Ein Pfeil ist nur frei, wenn er fliegt. Frans Diether

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Ein Pfeil ist nur frei, wenn er fliegt - Frans Diether

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      "Doch die Götter zeigten ihre Gunst, offenbarten sich durch ein starkes Zeichen, schenkten meinem Weibe und mir fünf starke Kinder und euch Eltern, Vater und Mutter, die euch lieben, für euch sorgen, eure Zukunft aufs Beste planen." Frysunth war es gewohnt zu sprechen. Schließlich stand er dem Dorfe vor, musste er in Streitsachen urteilen und sein Urteil eingehend begründen. Doch was er an diesem Abend zu sagen hatte, ging ihm nahe, hatte Einfluss auf das gesamte weitere Leben seiner Familie. Er nahm einen weiteren, noch tieferen Schluck, rülpste erneut und noch lauter als beim vorherigen Mal, setzte den Krug mit Bedacht ab und sprach mit Bedacht weiter.

      "Auch der neue, der Christengott war uns gnädig." Er wollte den für sich wiederbelebten, den bei Gis vermuteten und von Kaya offensichtlich zur Schau gestellten alten Glauben nicht als die alleinige Wahrheit bezeichnen, die christlichen Gefühle seiner Frau und auch Tammos Gefühle nicht über Maß verletzen. "Er gab uns reiche Ernte und Frieden, hielt die Wikinger fern, bewahrte uns vor Krankheit und das Dorf vor Unglück. Wir bauten ihm eine neue Kirche. So zeigten wir unsere Ergebenheit. Und offenbar waren sich die Götter einig, uns für unser Tun zu belohnen, waren sich darin offenbar einiger als die Menschen, welche sich in ihrem Namen die Köpfe einschlagen."

      Wieder blieb Frysunth der Einzige, der in seinen Worten die absolute Wahrheit sah. Doch man widersprach dem Hausherrn nicht, weil man ihn fürchtete, so wie Tammo oder weil man keinen Sinn darin sah, so wie Kaya es tat.

      "Es ist an uns, die Zeichen der alten Götter richtig zu deuten und auch den Weg, den uns der Christengott weist, mit frohem Mut zu gehen. Und es ist an der Zeit, die Frucht, die mein hochverehrter Bruder Odas in seine Kinder legte, zu ernten." Frysunth blickte tief in Tammos Augen. Sah er eine kleine Träne? Gelang es ihm, das überhebliche Herz des jungen Mannes zu erreichen? Er wollte es gewinnen, ihn nicht zum Feinde haben. Er brauchte ihn als Verbündeten, wenn es zur nächsten Wahl kam. Tammo durfte dann wählen, und Frysunth wollte dessen Stimme. Er musste dafür einen hohen Preis zahlen, dem Sohn des ungeliebten Bruders den größten Hof des Dorfes überlassen, die Verhältnisse aus Odas Zeit fortschreiben. Doch das war immer noch besser, als einen Bruderzwist auszulösen, aus dem Gis, sein erwählter Erbe, als Verlierer hervorgehen würde. Und sein Blick wanderte weiter, glitt über die Gesichter von Tammos Brüdern, die sich in das Schicksal der Nachgeborenen zu fügen hatten, für die es sowohl auf dem Hofe ihres Ziehvaters, als auch auf dem von Odas hinterlassenen Hof nur die Knechtsrolle gab. An sie hatte er wenig zu verteilen. Sie müssten sich Tammo unterordnen oder fortgehen. Die Freiheit, dies zu entscheiden, wollte er ihnen zumindest einräumen. Mehr Gedanken widmete er den beiden nicht, dachte er doch bereits zu lange nach, unterbrach er seine Rede bereits zu lange, sah er bereits wieder Hass in Tammo aufkeimen. Doch bevor Frysunth weitersprach, sollten seine Augen noch die der Ziehtochter suchen. Kaya, sie war so anders, hatte im Aussehen nichts mit Odas gemein, hatte in ihrer ganzen Art nichts mit ihren Brüdern gemein, lief große Gefahr, ausgestoßen, gar als Hexe bezeichnet zu werden. Schön war sie anzusehen, fremdartig schön, so dunkel ihre Haut, so dunkel ihre Augen, so dunkel ihr Haar. War auch ihre Seele so dunkel? Odas hatte die Kleine geliebt, warum auch immer. Doch je länger Frysunth in das dunkle Braun unter den langen Wimpern blickte, desto mehr verstand er den Bruder, mit dem er ohnehin viel mehr gemeinsam hatte, als er zuzugeben bereit war. Vielleicht beruhte darauf ihre Feindschaft, auf ihrem gleichen Streben nach Macht und Einfluss? Frysunth wollte den Faden nicht weiter spinnen, nicht in diesem Moment. Kaya hielt Frysunths Blick ohne zu blinzeln stand, würde keinen Schritt zurückweichen. Frysunth wusste das und setzte seine Rede fort, weil es Zeit war, weil die anderen begannen, unruhig hin und her zu rutschen und weil er so seine von Kayas Augen abwenden konnte.

