Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held
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welches für ihn ausgebreitet lag, begann er seiner
Flöte die lieblichsten Weisen zu entlocken, die jemals
Nakus Ohr getroffen hatten. Unfähig, ein Wort zu
sagen, saß die Königin mit fliegendem Atem und
halbgeöffneten Lippen und starrte unverwandt auf den
Jüngling. Alle Leute, die zuhörten, blickten einander
verwundert an, als könnten sie nicht begreifen, was
vor ihren Ohren erklang. Naku, als der Spieler geendet
hatte, ging leisen Schrittes auf ihn zu, legte sanft
ihre Hand auf seine Schulter und sprach:
»Macht und Herrschaft, o Kimyera, steht dir zu!
Dem Wohllaut deiner Flöte zu widerstehen, ist unmöglich.
So bleibe denn bei uns für ganz und geliebt
von mir, Sebuwana und dem ganzen Volke Gandas.«
Dann wandte sie sich an Muyana und ließ sich von
ihm alles erzählen, was dieser von der Herkunft Ki-
myeras wußte. In tiefen Gedanken versunken, saß sie
hernach noch lange wachen Auges in ihrer Hütte und
dachte des Fremden. Am folgenden Tage aber hielt
eine wunderbare Scheu sie ab, sich ihren Gästen zu
nahen oder dieselben zu sich bescheiden zu lassen.
Deshalb trat erst spät am Abend Muyana zu ihr und
sprach:
»Sage mir, Königin Naku, ist es Sitte deines Landes,
Fremde so freundlich zu empfangen, wie du uns
empfangen hast, um sie hernach nicht mehr zu beachten?
Oder haben Kimyera und ich dich unwissentlich
beleidigt? Mache mich bekannt mit den Gebräuchen
im Lande Ganda, oder laß uns fortziehen, wenn unser
Anblick dir widerwärtig ist.«
»Nein, Muyana,« entgegnete die Königin sanft,
»habe Geduld, und du wirst mich verstehen lernen.«
Darauf ließ sie sich von Muyana in die Hütte Kimyeras
begleiten, der, verwirrt und erfreut ob der Ehre
solches Besuches, ihr eilend entgegentrat und Matten
wie Felle ausbreitete, damit sie sich niederließe. Darauf
schälte er ihr eine Banane, legte sie auf ein grünes
Blatt und reichte sie ihr hin. Naku aß die Frucht, und
es dünkte ihr, daß in ganz Uganda bisher kein Baum
und Strauch so süße Früchte getragen hatte. Als sie
geendet hatte, bot sie Kimyera eine von ihrer Hand
zubereitete Banane, und der Jüngling aß sie mit dem
Gefühl, daß niemals eine Frucht von gleicher Süßig-
keit seine Zunge berührt hatte. Die Königin blickte
ihn lächelnd an, und als Kimyera seine Augen aufschlug,
fand er eine Fülle ungesprochener Worte in
dem Blick Nakus.
»Höre mir zu, Kimyera,« sprach Naku, »und auch
du, Muyana, horche auf; denn ich werde wichtige und
schwerwiegende Worte zu euch reden. In Ganda ist
seit meines Vaters Tode kein König. Sebuwana ist
nur dem Namen nach mein Gatte; in Wahrheit ist er
nichts mehr als mein erster Ratgeber. Jetzt bin ich alt
genug, um selber den zu wählen, der mein Herr und
Herr über ganz Ganda sein soll. Mein Herz hat seine
Wahl getroffen und Kimyera erkoren!«
Bei diesen Worten kniete Kimyera nieder vor die
Sprecherin, und sobald er Herr seiner Gefühle geworden,
sprach er:
»Aber, o Naku, hast du auch bedacht, was dein
Volk sagen wird, wenn du ihm einen Fremdling zum
König gibst? Wird es mir nicht zürnen und nach dem
Leben trachten?«
»Nein! Denn du bist der Sohn des Bruders meines
Vaters. Und da mein Vater keine männlichen Erben
hinterlassen hat, so hat seine Tochter das Recht, sich
dem Sohne seines Bruders zu verbinden. Du siehst,
Kimyera, du hast ein gutes Recht auf den Platz dieses
Reiches, den ich dir anbiete.«
»Was aber soll aus Sebuwana werden?« fragte Ki-
myera.
»Findet er sich gutwillig in sein Geschick,« entgegnete
Naku, »so mag er leben, tut er es nicht, so muß
er sterben von den Händen meiner Krieger.«
Am Nachmittag desselben Tages noch verkündete
Naku ihrem Volke, was sie beschlossen hatte, und als
Sebuwana die Nachricht hörte, erschrak er heftig; da
er aber wohl wußte, was seiner harrte, falls er sich widersetzte,
so ging er still und heimlich von dannen
nach dem Dorfe, in dem er geboren war und seine
Kindheit verlebt hatte, um dort den Tod zu erwarten.
Die Königin Naku aber lebte mit Kimyera, ihrem
Gatten, in Glück und Zufriedenheit. Drei Söhnen gab
sie das Leben und starb nach der Geburt des dritten.
Ganz Uganda beklagte ihren Tod; am meisten aber