Die letzte Seele. Lars Burkart

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Die letzte Seele - Lars Burkart

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Den dort unten, wusste Paul, war ein riesiger Pool. Dieses Monster von einem Planschbecken erstreckte sich fast über dreißig Quadratmeter, und in der Mitte spie ein Springbrunnen Wasser nach oben. Durch Felsbrocken hatte man das Gefühl, auf den Seychellen zu relaxen. Palmen wuchsen hinauf bis zur Decke, und an die Wände war ein schier undurchdringlicher Dschungel in den sattesten Farben gepinselt. War das ein schnuckeliger Zeitvertreib! Vor allem in den kalten Monaten. Auch wenn sie dem einen oder anderen vielleicht großkotzig erschien – Jerome liebte seine Oase inbrünstig.

      Paul hatte auch mal mit der Idee geliebäugelt, sich so etwas zuzulegen. Aber der Staub, der Schmutz und der Lärm der Bauarbeiten hatten ihn schnell wieder davon abgebracht. In den zwei oberen Etagen waren, wie er wusste, weitere Zimmer: das Esszimmer, zwei Schlafzimmer (eines davon für Gäste), die Kinderzimmer, die Bäder und, nicht zu vergessen, das wichtigste Zimmer überhaupt: das Arbeitszimmer. Alles war hübsch und geschmackvoll eingerichtet, aber lange nicht so spektakulär wie der Keller.

      „Komm mit! Ich muss dir was Obergeiles zeigen. Mein kleiner Südseetraum ist wieder um eine Attraktion reicher!“

      Paul grinste. Er wusste, was jetzt kam. In den Jahren war es fast schon ein Ritual geworden: Jedes Mal, wenn er Jerome besuchte, zeigte dieser ihm als erstes, was sich an seinem Südseetraum verändert hatte. Er platzte fast vor Stolz. Jetzt führte er ihn durch eine Reihe von Menschen hindurch (Paul kannte nicht annähernd die Hälfte) und ging zielstrebig zur Wendeltreppe. Er lief mit schnellem Schritt, und Paul hatte Mühe ihm zu folgen. Die Zigarre klemmte noch fester zwischen seinen Lippen. Er biss fast darauf. Es spendete ihm Sicherheit. Die fremden Gesichter ängstigten ihn. Es wusste, es war albern, aber er kam sich vor wie ein kleines Kind, dass in einer Menschenmenge seine Mama verloren hat.

      Schließlich erreichten sie die Treppe. Auf der dritten Stufe saß ein Pärchen und knutschte; offensichtlich waren beide nicht mehr ganz nüchtern. Jerome hüstelte verlegen, und die Ertappten erhoben sich. Als Paul dann endlich sah, was Jerome ihm zeigen wollte, konnte er sich ein erstauntes „Hui“ nicht verkneifen.

      Sie standen am Rand des riesigen Swimmingpools, die künstlichen Palmen im Rücken. Paul erfasste sofort, was sich verändert hatte. Guck einer an, ging es ihm durch den Kopf, Jerome ist tatsächlich ein paar Zentimeter gewachsen. Oder hob er vor Stolz fast vom Boden ab?

      Jedes Haus braucht, damit es nicht wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt, Stützen. Normalerweise übernehmen diesen Jobs die Wände. Da der Keller aber fast nur ein riesiger Pool war, sah es hier unten mit Stützwänden spärlich aus. Also mussten dicke Stützpfeiler eingebaut werden. Und genau da lag der Hund begraben. Denn diese Pfeiler, so unentbehrlich sie auch sein mochten, zerstörten das Landschaftsbild. Wer will schon an einem Strand liegen, an dem ein Meter breite Betonpfeiler herumstehen? Jerome hatte schon manches versucht, sie zu kaschieren. Die Säulen waren gefliest worden, aber das gefiel ihm nicht. Er hatte Kletterpflanzen angebracht, aber auch das war nicht das Wahre. Jetzt war ihm endlich die Lösung eingefallen. Eine ziemlich geniale.

      Paul Mund stand so weit offen wie ein Scheunentor.

      „Sieht echt chic aus, oder?“

      „Allerdings. Aber wie hast du das geschafft?“

      „Einzelheiten erspare ich uns lieber. Das ist uns beiden eine Nummer zu hoch. Fachchinesisch.“

      Jerome war es gelungen, um die Pfeiler herum eine Wand zu ziehen. Und nun lief auf dieser äußeren Haut das Wasser herab wie bei einem Wasserfall. Es plätscherte nur so drauflos. Und in dem entstandenen Hohlraum, also zwischen Pfeiler und Außenhaut, wurde das Wasser hochgepumpt, um wieder in den Wasserfall zu fallen. Einfach, aber genial. Jerome konnte stolz darauf sein.

