Die letzte Seele. Lars Burkart

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Die letzte Seele - Lars Burkart

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Kino. Jetzt bin ich froh, es nicht getan zu haben.“

      „Bei mir war es genauso!“, log Thomas, ohne rot zu werden. Das verspricht ja ein interessanter und vor allem befriedigender Abend zu werden. Die habe ich schon in der Tasche. Die habe ich schon so gut wie geknallt.

      Auch Paul machte sich seine Gedanken. Allerdings waren die lange nicht so euphorisch. Er sah seine Chancen bei Jeannine (falls er je welche gehabt hatte, auch das war mehr als zweifelhaft, wenn man bedachte, wie schnell sie sich dem ersten Dahergekommenen an den Hals warf) mehr und mehr schwinden.

      Immer noch wanderten die Blicke zwischen Jeannine und Thomas hin und her. Sie schienen sich prächtig zu verstehen. Dass dieser verfluchte Scheißkerl auch immer bekam, was er wollte! Zum Kotzen! In Paul keimte leise Wut auf, die schnell stärker wurde. Am liebsten hätte er ihm den Barhocker über den Schädel gezogen. Er liebäugelte mit dem Gedanken. Was ihn davon abhielt, war eine einfache Überlegung: Thomas war nicht nur ein Aufreißer, er war auch ein Schlägertyp. Außerdem war er drei Jahre älter und zwanzig Zentimeter größer. Vom Kampfgewicht mal ganz zu schweigen.

      Paul hatte zwei Möglichkeiten: Entweder zog er ihm den Barhocker so über den Schädel, dass kein Quäntchen Gras mehr wuchs und Thomas nie wieder aufstand. Aber was hatte er damit erreicht? Nichts. Außer einen Mord am Hals. Und was darauf steht, weiß ja jeder. Aber hinter Gitter zu gehen wäre immer noch besser, als den Freunden von Thomas in die Hände zu fallen. Paul hatte mit denen nichts am Hut und war auch froh darüber. Das waren üble Zeitgenossen, jeder Zentimeter ihrer Haut tätowiert. Und sie waren ausnahmslos noch größer als Thomas. Wenn die ihn zu fassen kriegten, würden sie mit seinen Eiern Billard spielen und seine Innereien zum Trocknen an die frische Luft hängen.

      Oder aber (und das war die zweite Möglichkeit), er schlug sich alle Hoffnungen, die Jeannine betrafen, aus dem Kopf und verpisste sich. Das hatte den Vorteil, weder hinter Gittern zu wandern noch die eigenen Därme an eine Wäscheleine gehängt zu sehen.

      Paul entschied sich schweren Herzen für Letzteres. Und wenigstens das wollte er mit einem letzten Fünkchen Selbstachtung hinter sich bringen. Er zündete sich lässig eine Zigarette an, trank zügig aus, klopfte Thomas auf die Schulter (wobei er innerlich fast explodierte) und machte sich bereit, aufzustehen. Nun aber sprach Jeannine wieder, und er hielt abrupt inne.

      „Ist es nicht erstaunlich, wie klein die Welt ist? Dass wir beide uns hier treffen, das kann kein Zufall sein. Das ist Bestimmung.“

      Thomas nickte begeistert. Für ihn war die Sache geritzt. Die lag schon so gut wie auf dem Rücken. Es war zwar fast ein wenig zu leicht gewesen. Aber was soll’s, einem geschenkten Gaul schaute man nicht ins Maul.

      „Da wir beide das gleiche Schicksal haben …“

      Jetzt ist es gleich soweit. Gleich springt sie mir an den Hals und schiebt mir ihre Zunge in den Mund.

      „… wäre es klug, damit es uns schneller findet …“

      Ja, ja, ja, ja …

      „… uns auf die Suche nach ihm zu machen.“

      Häh, wie?

      „Ich für meinen Teil habe ihn bereits gefunden.“

      Ach so. Ich dachte schon. Ganz schön gerissen, das Luder. Hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Aber jetzt kommt sie gleich gekrochen. Jetzt hab ich sie.

      Sie ließ eine Sekunde verstreichen.

      Und noch eine.

      „Ich wünsche dir also viel Erfolg bei deiner weiteren Suche.“

      Thomas klappte vor Erstaunen der Unterkiefer runter.

