Der Zorn der Hexe. Lars Burkart

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Der Zorn der Hexe - Lars Burkart

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die Geburtsurkunde Ihres Vaters vorlegen. Dann steht dem eigentlich nichts im Wege.“

      Was denn? So einfach ging das? Sabine war überrascht. Sie hatte nicht gewusst, dass es so einfach ging. Sie hat mit Schwierigkeiten gerechnet und dass man ihren Wunsch abwehren würde. Dass es so schnell und fast unbürokratisch funktionieren sollte, daran hatte sie in ihren wildesten Träumen nicht glauben wollen. Ihren Ausweis hatte sie ohnehin immer bei sich, und sogar die Geburtsurkunde ihres Vaters hatte sie vorausschauend mit eingepackt.

      „Das ist wirklich sehr lieb von Ihnen. Ich stehe tief in Ihrer Schuld.“

      „Nun übertreiben Sie aber, mein Kind! Es ist Ihr Bürgerrecht, Einsicht in familiäre Akten zu erhalten. Es gibt natürlich Standesämter, bei denen das nicht so schnell möglich ist. Aber bei uns ist es das. Soll ich Ihnen verraten, wieso?“

      „Ja, bitte …“

      Sabine war noch immer so überrascht, dass sie lammfromm war. In diesem Zustand konnte sie keiner Fliege etwas zuleide tun.

      „Ganz einfach: In anderen Standesämtern ist es üblich, die Geburten, wie auch die Sterbedaten, nach Jahren einzutragen.“

      Anscheinend guckte Sabine ratlos, denn die Alte fuhr gleich fort, es ihr zu erklären: „Jeder Ordner beinhaltet normalerweise die Daten der Sterbenden und der Lebenden, und zwar für ein ganzes Jahr: vom ersten Januar null Uhr bis zum einunddreißigsten Dezember dreiundzwanzig Uhr neunundfünfzig. Und, wenn Sie so wollen, neunundfünfzig Sekunden. Aber bei uns ist das nicht der Fall. Wir tun noch ein klein wenig mehr. Wir haben eine Abteilung, die das genauso macht, aber dann noch eine, die es für die einzelnen Familien tut. Und deshalb können wir Ihnen so einfach Einblick gewähren. Sie sehen nur die Daten ihrer Familie, und so bleibt der Datenschutz gewährt.“

      „Interessant.“

      Das war es wirklich. Den Bruchteil einer Sekunde lang merkte sie, dass es nicht nur interessant war, nein, mehr als das: Es war phänomenal, zumindest, was ihr Anliegen anging. So konnte sie nämlich beliebig die Zeit zurückblättern bis … ja, bis wann eigentlich?

      „Eine Frage hätte ich aber noch.“

      „Nur zu. Ich sitze einzig und allein hier, um Fragen zu beantworten.“

      Wieder musste Sabine einen ersten Eindruck revidieren. Sie hatte diese Frau, noch ehe sie ein Wort mit ihr gewechselt hatte, nur nach ihrem Aussehen beurteilt, und das hatte sich als völlig ungerecht herausgestellt. Sie war weder eine Hexe noch für ihren, Sabines, Familienfluch verantwortlich. Ganz im Gegenteil: Sie war eine wahre Rarität, sie gehörte nämlich zum Schlag jener Menschen, die hilfsbereit waren und freundlich. Damit gehörte sie einer aussterbenden Rasse an.

      „Seit wann ist das hier schon so?“

      „Sie meinen, seit wann wir hier diese Eintragungen vornehmen?“

      „Ja. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich ein bisschen umständlich daherkomme. Der Tod meines Vaters steckt mir doch noch sehr in den Knochen …“

      „Das verstehe ich sehr gut, mein Kind. Sie müssen sich dafür nicht entschuldigen. Um ihre Frage zu beantworten: Seit 1951 wird jede Geburt und jeder Sterbefall notiert. Davor war es ein wenig schwieriger; gerade im Zweiten Weltkrieg war es fast unmöglich. Da sind die Unterlagen sehr bruchstückhaft. In den Jahren zwischen den Kriegen ist es wieder etwas besser. Aber natürlich lange nicht befriedigend.“

