Finisterre. Claus Karst
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Sie hielt inne.
Pascal schaute sie bestürzt an. „Glauben Sie, dass Ihrem Verlobten etwas zugestoßen sein könnte oder dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht?“
„Ich weiß es nicht, wenn ich ehrlich sein soll. Die Menschen hier benehmen sich allesamt recht eigenartig. Sicherlich haben sie es nicht leicht in dieser Abgeschiedenheit. Wenn sie sich miteinander unterhalten, sprechen sie einen kaum verständlichen Dialekt. Sie lassen niemanden an sich heran. Ich gehe davon aus, nein, ich bin fest davon überzeugt, dass sie seit Menschengedenken der Inzucht frönen, wofür ich einige Anzeichen entdeckt habe.“
Sie legte eine kleine Pause ein, damit ihre Schilderung bei Pascal sacken konnte, bevor sie fortfuhr: „Wir sind gegenwärtig die einzigen Touristen hier im Berghof. Dennoch knarren nachts ständig die Dielenbretter, als ob ein Schwarm von Geistern sein Unwesen treibt. Aus der Gaststube sind auch immer Stimmen zu vernehmen, manchmal sogar Musik. Ich wollte schon einmal hinuntergehen und nachsehen, was da los ist, traute mich jedoch nicht, jedenfalls nicht allein. Wissen Sie, obwohl der Berghof Panoramablick heißt, nennen ihn die Menschen hier Höllenpforte, weil hier früher eine schwefelhaltige Quelle gewesen sein soll, die auch heute noch gelegentlich einen ekligen Gestank verbreitet, habe ich mir sagen lassen. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass die Hölle nicht weit sein kann, dass dieses Dorf tatsächlich zum Vorhof gehört.“
„Woher wissen Sie das alles?“
„Nun, ich versuche seit dem Verschwinden meines Verlobten natürlich, Informationen zu sammeln, was hier schwierig genug ist. Dass die Hölle in der Nähe zu sein scheint, sagt vielleicht mehr aus, als ich mir im Moment ausmalen möchte. Aber ich durchlebe sie gerade, das können Sie mir glauben. Wenn doch nur ein Menschen zu finden ist, mit dem ich offen reden könnte! Selbst der Pfarrer kommt mir nicht als Diener Gottes vor, jedenfalls nicht des Gottes, den unsere Kultur verehrt. Unter diesen Umständen habe ich zu ihm ebenso wenig Vertrauen wie zu allen anderen Menschen, denen ich bislang hier begegnet bin. Ich halte den Gedanken nicht für abwegig, dass die Anwohner dieses Dorfes den Teufel anbeten.“
Sie stockte. Offensichtlich hatte Pascal sich nicht so gut unter Kontrolle, wie er hoffte. Seinem Gesicht war die Skepsis anzusehen. Die Belgierin fuhr schließlich mit der Frage fort: „Welches Zimmer hat man Ihnen gegeben?“
„Wir sind in der 4.“
„Ich, das heißt wir sind daneben in 3. Die beiden Räume sollen die schönsten sein. Jetzt fühle ich mich nicht mehr so völlig verlassen hier.“
Sophie schwieg, als sie bemerkte, dass die Bedienung mit dem Kaffee hereinkam.
„Ich bin übrigens die Ines, Monsieur“, stellte sie sich Pascal vor, beugte sich erneut langsam vor ihm hinunter und setzte vorsichtig das bestellte Frühstück ab. „Wann immer ich Ihnen zu Diensten sein kann, lassen Sie es mich bitte wissen. Mir wurde die Aufgabe übertragen, mich um die Wünsche unserer Gäste zu kümmern und sie nach Möglichkeit zu erfüllen.“
Mit diesem Versprechen verschwand sie, aufreizend mit den Hüften kreisend, in Richtung Küche.
„Unverschämte Person!“, missbilligte Sophie Dumont entrüstet den Auftritt. „An Yves, meinen Verlobten, hat sie sich auch mehrmals so herangemacht, wie auch an die Besucher der Gaststube abends, die aber wahrscheinlich gerade ihretwegen kommen. Frauen gegenüber verhält sie sich nicht so ungeniert. Sie ist auch für die Zimmer zuständig. Ich habe selbst gesehen, wie sie sich, nur mit einem kurzen Kittel bekleidet, bückte und …“
„Bückte und …?“ Pascal zog die Augenbrauen hoch.
