Der Traumlord. David Pawn

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Der Traumlord - David Pawn

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Wer dort oben stand und von den Zinnen hinabblickte, konnte gewiss mehr als eine Tagereise weit ins Land schauen. Hatte er ein Fernglas, so sah er den Guten Träumer, sobald er das kleine Gebirge passiert hatte, dass der Askar durchschnitt. Michael hatte die vage Vermutung, dass der Stern von Asgood dort auf dem Schloss sein könnte. War dem wirklich so, hätte er im Mittelpunkt der Welt nicht sicherer sein können als dort.

      Daran, was ihn erwarten würde, wenn er Asgood verließ, wollte der Gute Träumer gar nicht erst denken. Wenn er die riesige Wüstenregion betrachtete, die sich auf der Karte südöstlich von Asgood ausbreitete, befiel ihn eine lähmende Angst. Er zweifelte, dass er genügend Mut aufbringen würde, diese Wüste zu durchstreifen, wenn er allzu lang über seine Erfolgsaussichten nachgrübelte.

      Er lenkte den Blick zurück zur Stadt Asgood. Er dachte, dass es in jeder größeren Stadt einen Markplatz gab, der nicht nur alle Arten von Krämern beherbergte, sondern auch die Heimat aller Gerüchte, Sagen und Legenden einer Stadt war. Wenn es Menschen in Asgood gab, die über den gesuchten Stern Auskunft geben konnten, würde er sie auf dem Markt finden. Natürlich musste er Vorsicht walten lassen, denn schließlich hatte der Traumlord seine Spione vermutlich überall. Jemand der nach dem Stern von Asgood fragte, musste auffallen. Man würde ihn packen und hinter sieben Türen mit jeweils sieben Schlössern in ein finsteres Verließ werfen, wenn er sich nicht genügend vorsah. Oder man würde ihn aus einem Hinterhalt heraus umbringen. Wer konnte das wissen?

      Der Gute Träumer rollte die Karte zusammen, löschte das Feuer mit Erde (er hatte keine besonders große Lust, hinab zum Fluss zu gehen und Wasser zu holen) und bestieg sein Pferd. Aller Dinge verlustig, die in den Satteltaschen gewesen waren, aber mit ungebrochenem Willen zum Sieg machte er sich auf den Weg nach Asgood, wo seine Mörder ihn erwarteten.

      VIII.

      Nana musste man keine Träume nehmen. Sie hatte sie mit ihren Söhnen verloren.

      Sie war eine Frau von Anfang fünfzig, klein, rundlich, mit einem rosigen Gesicht, das an ein gut genährtes Ferkel denken ließ. Man sah ihr die Trauer nicht an, die sich wie ein eisernes Band um ihr Herz geschlossen hatte.

      Sie hatte eine kräftige Figur und Arme und Hände, die offensichtlich zupacken konnten. Ihr Haar war dunkel, aber auf gar keinen Fall schwarz. Ihre Augen hatten in der grünen Iris kleine gelbe Flicker, wie Einschlüsse in einem Edelstein, aber die Augen hatten den Glanz verloren und dunkle Ringe zeugten von durchwachten Nächten voller Tränen.

      Doch die Zeit der Tränen war vergangen und der Zeit der Gleichgültigkeit gewichen. Es gab nichts mehr, was Nana in dieser Welt interessierte. Nur manchmal durchbrach noch Hass wie ein glühender Stahl den Panzer, den Nana um sich geschmiedet hatte. Aber der Stahl kühlte stets schnell wieder aus und ließ Leere zurück.

      Nana hatte mit ihren beiden Söhnen schon seit langer Zeit am Rande der Wüste gelebt. Sie war ihrem Mann hierher gefolgt, der zwei Jahre nach der Geburt ihres zweiten Sohnes an einer schweren, unbekannten Krankheit starb. Er hatte vor seinem Tode so starke Schmerzen gehabt, dass er die Menschen um sich herum nicht mehr erkannte. Einmal hatte er Nana verprügelt, weil er sie für einen Dämon hielt, der ihn holen wollte. Nachdem er sie so stark gegen die Wand des Schlafzimmers geschleudert hatte, dass ihr rechter Arm brach, war er selbst ohnmächtig vor dem Bett zusammengesunken. Von diesem Tage an wusste Nana, dass es für ihren Mann besser sein würde, wenn er starb, denn an Heilung glaubte sie nicht länger. Als es dann soweit war, war sein Hals angeschwollen wie ein wassergefüllter Ballon. Auch unter den Achseln hatten sich riesige Schwellungen gezeigt. Es sah aus, als habe er sich Kokosnüsse unter die Achselhöhlen geschoben. Schon zwei Tage vor seinem Tod fiel er ins Koma, aus dem er nicht mehr erwachte, auch nicht, um seine Frau ein letztes, verzweifeltes Mal anzulächeln.

      Seit jenem Tag lebte Nana allein mit ihren beiden Söhnen, und sie war ihnen eine gute Mutter.