      "Odas hinterließ sehr viel, drei wundervolle Söhne, eine ganz besondere Tochter", mit einem Lächeln auf den Lippen streifte Frysunths Blick erneut über Kayas Gesicht. Sie hielt ihre Augen noch immer auf ihn gerichtet, so als könne sie ihn durchschauen, könne bereits lesen, was er sagen wollte. Eine Hexe, dachte Frysunth und beglückwünschte sich erneut zu den hervorragenden Plänen, die er für Kayas Zukunft hegte. "Und Odas hinterließ einen hervorragend bestellten Hof, den ich nur vorübergehend als mein Erbe akzeptieren, den ich bald in die Hände seiner Söhne zu übergeben gedenke."

      Tammos Mund stand weit offen. Die Ankündigung seines Onkels und Stiefvaters, so sehr er sie erhofft hatte, überraschte ihn doch. Niemals hätte er geglaubt, dass jemand errungenen Besitz ohne Not abgibt. Sein Vater Odas hätte so etwas niemals getan. Spott mischte sich in die Trauer, die ihn beim Gedanken an Odas befiel, Spott über Frysunth. Wie schwach musste dieser sein, sein Eigentum so leichtfertig herzugeben. Aber was sollte ihn das stören. Er profitierte von dieser Schwäche. Er wollte nicht unbedacht handeln, seinen Gewinn nicht durch falsches Verhalten gefährden.

      "Ich danke euch von ganzem Herzen", versuchte Tammo, die rechten Worte zu finden. "In uns fließt gleiches Blut. Mögen wir auf ewig eine Familie sein."

      "Wohl gesprochen mein Sohn", lobte Frysunth, das spöttische Zucken in Tammos Augenwinkel wohl wahrnehmend, wissend, dass er jetzt den entscheidenden Schlag setzen konnte.

      "Wir sind auf ewig verbunden. Wir sind blutsverwandt. Wir werden einander beistehen bis ans Ende unserer Tage. Da jedoch meine Tage bereits fortgeschritten sind, mein eigen Werk der Nachfolge bedarf, soll der, der mir den eigenen Sohn ersetzend, die Last der Trauer tragen half, Teil dieser Familie und durch Blut für immer an uns gebunden werden."

      Tammo zuckte zusammen. Sein Onkel war kein schwächlicher Spinner. Er gab ihm zwar den Hof des Vaters, raubte ihm jedoch fast die Hälfte des sicheren Erbes, nahm den Dahergelaufenen, den sächsischen Hund, den an allem Übel Schuldigen in die Erbfolge auf. Gis hingegen, den das alles angehen sollte, verstand die Sache absolut nicht, wusste nichts von der Art, Blutsverwandtschaft zu schließen, wie sie bereits die Vorväter seines Ziehvaters pflegten, mit denen sie seit jeher Kinder anderer Sippen in die ihre aufnahmen, wenn es durch Hunger oder Krieg zu einem Mangel an Nachwuchs kam.

      "Gis", sprach Frysunth den Auserwählten direkt an. "An Erntedank werden sich unsere Adern kreuzen, wird unser Blut zusammenfließen, wirst du zu meinem Erben."

      Gis riss die Augen weit auf. Er sollte Erbe von Frysunths Hof werden? Er sollte reich sein, in der Fremde mehr besitzen, als er zu Hause je vermocht hätte? Doch was war der Preis? Sein fragender Blick schweifte von Frysunth zu Kaya. Sie wirkte ungewöhnlich aufgerührt. Was war der Preis?

      "Du Gis wirst einst mein Werk fortsetzen. Du wirst aber auch Verantwortung tragen, deine Mutter und deine Schwestern zu versorgen. Dafür werden deine Kinder in direkter Erbfolge stehen."

      Tammo konnte nur mit Mühe einen Schrei unterdrücken. Sein Onkel übertrug tatsächlich einen Teil des Familienbesitzes auf einen gottlosen Sachsen und dessen Brut. Und warum sah der Mann nun Kaya an? Wollte er mit ihrer Hilfe den angenommenen Sohn legitimieren? Vor Erregung drückte Tammo die Hände seiner Brüder, in deren Mitte er saß. Die beiden stöhnten auf. Sie waren einfache Bauernjungen, verstanden nichts von großer Politik. Sie würden tun, was man ihnen sagte. Nichts anderes taten sie, seit sie sich erinnern konnten.

      "Und nun zu dir Kaya, meine liebe Tochter", Frysunth vermied den Kampf der Blicke, sah lieber auf ihre in der letzten Zeit gut gewachsene Weiblichkeit, welche das raue Gewand verlockend wölbte und dessen Ausschnitt einladend öffnete. "Für dich wird es Zeit, einem guten Manne nachzufolgen, seinen Hausstand zu versorgen, seinen Segen aufzunehmen und ihn mit vielen Söhnen zu beschenken."

      Frysunth bemerkte nicht, wie Altje bei diesen Worten zusammenschrak, wusste sie doch nur zu genau, dass sie den Erwartungen des Gatten nicht gerecht geworden war, nicht das leistete, was eine gute Frau leisten sollte, ihm nicht die vielen Söhne schenkte, die den Bestand der Familie hätten sichern können. Altje beherrschte sich, schwieg, hatte sich damit abgefunden, dass ihr Ehemann sich nahm, was er wollte, sogar einen Sohn und Erben, den sie ihm nicht schenken konnte. Frysunth bemerkte das Nachdenken seiner Frau nicht. Seine Augen ruhten noch immer auf Kayas Brüsten. Eine Hexe, dachte er erneut. Sie

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