„Ach, lassen wir das.“ Sophie schüttelte den Kopf. „Darf ich eine Bitte an Sie richten? Falls Ihre Frau nicht gleich wieder auftaucht, würden Sie dann die Freundlichkeit besitzen, mich zum Bürgermeister zu begleiten? Ich denke, ein Gesprächszeuge könnte von Nutzen sein. Jedenfalls fühle ich mich dann bedeutend sicherer.“
„Mit Vergnügen, Frau Dumont, wenn ich Ihnen damit einen Gefallen erweisen kann, obwohl wir von einem Vergnügen nicht unbedingt sprechen können, wie mir scheint.“ Pascal holte tief Luft. „Natürlich bin ich gerne bereit, Ihnen meine Begleitung anzubieten. Entschuldigen Sie mich, bitte, nur einen Moment. Ich werde kurz auf mein Zimmer gehen, um meiner Frau eine Nachricht zu hinterlassen, falls sie in der Zwischenzeit heimkehrt, was ich doch sehr hoffen will.“
„Machen Sie das, Herr Lambert. Ich warte draußen auf Sie.“
Gemeinsam verließen sie den Frühstücksraum. Sie bemerkten Ines’ Grinsen nicht, mit dem sie die beiden bedachte, auch nicht das gespenstische Funkeln in den Triefaugen des Wirts, als sie an der Rezeption vorbeigingen.
Pascal eilte die Treppe hoch, zwei Stufen auf einmal nehmend. Im Zimmer schrieb er Leonie auf dem Notizblock eine Nachricht, in der er ihr mitteilte, er sei mit einem Gast beim Bürgermeister zur Klärung einer recht undurchsichtigen Angelegenheit. Schnellstmöglich käme er jedoch zurück. Sie möge inzwischen schon frühstücken.
Auf dem Gang kam ihm Ines entgegen, mit einem Eimer in der linken und einem Putztuch in der rechten Hand. Jetzt war sie mit einem Kittel bekleidet, dessen obere Knöpfe nicht geschlossen waren. Es bestand kein Zweifel, dass sie sich ihrer Wirkung auf Männer bewusst war und verstand, die Reize ihres Körpers mit weiblicher List zur Geltung zu bringen.
Als er sich an ihr vorbeizuschlängeln versuchte, machte sie kaum Platz, sondern legte es offensichtlich geradezu auf eine Körperberührung an. Pascal fühlte sich irritiert, als er sich an ihr vorbeidrückte. Er entschuldigte sich, obwohl er keinen Grund dafür geliefert hatte. Ines funkelte ihn mit spielender Zunge zwischen ihren Lippen an, ohne auf seine Entschuldigung einzugehen.
Verlegen stürzte Pascal die Treppe hinunter. Er benötigte dringend frische Luft.
Kapitel 5
Sophie erwartete ihn stirnrunzelnd. Ob sie den unangenehmen kleinen Zwischenfall mit Ines geahnt hatte, konnte er nicht ausschließen. Pascal erwähnte ihn mit keinem Wort. Er sog die morgendliche Bergluft in seine Lungen und war heilfroh, der Beklemmung des Hauses erst einmal entronnen zu sein.
„Dann wollen wir mal …“, sagte er.
Sie machten sich auf den Weg. Als sie die wieder menschenleere Dorfstraße hinunterschlenderten, begleitete sie das bedrückende Gefühl, sie würden aus zahllosen Fenstern beobachtet.
Plötzlich raste mit großer Geschwindigkeit ein Wagen Richtung Dorfausgang an ihnen vorbei, ein japanischer Geländewagen. Er entschwand ihren Blicken dort, wo die Dorfstraße in einen kaum sichtbaren Wirtschaftsweg in Richtung der Berge überging.
„Das ist unser Wagen!“, rief Sophie. „Yves!“
Tränen schossen aus ihren Augen und liefen ihre Wangen hinunter. „Warum macht Yves das, was habe ich ihm getan?“, fragte sie bestürzt.
Pascal legte freundschaftlich einen Arm um ihre Schulter und tröstete: „Ich weiß zwar nicht, wie Yves aussieht, aber er saß nicht in dem Wagen. Wenn ich mich nicht restlos täusche, befanden sich darin zwei Männer in Uniform.“
„Uniformierte? Gendarmen vielleicht?“
„Ich