Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held
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man ihm vorgesetzt hatte, nicht anrührte, fragten sie
ihn, warum er es nicht äße. Er aber antwortete nur:
»Nein!«
Da sprachen jene weiter:
»Weshalb singst du von deiner Mutter, daß sie dich
zurückgelassen habe und von dir fortgegangen sei?«
Auch seine Mutter sprach zu ihm und sagte:
»Ich kann den Gesang nicht recht verstehen.«
Ihr Mann aber wurde zornig und sprach:
»Du Törin, glaubst du etwa, dies Kind sei das
deine? Ich sage dir, der Mann hier ist ein Lügner, –
aber laß uns seinen Gesang noch einmal hören, – vielleicht
können wir ihn dann besser verstehen.«
Darauf sang der Fremde wieder die sonderbaren
Worte:
Ich saß ohne Vater, – ich faß!
Ich saß ohne Mutter, – ich faß!
Ich saß ohne Kopf, – ich saß!
Ich saß ohne Glieder, – ich saß!
»Was du gesungen hast, haben wir nun wohl gehört,
« sagten die Leute darauf zu ihm, »nun sprich zu
uns, singe nicht mehr!«
Und jener sprach:
»Diese ist meine Mutter!«
Du, o Mutter, hattest zwei Kindern das Leben gegeben,
dann kam ich als drittes. Ihr aber spracht zueinander:
»Das ist ein armseliges Geschöpf!« Denn
ich hatte keinen Kopf und keine Glieder. Deshalb
zogt ihr fort und ließt mich zurück. Als ihr fort wart,
wuchsen mir die Glieder, und ich wurde ein Mann.
Ich tötete eine Ratte und machte mir aus ihrem Fell
eine Trommel. Da kam an die Tür eine Hyäne und
hörte mich singen. Sie kam herein und sagte:
»Unterrichte mich!«
»Gib mir erst alles, was man zum Anzug braucht,«
sprach ich, und als sie das getan hatte, schloß ich sie
ein und ging meines Weges. Viele, viele Stunden bin
ich gewandert, bis ich hierher kam! »Ja, ich bin euer
Kind, das ihr verlassen habt!«
Da weinten die Eltern gar sehr vor Freude, und die
anderen Leute, welche die Worte mit angehört hatten,
lachten und freuten sich mit ihnen.
Der Häuptling und der Vogel.
Eine Naosage.
Es war einmal ein großer Häuptling, der war sehr
mächtig und sehr stolz; denn er vermeinte, alles zu
können. Er war auch ein sehr guter und geschickter
Vogelfänger und glaubte, in der Kunst des Vogelfangens
komme keiner ihm gleich. Eines Tages erschien
in seinem Feld ein sehr schöner Vogel; der fraß alle
Früchte und sang fortwährend:
»Tsche, Tsche, Tsche, Tsche, Tsche.«
Der Häuptling sprach zu seinen Leuten:
»Diesen Vogel müssen wir fangen; denn er frißt
mir alle Früchte meines Feldes auf.«
Darauf machte er sich mit einer Schar von Männern
auf, den Vogel zu jagen.
»Seht den Vogel an,« rief der Häuptling, »er ist
sehr diebisch und muß durchaus gefangen werden.«
Das Tier flog nun vor ihnen her, immer eine kleine
Strecke; dann ließ er sich nieder und ruhte, bis seine
Verfolger ihm ganz nahe waren.
»Tsche, Tsche, Tsche, Tsche,« sang es von neuem
und flog weiter.
Weiter und immer weiter verfolgten die Leute das
hübsche Tier, bis sie müde waren, und sich ausruhen
mußten; nur einige wenige jagten ihn noch und verloren
sich in ein Bambusdickicht. Als der Vogel aus
dem Gebüsch wieder herauskam, jagten die anderen
Leute ihn auch wieder und gingen verloren wie die ersten.
Der Vogel kam wieder: zum dritten, sechsten
und zehnten Male, und jedesmal fanden sich Männer,
ihn zu verfolgen; aber sie gingen alle verloren, bis zuletzt
nur der Häuptling allein noch übrig war. Da
kamen die Weiber der verloren gegangenen Männer,
klagten den Häuptling an und verlangten, daß er
ihnen ihre Männer wiedergebe. So blieb ihm nichts
übrig, als sich allein auf die Wanderung zu begeben
und nach den Jägern zu suchen. Vor ihm her flog wieder
der Vogel, aber er ließ sich nicht fangen. Als der
Häuptling in den Bambuswald kam, öffnete der Vogel
einen großen Termitenhügel. In diesen ging der
Häuptling hinein und fand darin seine Leute.
Der Vogel flog nun hinein und befreite die Männer
des Häuptlings; ihn selbst aber behielt er zurück und
sprach:
»Du hast gesagt: Ich erliege bei keinem Ding, und