Gefahren - Abwehr. Jürgen Ruhr
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Читать онлайн книгу Gefahren - Abwehr - Jürgen Ruhr страница 16
„Könnte?“
„Ja. Er gehört auf jeden Fall zu einem Schließfach der DB. Ob das nun wirklich der Bahnhof in Düsseldorf ist oder in einer anderen Stadt, konnten wir leider nicht feststellen.“
„Gut“, nickte Bernd und verstaute den leeren Koffer in einem kleinen Schränkchen. „Dann versucht euer Glück in Düsseldorf. Sollte sich das Schließfach allerdings nicht dort befinden, dann müssen wir uns etwas ausdenken. Vielleicht kann uns in diesem Fall jemand von der Deutschen Bahn weiterhelfen. Fahrt morgen früh wieder mit dem Zug, Jennifer kann euch die Fahrscheine besorgen. Solltet ihr in dem Schließfach wirklich etwas finden, dann bringt ihr es hierher. Egal was es ist, öffnet es auf gar keinen Fall. Und tragt Handschuhe. Verstanden?“
Ich musste gerade daran denken, dass Gisbert und ich vielleicht schon morgen zu meinem guten Freund und Leibkoch gehen könnten und der Praktikant den Lärpers Spezialteller probieren könnte. Er würde begeistert sein!
Bernd stupste mich leicht an der Schulter an: „Verstanden, Jonathan? Den Koffer nicht öffnen und Handschuhe tragen!“
Ich nickte. Was gab es daran nicht zu verstehen? „Warum?“, fragte ich, denn ein Blick in einen Koffer oder eine Tasche würde doch wohl kaum schaden.
Bernd schüttelte leicht den Kopf: „Einmal, weil wir keine Ahnung haben, was sich darin befindet. Es könnte ja sogar eine Bombe sein. Und andererseits möchte ich - was immer ihr auch mitbringt - auf Fingerabdrücke untersuchen. Jetzt alles klar, Jonathan?“
„Klar wie Kloßbrühe“, bestätigte ich und zwinkerte Gisbert zu: „Oder wie ein Lärpers Spezialteller“, raunte ich meinem jungen Mitarbeiter zu.
Dann blickte Bernd auf mich und betrachtete sinnend meinen Bauch. „Und du Jonathan wirst heute Nachmittag trainieren. Vielleicht täte dir ein Waldlauf ja mal ganz gut ...“
Ein leichter Nieselregen versetzte die Stadt in einen unfreundlichen Grauton. Zum Glück trug ich meinen Lärpers - Detektivschlapphut und konnte mich somit ein wenig vor dem Regen schützen. Den Hut hatte ich letztes Jahr auf dem Wickrather ‚Knospen und Genussfest‘ gekauft. Leider lief mir immer wieder etwas Wasser in den Nacken, aber einen Regenschirm wollte ich als in einem Auftrag befindlicher Privatdetektiv nicht tragen. Das sah einfach nicht so gut aus.
Gisbert stand schon auf dem Bahnsteig und sah mir erwartungsvoll entgegen. Ein knallroter Schirm schützte ihn. „Guten Morgen Jonathan“, begrüßte er mich und ich war froh, dass der junge Mann den Tag nicht schon wieder mit seinen nervigen lateinischen Sprüchen begann. „Du siehst aber ziemlich nass aus. Da nützt dir dieser merkwürdige Damenhut auch nichts.“
„Unisex“, knurrte ich. Wie kamen alle darauf, dass dies ein Damenhut sei? Gut, selbst die Verkäuferin damals beharrte darauf, dass es ein Damenhut sei. Aber hatte die Frau wirklich Ahnung davon gehabt, wovon sie redete?
„Facta loquuntur“, grinste der Praktikant und schob auch gleich die unerwünschte Übersetzung nach: „Die Fakten sprechen, Jonathan.“
„Dir auch einen fröhlichen guten Morgen“, bemerkte ich nur und sehnte mich danach, endlich in den Zug steigen zu können. Erneut rann ein kleiner Bach kalten Wassers meinen Rücken hinunter und ich zuckte unwillkürlich zusammen.