      Fünf Minuten später waren sie wieder oben. Paul war mit Händeschütteln und Hallosagen so beschäftigt, dass er außer Atem geriet. Sogar Menschen, denen er vorher noch nie begegnet war (und das waren nicht wenige), reichte er die Flosse. Er tat es ohne Scheu, und das überraschte ihn. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie ihm die Hände fast ins Gesicht hielten, damit er sie greifen und schütteln konnte.

      „Michael ist mein Name.“

      „George.“

      „Angenehm. Ich heiße Vivienne.“

      „Hi. Ich bin der Mark.“

      „Freut mich. Ich bin der Jonas.“

      Und so ging es immer weiter, die Namen purzelten nur so auf ihn ein. Eine Hand zerschnitt auffordernd die Luft und wurde gleich darauf von einer anderen abgelöst. Paul hatte längst den Überblick verloren und wusste gar nicht mehr, wer wer war. Normalerweise fühlte er sich in solchen Situationen unwohl. In einer dichten Menschenansammlung bekam er immer etwas, was man schon fast als Panikattacke bezeichnen konnte. Seltsamerweise war das hier nicht der Fall. Heute fühlte er sich nicht unwohl. Im Gegenteil, er genoss es. „Hallihallohallöle“, schmetterte er jedem entgegen und trompetete lautstark: „Paul, der bin ich“ zu jedem, der es wissen wollte.

      Jetzt war Jerome wieder zur Stelle und packte ihn am Handgelenk. Er war gespannt, wo er ihn diesmal hinführen würde.

      „Ich muss schon sagen, deine Feier ist gut besucht.“ Paul musste laut sprechen, um gegen das Stimmengemurmel anzukommen.

      „Da hast du verdammt recht, alter Junge. Es sind fast alle gekommen, die ich kenne. Unter uns gesagt: fast schon einige zu viel für mein bescheidenes Heim. Man kann ja keinen Schritt gehen, ohne jemandem auf die Füße zu treten. Weil wir gerade davon sprechen: Wo hast du denn Jeannine gelassen? Geht es ihr nicht gut?“

      Ach, du Scheiße. Was nun? Da Paul auf die Schnelle nichts einfallen wollte, stotterte er ein verlegenes „Ähm … ähm“, während er fieberhaft nachdachte. Nun war die Kacke am Dampfen. Was sollte er antworten? Du bist ein Idiot, tadelte er sich. Du hast doch gewusst, dass das kommt! Warum hast du dich nicht darauf vorbereitet? Es hätte vollauf genügt, wenn du dir irgendeine glaubhafte Ausrede hättest einfallen lassen. Und nun druckst du hier rum und weißt weder ein noch aus. Schöne Scheiße!

      Während er weitergrübelte, schienen sie ihr Ziel erreicht zu haben. Jerome stoppte, und Paul hätte ihn fast umgerannt. Glücklicherweise schien Jerome nicht mehr auf eine Antwort zu warten. Etwas hatte ihn abgelenkt. Er führte sein Gesicht nah an seines heran, und einen Augenblick glaubte Paul, er wollte ihn küssen. Das war natürlich albern. Aber dennoch war er drauf und dran, ein Stück zurückzuweichen. Und da flüsterte Jerome ihm ins Ohr (und der Teufel soll mich holen, wenn da nicht eine gehörige Portion Ehrfurcht und Stolz mitschwang): „Sieh dir den Burschen da drüben an! Ich schwöre dir, der wird mal ein Großer.“

      Paul tat, was von ihm verlangt wurde.

      Ihm gegenüber stand ein Typ Anfang zwanzig. Fast noch ein Milchbubi. Seine Hosenbeine waren so dünn, als hätte er gar keine Beine darunter. Sein Pullover war rotschwarz kariert, dass einem die Augen schmerzten, wenn man ihn länger als zehn Sekunden betrachtete. Der magere Rest schien ebenso kräftig zu sein wie die nicht vorhandenen Beine. Nur der Kopf fiel aus der Reihe. Der war phänomenal. Wenn der liebe Herrgott am restlichen Körper gespart hatte, als es an den Kopf ging, musste er in Spendierlaune gewesen sein. Er war viel zu groß für den Rest. Die ganze Erscheinung erinnerte an eine Spaghetti, auf die man eine Wassermelone gesteckt hatte. Dazu schmückte feuerrotes Haar dieses Haupt, und in seinem Gesicht stritten sich Pickel und Sommersprossen um die Vorherrschaft. Der arme Kerl konnte einem leid tun, beendete Paul seine Schnelleinschätzung. Der Typ war ihm zuwider, und er machte keinen Hehl daraus.

      „Wer ist das denn? Der sieht ja zum Fürchten aus!“

      „Zugegeben, er ist ein bisschen

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