      Sie lebten zu dritt in einem kleinen Dorf am Rande der Wüste, das Bahnil hieß. Bahnil war einstmals eine große und bedeutende Stadt gewesen. Größer als Asgood und fast so gewaltig wie Sameth, die sagenhafte Stadt im Osten. Aber die Wüste hatte die Stadt Stück für Stück verschlungen. Die Menschen in Bahnil hatten sich anfänglich der Angriffe des Gegners aus Sand erwehrt, doch er hatte ihre Reihen gelichtet und das Schlachtfeld als Sieger verlassen. Jetzt lebten in Bahnil nur noch Menschen, die nicht die Kraft oder den Willen besessen hatten fortzuziehen. Nana gehörte zu ihnen.

      Ihren ersten Sohn hatte Nana bereits vor zehn Jahren verloren. Zu einer Zeit als man im Reich noch nicht an den Traumlord dachte, als Glück und Frieden den meisten Menschen im Reich noch zugetan waren.

      Aber Nana hatte kein Glück. Hatte eine Krankheit ihr bereits den Mann geraubt, so nahm eine weitere ihr den ältesten Sohn. Es war eine Krankheit des Geistes, die sich bereits andeutete, als er noch ein Knabe war, und mit den Jahren immer stärker sein Handeln prägte. Er bildete sich ein, stets verfolgt zu werden. Er glaubte, alle, auch Mutter und Bruder, würden ihn bedrohen, ihm nach dem Leben trachten. Er behauptete sogar, Nana wäre gar nicht seine Mutter. Sie hätte sich eingeschlichen, seine wahre Mutter und seinen Vater ermordet, und nun wolle sie ihm ans Leder.

      Eines Nachts, er war gerade neunzehn geworden, verließ er heimlich das Haus. Er ließ keine Nachricht zurück, aber die Spuren, die er hinterließ, wiesen den Weg in die Wüste.

      Zwar war ihr Ältester ein stattlicher junger Mann, er überragte seine Mutter um mehr als einen Kopf, aber Nana glaubte dennoch nicht, dass er seine Reise durch die Wüste überlebt hatte. Aber selbst wenn dem so war, so blieb er doch verschollen und war für sie damit gestorben. Nie hatte sie wieder von ihm gehört. Außer vielleicht …, aber daran wollte sie nicht denken.

      Oder doch? Die Männer aus den Karawanen, die die Wüste durchzogen, erzählten die seltsame Geschichte von einem Menschen, der in der Wüste hauste. Manche hatten ihn angeblich gesehen, eine Gestalt, gewaltig wie ein Bär, doch offenbar scheu wie ein Reh. Einmal erzählte einer der Männer, dieser Mann aus der Wüste hätte aufrecht in einem tobenden Sandsturm gestanden und ihrer Karawane mit der Faust gedroht. Dann aber habe er sich plötzlich abgewandt und sei davon gerannt, schneller als der Sturmwind.

      Sollte diese sagenumwobene Gestalt ihr Sohn sein? Nana konnte es nicht glauben. Sie wusste auch nicht, ob sie dieser Gedanke mit Hoffnung oder mit Verzweiflung erfüllte. Es war wohl eine Mischung aus beidem. Eine Mischung die besonders qualvoll auf ihr Gemüt wirkte.

      Ihren jüngeren Sohn verlor Nana, kurz nachdem der Traumlord im Reich die Macht übernommen hatte. Weil er sich den Befehlen des neuen Herrschers widersetzte, obwohl man ihn seiner Träume beraubt hatte (er liebte Tiere und wollte Pferde züchten), wurde er von zwei Rittern der Dunklen Garde ermordet. Sie zerrten ihn aus dem Haus wie ein Stück Vieh, banden ihn mit den Beinen jeweils an eins ihrer Pferde, und ließen diese dann in verschiedene Richtungen ziehen. Nana hörte in mancher Nacht noch immer die Schreie ihres Sohnes durch die Straßen des Dorfes hallen. Irgendwo in der Wüste mischten sich die Schreie mit dem Tosen des Windes. Vielleicht hörte sie dann auch der sagenhafte Wüstenmann in seinem Versteck.

      Nana saß am Fenster und schaute hinaus auf die Straße. Sand wurde vom Wind herangetrieben und irgendwann würde das Dorf Bahnil nicht mehr sein. Nana würde an diesem Fenster sitzen und warten, bis es so weit war. Dies war der einzige Traum, der ihr noch geblieben war. Der Traum von der endlosen Weite der Wüste und von dem einsamen Mann, der sie durchstreifte, ohne zu wissen wonach er suchte.

      Nana würde den Tag nicht erleben, wenn Bahnil im Sand versank, denn sie war eine Figur im Spiel, die geschlagen werden sollte, ehe sie einen Zug tun konnte. Aber der gute Spieler weiß, dass Siege mitunter Opfer verlangen. Man opfert passive Figuren, um aktive besser einsetzen zu können.

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