ruhigste Posten der Welt, oder aber sie war einfach nur zur Mittagszeit aufgekreuzt. Mal schauen, woran es lag!
Langsam ging sie zu der Informationstheke, hinter der eine gertenschlanke, uralte Frau saß, die sie schon die ganze Zeit missmutig über ihre dicke Hornbrille hinweg beobachtet hatte. Als sie die alte Hexe da so sitzen sah, fröstelte sie gleich noch ein wenig mehr. Schau sie dir nur an, wisperte es in ihr, wenn das keine Hexe ist, fresse ich einen Besen! Und dafür brauche ich noch nicht mal Salz, den krieg ich nämlich so runter. Die ist doch für euren verdammten Scheißfamilienfluch verantwortlich, das steht ihr doch buchstäblich ins Gesicht geschrieben! Und dann, weil es so schön war, fügte sie noch hinzu: Sieh sie dir doch nur mal an!
Und Sabine sah sie sich tatsächlich genau an – jedoch nicht, ohne sich nicht zu fragen, ob sie vielleicht ein paar Tage ausspannen sollte. Wenn es nämlich schon so weit war, dass sie jede alte Frau für eine Hexe hielt, war es dafür wirklich höchste Zeit.
Die gute Frau hinter der Infotheke sah aber auch wirklich … Nun ist es aber genug!
„Einen wunderschönen guten Tag. Ich hätte da mal eine Frage.“
„Fragen Sie! Fragen Sie!“
Trotz des ersten Eindruckes schien die Alte ein freundliches Persönchen zu sein. Sie schwang sich jedenfalls auf keinen Besen und flog kreischend von dannen. Sabine, reiß dich gefälligst zusammen! Sie ist keine Hexe, okay? Deine Nerven liegen einfach nur blank. Du bist erschöpft, überspannt, gereizt …
Ja, ja, schon gut, ab jetzt halte ich den Ball flach, ich verspreche es!
Fein, aber kann ich mich darauf auch verlassen?
Ja, verdammt!
„Mein … mein Vater ist letzte Woche leider gestorben.“
„Oh, das tut mir wirklich sehr leid, mein Kind.“
„Es war … ein Herzinfarkt. Es ging aber sehr schnell. Er musste nicht lange leiden.“
„Das freut mich für ihn.“
Warum, zum Geier, erzählst du ihr das? Glaubst du tatsächlich, sie interessiert sich dafür? Nein, das glaubte sie nicht. Aber sie wusste einfach nicht, wie sie die richtigen Worte finden sollte. Und ehe Schweigen zwischen ihnen lag, redete sie lieber. Schließlich wollte sie die Frau bei der Stange halten. Doch während sie das dachte, hatte sie ein paar Sekunden geschwiegen.
„Nun sagen Sie schon, mein Kind: Was kann ich für Sie tun?“
„Ich … ich möchte ihn nächste Woche beerdigen, und ich weiß, dass er sich gewünscht hätte, dass die ganze Familie da endlich mal wieder beisammen ist. Doch genau da gibt es ein Problem. Unsere Familie ist nämlich in alle Himmelsrichtungen verstreut, und dementsprechend schwer ist es, sie alle zu informieren.“ Das war natürlich schlichtweg gelogen. Ihr Vater war längst beerdigt, aber das musste die Frau nicht wissen.
„Ich verstehe.“ An dem Kommentar war nicht zu erkennen, was sie davon hielt.
„Und genau dabei bräuchte ich Ihre Hilfe.“
„Was kann ich denn da für Sie tun?“
„Nun, ich würde gerne wissen, ob es so etwas wie ein Geburtenregister