      „Aber, ich dachte … ich dachte … dass wir beide, du und ich …“

      „Oh, pardon, das tut mir leid“, flötete Jeannine mit weicher Singsangstimme. „Aber aus uns kann leider nichts werden. Denn ich habe mein Herz bereits verloren.“ Und jetzt sah sie Paul direkt in die Augen und sagte: „Lass uns gehen, Paul, ich hab eine irrsinnige Lust zu tanzen.“

      Paul konnte nur verlegen stottern: „Ah … ja … äh … gut … ja, okay.“

      Thomas war noch nicht mal dazu in der Lage. Sein Gesicht sprach Bände.

      Jeannine griff nach Pauls Hand. Sie war angenehm warm und weich, bemerkte Paul, der noch immer nicht glauben konnte, was geschehen war. War das wirklich passiert oder hatte er einfach nur zu viel getrunken? Die Zweifel überwogen. Aber war es nicht so, dass sie hier war, bei ihm? Und tanzte sie nicht mit ihm?

      Aus den Boxen dröhnte ein langsamer Song. Sie tanzten. Paul war noch immer etwas auf Abstand bedacht. Nicht, dass er Jeannine nicht leiden konnte, im Gegenteil. Er war verrückt nach ihr. Er hatte nur panische Angst davor, die herrliche Situation durch irgendetwas Saublödes zu zerstören. Und das wollte er wahrlich nicht.

      Jeannine hielt nichts von dieser Vorsicht. Sie drückte ihn näher an sich heran und legte ihre Hand einfach so, als wäre es die normalste Sache von der Welt, auf seinen Arsch. Auch dieser Griff war warm und weich. Paul wurde heiß und kalt zugleich, und er bekam eine hammerharte Erektion. Er wollte vor ihr zurückweichen, wollte seine Erregung verbergen, aber sie hielt ihn noch etwas fester. Es war erstaunlich, wie butterweich er in ihren Armen geworden war. Er sog tief Luft ein. Seine Gedanken liefen Amok und drehten sich nur um ihre Hand auf seinem Hinterteil. Er wollte diese Hand überall auf seinem Körper spüren. Bedauerlicherweise war jetzt aber noch nicht die Zeit dafür. Aber er konnte das Warten überbrücken, indem er sie einfach auch ein Stückchen an sich heranzog.

      Es überraschte ihn, mit welcher Selbstsicherheit er es tat. Kein Gedanke an Schüchternheit oder Verlegenheit. Er tat einfach, was ihm in den Sinn kam. Zielsicher wanderte seine Hand auf ihren Po, und diesmal war sie es, die überrascht die Luft einsog. Da sie nun nah aneinandergeschmiegt tanzten, spürte sie die Härte an ihrer Scham. Einen Moment befürchtete er, dass sie ihn zurückweisen würde. Aber sie tat nichts dergleichen.

      Langsam näherte ihr Gesicht sich dem seinen. Am Anfang bemerkte er es gar nicht. Es waren immer nur Millimeter. Aber mit der Zeit entging es auch ihm nicht. Er beobachtete sie genau und prägte sich jeden ihrer Gesichtszüge ein: die blonden Wimpern, das zierliche Näschen, die vollen Lippen, den kleinen Leberfleck. Ihr Atem roch schwach nach Alkohol und Zigaretten, aber das störte ihn nicht. Es war ohnehin nur schwach. Eigentlich überwog ein Duft nach roten Rosen oder irgendwelchen anderen Blumen, die Paul im Moment nicht erraten konnte. Er war zu keinem Gedanken mehr fähig. Seine Beine waren weich, und er hing in ihren Armen. Es grenzte an ein Wunder, dass er nicht einfach nach hinten wegkippte.

      Mit einem Mal spürte er ihre warmen, weichen Lippen auf den seinen. Und in diesem Moment war ihm, als müsse er ohnmächtig werden. Alles drehte sich. Selbst der Boden erschien ihm nicht mehr real, sondern wie eine neblige Erscheinung. Trotzdem erwiderte er den Kuss. Ihr Geschmack erinnerte ihn an Marzipan. Paul wollte, dass dieser Moment nie enden möge, und im Stillen betete er sogar dafür.

      Plötzlich spürte er, wie sie ihre Zunge tief in seinen Mund bohrte. Und er erwiderte es. Seine Haut kribbelte und brannte, und seine Erregung wuchs augenblicklich in unbekannte, bis dahin nie erlebte Höhen. Sein Schwanz pulsierte in seiner Hose.

      Wie lange dauerte dieser Kuss nun schon?

      Paul wusste es nicht.

      Und Jeannine auch nicht.

      Die Zeit schien

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