      „Und seit wann werden diese Eintragungen vorgenommen?“

      „Begonnen wurde damit um 1920, wobei ich dazu sagen muss, dass erst seit den fünfziger Jahren wirklich jeder aufgeführt ist.“

      „Haben Sie vielen Dank. Sie haben mir sehr geholfen.“

      „Gern geschehen, mein Kind.“

      Seltsam, diese völlig fremde Frau sagte nun schon zum wievielten Male mein Kind? Und Sabine schraubte sich dabei nicht wütend durch die Decke? Wozu auch. Sie war diejenige, die etwas von ihr wollte, da musste man schon ein bisschen freundlich sein. Und außerdem: Sie war schließlich nur eine Fremde. Da wollte sie nicht gleich vor Wut platzen.

      „Haben Sie denn nun die Geburtsurkunde Ihres Herrn Vaters und Ihren Ausweis dabei, bitte?“

      „Ach so, ja! Das habe ich doch ganz vergessen! Wie dumm von mir! Ich habe alles da. Warten Sie einen Moment, ich suche sie nur schnell in meiner Handtasche.“

      Sie kramte darin herum, förderte eine Packung Tictac und einen Zehnerstreifen Wrigley´s hervor – und schließlich auch die nötigen Unterlagen.

      „So, da haben wir sie ja!“

      Die Frau studierte alles über ihre Hornbrille hinweg. Wozu brauchte sie das Ding eigentlich? Sie schien doch bestens sehen zu können!

      „Hm“, blubberte sie vor sich hin.

      „Was? Was ist denn?“

      Sabine war in Sorge. Bis eben hatte alles so gut geklappt. Sollte doch noch etwas schiefgehen?

      „Wie ich gerade sehe, wurde Ihr Herr Vater 1938 geboren.“

      „Und?“ Sie kam sich vor wie auf glühenden Kohlen.

      „Nun, wie ich Ihnen bereits mitteilte, könnte es sein, dass Ihr Vater gar nicht aufgeführt ist.“

      „Ich verstehe.“

      Doch eigentlich verstand sie gar nichts.

      Die Alte schien das zu spüren, denn sie erklärte: „Wie ich ihnen bereits mitteilte, können die Aufzeichnungen in dieser Zeit etwas … nun ja, lückenhaft sein.“

      „Selbstverständlich.“

      Als hätte sie es gewusst. Aber so war Sabine schon immer gewesen: Sie ließ sich höchst ungern belehren. Sie kam sich dann immer dumm und unwissend vor. Diesmal hielt es sich jedoch in Grenzen; sie konnte ihre Unkonzentriertheit immer noch auf den Tod ihres Vaters schieben.

      „Einen kleinen Moment noch. Ich klingele kurz durch. Es ist möglich, dass die zuständige Mitarbeiterin heute woanders tätig ist oder vielleicht sogar frei hat.“

      „Tun Sie das bitte.“

      Keine drei Minuten später betrat Sabine den Fahrstuhl, der sie in den vierten Stock bringen sollte. Die zuständige Mitarbeiterin war anwesend, und sie hatte auch ein paar Minuten Zeit für Sabine. Mehr brauchte sie nicht. Sie sollte ja nur die Unterlagen ihrer Familie heraussuchen, ihr geben, und damit war ihre Aufgabe auch schon erledigt.

      Die Frau, die sie erwartete, war nicht halb so alt wie die an der Rezeption. Und sie war auch, was Freundlichkeit und Zuvorkommen anging, eher zugeknöpft. Fast wirkte sie ein wenig grimmig. Aber, was soll’s? Sabine wollte sie ja nicht zur Freundin haben. Sie wollte von ihr nur den Ordner über ihre Familie kriegen, und dann konnte sie ihr gestohlen bleiben …

      Sie nahm in einem Kämmerlein Platz, in dem es kühl war, fast noch kühler als auf der Straße. Der Regen prasselte gegen das Fenster und wirkte einschläfernd. Aber um sich zu entspannen, war sie viel zu aufgeregt. Ihr Herz pochte ihr bis zum Hals. Und in diesem stillen Kämmerlein klang das so laut, als wolle es explodieren. In der Mitte des Raums stand ein kleiner Schreibtisch mit einer Schreiblampe und einem Stuhl.

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