Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held
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hinauf, während ihnen die Thränen über die
Wangen rollten. Die Königstochter sprach zu ihnen:
»Warum weint ihr? Hat euch euer Herr geschlagen
oder was giebt's?« Darauf steckte sie die Hand in den
Sack, um herauszuziehen, was darin wäre, und sein
Kopf kam in ihre Hände. Da schlug sie sich die Brust
und rief: »Ist es ein Feind oder ein Freund, der dich
getötet hat?« Sie nahm die Stücke, trug sie in ein
Zimmer und paßte sie solange aneinander, bis sie sie
gelegt hatte, wie sie zusammengehörten. Darauf holte
sie den Krug mit Lebenswasser und goß es darüber.
Da fing das Blut in den Adern wieder an zu laufen,
und das Leben kehrte zurück. Und so fuhr sie fort,
acht Tage lang Lebenswasser auf ihn zu gießen, bis er
gesund war und stärker als zuvor. Nun frug sie ihn:
»Wer hat dich getötet?« Er antwortete: »Übermacht
überwindet den Mut. Vierzig Räuber haben mich auf
dem Wege zu meinen Eltern überfallen. Ich habe sie
getötet bis auf einen, der hat mich heimtückisch überfallen.
« Als er sich anblickte, fand er seine Gesundheit
besser als vorher. Darauf schloß er die beiden
Löwen ein, damit sie ihm nicht folgen könnten, und
sprach zu seinem Weibe: »Ich will meine Eltern besuchen.
« Darauf reiste er ab, färbte sich schwarz wie ein
Neger, kaufte einige Ringe und ein wenig Harz und
ging an den Ort, wo seine Schwester sich befand. Er
rief: »Kauft Ringe und Harz (zum Räuchern), ihr
Jungfrauen!« Da sprach seine Schwester zu dem
Neger: »Herr, kauf mir Harz und Ringe, die wir unsern
Kindern anstecken wollen.« Der Neger rief ihn
heran und sprach: »Hast du Harz und Ringe?« Er
sagte: »Ja, Landsmann!« Das Weib beugte sich über
ihn und sprach zu dem Neger: »Beim Propheten!
Herr, wenn wir meinen Bruder nicht zerstückelt und
in den Sack gesteckt hätten, so würde ich sagen, daß
die Augen dieses Negers meines Bruders Augen
sind.« Er aber antwortete: »Wo ist dein Bruder jetzt!«
»Er ist tot, die wilden Tiere werden ihn gefressen
haben.« Und während sie sich zu einander neigten,
zog Muhammed seinen Dolch, stieß den Neger mitten
in den Leib und hieb ihn in zwei Stücke. Darauf ergriff
er die drei Kinder, schnitt sie in Stücke und warf
sie in die Wüste. Endlich ergriff er seine Schwester.
Sie aber flehte um Erbarmen. Er antwortete: »Hast du
Erbarmen mit mir gehabt?« Und er grub ein Loch und
begrub sie lebendig. Darauf kehrte er zum König zurück
und erzählte: »Meine Eltern sind gestorben; gieb
mir hundert Kamele, um ihre Habe zu holen.« Darauf
nahm er hundert Kamele und brauchte acht Tage, um
die Schätze aus der Höhle zu schaffen, die früher den
Räubern gehört hatten.
Fußnoten
1 Aufgezeichnet von W. Spitta-Bey
2 D.i. eine Art Kobold
3 Friede (sei) mit dir (arab. Gruß)
4 Die Muhammedaner legen die Sterbenden so, daß
das Antlitz nach der Gebetsrichtung, nach Mekka,
schaut.
Poesien
Wohlthun1
Dem freien Mann ist Wohlthun heil'ge Pflicht,
Unedlen Schwäche! Merk, Gevatter!
In Muscheln werden Wassertropfen Perlen
Und gährend Gift im Leib der Natter.
Fußnoten
1 Aus der Sammlung Katâ'ìf ellatâ'ìf.
Gedenken1
Sei mir gegrüßt, ich hab dich nicht vergessen,
Nicht müde wird mein Mund, von dir zu sprechen.
Bist du auch fern, du wohnst in meinem Herzen;
Wie könnt' ich der Erinn'rung mich entbrechen!
Fußnoten
1 Aus der Sammlung Katâ'ìf ellatâ'ìf.
Trinklied1
Finde ich kein Liebchen,
Das sich mit mir freut,
Setz' ich mich zum Weine,
Da sind v i e r bereit:
Lieder singt mein M u n d mir,
Für mein O h r ein Schmaus,
Mundschenk sind die H ä n d e ,
H e r z trinkt mit mir aus.
Fußnoten
1 Aus der Sammlung Katâ'ìf ellatâ'ìf.
Liebeszauber1
Deine Schönheit hat mich bezaubert
Und deine schwarzen Augen bethört.
Da sucht' ich Trost im Verseschmieden,
Jetzt bin ich nur noch mehr verstört.