Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held
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von Herzen geliebt.
Fußnoten
1 Die Sage entstammt der Landschaft Unyoro, welche
an die Nilseen stößt und nördlich des Viktoria-Nyanza
liegt. Ihre Bewohner sind die Wanyoro, ein wilder,
kriegerischer, leidenschaftlicher Stamm, der schon vor
langen Jahren mit den Arabern vielfach in Handelsbzw.
Tauschbeziehungen gestanden hatte. Zeitweise
waren die Wanyoro den Arabern unterworfen, in blutigen
Kämpfen gelang es dem freiheitsdürstenden
Stamme, die Bedrücker wieder zu verdrängen. Jetzt
bildet Unyoro einen Teil von Britisch-Ostafrika.
Der Gesang des Kindes.
Eine Naosage.
Es war einmal eine Frau, die hatte zwei gesunde, kräftige
Kinder. Darauf bekam sie noch ein drittes; das
aber war ein unansehnliches, krankes Knäblein ohne
Kopf, ohne Nase, ohne Zähne und ohne Augen. Als
die Mutter das Kind voller Entsetzen betrachtet hatte,
sprach sie zu ihrem Manne: »Laß uns fortziehen von
hier und dies armselige Ding zurücklassen!« So zogen
die Eltern mit ihren beiden gesunden Kindern von
dannen. Kaum aber hatten sie ihre Hütte verlassen,
als dem armen Kinde Kopf, Hände und Füße wuchsen.
Es hatte aber nicht genug Kraft, um denen, die
fortgezogen waren, zu folgen. In der Hütte fand es
einen Stock, den nahm es und erschlug damit eine
Ratte, zog ihr die Haut ab, spannte diese über die
Schale einer Affenbrotbaumfrucht und trommelte darauf,
indem es sang:
Ich saß ohne Vater, – ich saß!
Ich saß ohne Mutter, – ich saß!
Ich saß ohne Kopf, – ich saß!
Ich saß ohne Glieder, – ich saß!
Während es so sang, kam eine Hyäne vorbei, die
lauschte den lieblichen Tönen, trat an die Schwelle
und sprach: »Lehre mich dein Lied, damit auch ich es
singen kann!«
Das Kind antwortete: »Gern! Gib du mir aber zuerst
Kleid, Hemd, Mütze, Gewehr und Bogen, hernach
will ich dich's lehren.«
Die Hyäne gab, was der Knabe von ihr verlangt
hatte. Dieser zog alles an und sprach dann zu dem
Tiere: »Tritt ein in die Hütte!« Darauf schloß er die
Hyäne ein und ging seines Weges; denn jetzt war er
kräftig geworden. Als er wanderte, sang er fortwährend:
Ich saß ohne Vater, – ich saß!
Ich saß ohne Mutter, – ich saß!
Ich saß ohne Kopf, – ich saß!
Ich saß ohne Glieder, – ich saß!
So singend schritt der Knabe richtig den Weg entlang,
den seine Mutter gegangen war, weit, weit, weit
fort, bis er die fand, die ihn krank und elend verlassen
hatten. Weder seine Mutter, noch sein Vater, noch
seine Geschwister erkannten ihn. Der Knabe trat zu
ihnen in ihre Hütte und setzte sich auf ihre Barese.
Dann sang er wiederum sein altes Lied.
Die Leute, die vorbeigingen und ihn hörten, sagten:
»Wie schön er singen kann!«
Dann fragten sie ihn:
»Woher kommst du?«
Er aber antwortete ihnen nicht, sondern fuhr fort zu
singen:
Ich saß ohne Vater, – ich saß!
Ich saß ohne Mutter, – ich saß!
Ich saß ohne Kopf, – ich saß!
Ich saß ohne Glieder, – ich saß!
Und die Leute, die ihn sahen, sprachen weiter untereinander:
»Er ist ein sehr schöner Mann.«
Auch seine Schwester, die ihn nicht kannte, fand
ihn sehr schön und sagte: »Er sollte mich heiraten!«
Sein Schwager, der Mann seiner Schwester, nahm
ein Huhn, schlachtete es, kochte Ugali und stellte das
Essen ins Haus. Darauf ging der Knabe von der Barese
ins Haus, setzte sich und begann wieder sein Lied
zu singen.
Da schüttelten die Leute draußen den Kopf und
sagten:
»Warum singt er diesen Gesang?« Er rief:
»So höret! Meine Mutter hatte zwei Kinder, die gesund
waren. Als drittes wurde ich geboren: klein und
armselig, ohne Kopf und ohne Glieder. Darauf zog
meine Mutter fort und ließ mich zurück.«
Als die Leute diese Erzählung gehört hatten, sprachen
sie untereinander:
»Wir wollen den Hausherrn fragen, vielleicht weiß
er, was diese Rede bedeutet.«
Darauf gingen sie aus dem Hause hinaus, und bald
folgte ihnen auch