„Du kannst gerne unter meinen Schirm kommen“, bot Gisbert an, trat näher und schob den Schirm halb über mich. Bevor ich ihn noch zur Seite schieben konnte, fuhr der Zug in den Bahnhof ein und ich atmete erleichtert auf.
Die Fahrt verlief ruhig und bald schon suchten wir nach den Schließfächern.
„Hier entlang, Jonathan“, wusste der Praktikant es wieder einmal besser und zeigte in eine bestimmte Richtung. Allerdings sagte mir mein Spürsinn, dass wir dort nie und nimmer die Schließfächer finden würden.
„Wie kommst du denn darauf?“, seufzte ich und setzte meinen Weg fort.
„Weil das Schild dort in die andere Richtung zeigt.“
Ich blieb abrupt stehen. Und wirklich: Ein Hinweisschild verkündete ‚Zu den Schließfächern‘. Achselzuckend änderte ich die Richtung. Wer in aller Welt plante solch einen Bahnhof, wo sich die Schließfächer dort befanden, wo sie nicht hingehörten?
„Vierhundertsechsundzwanzig“, beschied ich Gisbert nach einem Blick auf den Schlüssel und die dort eingestanzte Nummer. „Schau einmal, ob du das Fach finden kannst.“
Gisbert deutete auf ein Hinweisschild vor den Gängen: „Da vorne müsste es sein.“
Frohen Mutes schritt ich auf das Schließfach zu. Dann stutzte ich: Das Fach stand weit offen.
„Scheiße“, murmelte ich und bemerkte im selben Moment, wie Gisbert neben mich trat.
„Si haec ita sunt ...“, erklang es auch schon und ich trat zornig gegen ein Schließfach auf Kniehöhe.
„Und was soll das jetzt wieder heißen?“
„Wenn die Dinge so stehen ...“
Ich drehte mich zu Gisbert um und sah ihm ins Gesicht: „Du mit deinen blöden Lateinsprüchen. Mach dir mal lieber Gedanken, wie es jetzt weitergehen soll. Dies war unsere einzige Spur. Und alle Bahnhöfe in anderen Städten können wir ja schlecht abklappern!“ Ich hatte mich in Rage geredet. Hier endete nun unsere Spur und wir würden jetzt unverrichteter Dinge zu Bernd zurückkehren.
„Machen wir doch einfach, was Bernd vorgeschlagen hat“, grinste der vorlaute Praktikant und deutete auf den Schlüssel in meiner Hand.
Ich konnte mich beim besten Willen nicht erinnern, dass Bernd irgendetwas vorgeschlagen hatte. „Was meinst du, Gisbert? Wann hat Bernd etwas ‚vorgeschlagen‘?“
Der junge Mann seufzte und zum ersten Mal meinte ich so etwas wie leichte Resignation in seinem Gesicht erkennen zu können. Die Situation war aber auch zu vertrackt. Kein Wunder, dass dieser unerfahrene Detektivpraktikant die Flinte ins Korn werfen wollte.
„Jonathan, hörst du denn niemals richtig zu? Bernd meinte doch, dass wir uns an einen Bahnangestellten wenden sollten, wenn sich das Schließfach nicht hier in Düsseldorf befindet. Vielleicht kann uns jemand helfen, den Schlüssel zu identifizieren. Oder uns wenigstens einen Tipp geben.“
Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Natürlich! Bernd musste so etwas erwähnt haben, als ich noch über Curry - Erwin nachdachte.
„Aha, jetzt erinnerst du dich?“, stichelte der Besserwisser und nur der Gedanke daran, dass er ebenfalls - so wie ich auch - ein Fan von Curry - Erwin war, ließ mich eine bissige Bemerkung herunterschlucken.
„Gut, suchen wir einen Angestellten der Bahn“, schlug ich vor und sah mich suchend um.
Wieder wollte der Praktikant es besser wissen: „Gehen wir zur Information vorne in der Halle. Dort wird man uns bestimmt weiterhelfen können.“
„Genau das wollte ich eben sagen, wenn du mich einmal zu Wort kommen lassen würdest! Du scheinst mir ein wenig vorlaut zu sein.“ Es wurde Zeit, dass der Junge lernte, den Worten seines Meisters zu lauschen.