Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held
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werden ihn unterwegs fressen.« Sie that wie geheißen,
und ihr Bruder machte sich auf. Als er sechs
Monate in der Wüste gewandert war, begegnete ihm
eine Gule.2 Er sprach: »Essalāmu alêkum3, Mutter
Gute!« Sie dankte und fragte: »Wohin des Wegs, Muhammed?
« Er antwortete: »Ich suche die Trauben des
Paradieses.« Da sprach sie zu ihm: »Wer dich auf
diese Reise geschickt hat, der ist dein Feind.« Er aber
erwiderte: »Nein, es ist eine Freundin, meine Schwester,
meine beste Freundin in der Welt.« Da gab sie
ihm eine Kugel und sprach: »Wirf sie zur Erde und
geh ihr nach, bis du zum Paradiese kommst.« Er
nahm die Kugel, warf sie zur Erde und folgte ihr, bis
er zum Paradiesgarten kam. Da pflückte er die Trauben
und kehrte zu seiner Schwester zurück. Die beiden
Löwen hörten seine Stimme, liefen heraus ihm
entgegen, umarmten und küßten ihn, und er liebkoste
sie gleichfalls. Da sprach seine Schwester zu dem
Neger: »Verbirg dich! Der Unglücksmensch, mein
Bruder, ist wiedergekommen, niemand hat ihn getötet.
« Bei diesen Worten trat er ein, gab ihr die Trauben,
und sie aß. Nun wartete sie eine Woche, dann
sagte sie wiederum zu dem Neger: »Finde für ihn
einen Tod, von dem er nicht wiederkehrt!« Er sprach
zu ihr: »Sag ihm, du würdest nur durch das Wasser
des Lebens gesund werden.« Sogleich stieg er (der
Bruder) auf einen Esel und machte sich auf in die
Wüste zu ziehen. Die beiden Löwen aber liefen ihm
nach, und so oft er sie auch zurückjagte, sie kamen
immer wieder. Da sagte seine Schwester: »So nimm
sie mit dir, sie wollen doch nicht hierbleiben.« Als er
fort war, sprach sie zu dem Neger: »Wenn er wiederkommen
sollte, so wollen wir ihn beide ergreifen und
samt seinen Löwen töten.« So wanderte er denn ein
Jahr in der Wüste umher, bis er das Meer mit dem
Wasser des Lebens fand. Er setzte sich ans Ufer unter
einen Baum. Auf dem Baum saßen zwei Tauben, die
sprachen miteinander und sagten: »Die Tochter des
Sultans ist krank, und die Ärzte können sie nicht heilen.
Jeder Arzt, der sie nicht heilen kann, wird zum
Tode verurteilt.« Die zweite sprach: »Wodurch wird
sie denn gesund?« »Durch das Wasser des Lebens,«
versetzte die erste. Muhammed hörte ihr Worte, füllte
zwei Krüge und einen kleinen Krug mit dem Wasser,
packte sie auf seinen Esel und zog weiter, bis er zum
Palast des Königs kam. Er ging hinein und sprach
zum König: »Ich bin Arzt, und will deine Tochter heilen.
« Der König erwiderte: »Mach dich davon, mein
Junge! Es wäre schade, dich zu töten.« Er antwortete:
»Ich verlange nichts Besseres als die andern; ich
werde sterben, wenn ich sie nicht heile.« Der König
sprach: »Es ist gut! Wenn du sie heilst, sollst du sie
heiraten.« Muhammed ging zu ihr hinauf und sah, daß
man sie schon in die Richtung auf Mekka legte.4 Er
hieß alle hinausgehen, schloß die Thür zu, nahm den
kleinen Krug mit Lebenswasser, und goß es über sie
aus. Da stand sie auf und sprach sofort mit ihm. Die
Leute, welche draußen waren, hörten ihre Stimme,
und die Frauen weinten vor Freude. Als er die Thür
öffnete, begehrte sie zu essen. Ihr Vater ließ sogleich
den Kadi holen, der Heiratskontrakt wurde geschlossen
und die Hochzeit gefeiert. Vierzig Tage blieb er
bei ihr. Dann ließ er ihr einen Krug mit Lebenswasser
zurück und sprach zu ihr: »Ich ziehe aus, um meine
Angehörigen zu besuchen und komme dann wieder.«
Darauf stieg er auf seinen Esel, nahm einen Krug für
seine Schwester mit und wanderte, bis er zu ihr kam.
Als ihn seine Schwester sah, sprach sie zu dem
Neger: »Mein Bruder, der Unglücksmensch, ist wiedergekommen.
Ich will ihn mit Worten hinhalten,
schleich' dich hinter ihn und schlag' ihm den Kopf
ab!« Ihr Bruder stieg ab, begrüßte sie und sprach zu
ihr: »Ich bringe dir das Wasser des Lebens.« Sie
sprach: »Es ist gut, mein Bruder; mein Leben hängt
an deinem Blut in dieser Welt.« Der Neger schlich
sich heimtückisch von hinten heran, durchbohrte ihn
mit dem Dolch und schnitt ihm den Hals ab. Als die
Löwen den Kopf ihres Herrn fallen sahen, liefen sie
heulend in die Wüste. Der Neger schnitt den Leichnam
in Stücke, steckte sie in einen Sack, legte diesen
auf den Esel und jagte den Esel davon. Die Löwen
aber trieben den Esel vor sich her, bis er zum Palast