Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr

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Das Paradies ist zu Ende - Louis Lautr

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Woch drauf.“ Inzwischen waren wir auf dem großen Platz, dem sogenannten Latschariplatz, in der Nähe ihres Hauses angekommen. Auf der Holzbank saß, Leopold, ein Schulkamerad meines Bruders, er war Flüchtling und sprach Hochdeutsch. Er rief: „He Rosanna, ich würde dich gerne was fragen.“ Rosanna rief zurück: „Du Leopold a anders mal, i muss heim un han grad kei Zeit.“ Rosanna sagte zu mir: „Der Schpinner will immer mit mir schwätze on glotzt mi dabei a, wie wenn er no nie a Mädle gseh het.“ Als wir bei Rosanna waren und ihre Mutter öffnete, fragte sie: „Louis, hast du Rosanna begleitet, das ist nett von dir, möchtest du reinkommen?“ „Heut nit, i muss heim, sonsch wartet mei Mutter“, sagte ich und rannte nach Hause, Leopold saß nicht mehr auf der Bank, vielleicht hatte er tatsächlich auf Rosanna gewartet. Am Samstag war es bewölkt, es sah jedoch nicht nach Regen aus. Wir trafen uns mit der Klasse von Hartmut im Schulhof. Wir waren Kinder aus zwei Klassen. Reinhild, Lindtraud, Rosanna und ich unterhielten uns mit Hartmut. Die Mädels und Jungs aus seiner Klasse waren erstaunt, dass die Mädchen aus der fünften Klasse sich mit Hartmut unterhielten. Er stolzierte herum wie ein eitler Gockel und freute sich. Er stotterte nicht mal, da er die Mädels kannte und nicht mehr schüchtern war. Erst als ihn Angelika, ein nettes Flüchtlingsmädchen aus seiner Klasse fragte: „Woher kennst du die Mädels aus der fünften Klasse?“ Wurde er wieder verlegen und fing an zu stottern. Ich sagte: „Angelika, er ist mein Freund, wir fahren auf dem Holzplatz oft mit den Rollwägelchen und spielen Eisenbahn.“ Angelika fragte Hartmut: „Darf ich auch mal mitspielen?“ Da ich laut gesprochen hatte, kamen noch andere Jungs und Mädchen die mitspielen wollten. Inzwischen waren beide Klassen vollzählig. Wir konnten losmarschieren. Bis zum Sägewerk war es nicht weit. Herr Poller wartete auf uns, er hatte alle Maschinen abgestellt. In einem Sägewerk, in dem die Gattersägen laufen, ist es laut und gefährlich. Wir bildeten einen Halbkreis um Hartmuts Vater, er erklärte uns zunächst, wie sich Bäume aussähen, im Wald wachsen und älter werden und wie man das Alter der Stämme an den Ringen im Holz erkennen und zählen könnte. Er sprach über hartes und weiches Holz. Er zeigte es uns an kleinen Musterbrettern, die im Büro hingen und erklärte uns die verschiedenen Holzarten und deren Farben. Er sagte von welchen Bäumen diese Hölzer jeweils waren. Wir erkannten die rötliche Farbe von Kirschbäumen und die helle Eiche, den dunklen Nussbaum und im Schwarzwald die Bretter von Tannen, Fichten und Kiefern. Herr Poller erzählte uns die Geschichte dieses Sägewerks. Es war eine etwa 100 m lange und ca. 40 m breite Halle, die 1905 in Fachwerkbauweise freitragend gebaut wurde. Die Halle hatte einen mit Ziegelsteinen gemauerten Keller auf dem das gemauerte Fundament stand. Das Fachwerk war freitragend auf das Fundament gebaut und von Innen sichtbar und von außen mit dicken Brettern beschichtet. Eine Isolierung gegen Wärme und Kälte war nur im Büro. Die Mitarbeiter arbeiteten im Sommer und Winter bei jedem Wetter mit nassem und glitschigem Holz oder auch bei großer Hitze im „schweiße ihres Angesichts“. Es gab noch keine Helme und weder Sicherheitskleidung noch Sicherheitsschuhe. Kleidung und Schuhe wurden nicht vom Arbeitgeber gestellt. Jeder Mitarbeiter hatte Arbeitskleidung, die er mitbrachte. Das Arbeiten mit großen Holzstämmen war gefährlich. Besonders schwierig war die Tätigkeit im Winter, wenn die Stämme mit Schnee und Eis bedeckt waren. Die Arbeiter froren im Winter, denn im Sägewerk lagen die Temperaturen oft unter dem Gefrierpunkt. Im Winter, kam es, wegen der glatten, gefrorenen Baumstämme häufig zu Unfällen. Das Büro konnte im Winter mit einem sogenannten Kanonenofen beheizt werden, dort konnten die Mitarbeiter vespern und sich aufwärmen. Im Sommer war die Tätigkeit ebenfalls gefährlich. Das Sägewerk lag an einer Hanglage zum Bach. Die Hanglage des Sägewerks war für das Abladen der Baumstämme günstig, denn ein Langholzfahrzeug konnte von der Straße aus die Stämme abladen und auf den Holzplatz rollen lassen. Auf dem Holzplatz lagen kleine, große und riesige Holzstämme. Der Holzplatz war etwa 200 m lang und 70 m breit, er lag an der „alten Straße“ die nicht geteert war. Im Sommer wirbelten Autos und Motorräder Staub auf.

      Der Erklärung und Erzählung von Herrn Poller hörten alle Schüler interessiert zu. Wir liefen im Gänsemarsch langsam durch das Sägewerk und schauten uns im Untergeschoss an, wie das Sägemehl, das durch die riesigen Gattersägen entstand und mit Holzrutschen in den sog. Sägemehlkeller fiel und dort lagerte. Es wurde von Bauern geholt, die es mit Stroh mischten und als Streu im Stall verwendeten. Dann marschierten wir wieder hoch zu den Sägen. Herr Poller erklärte und zeigte uns, wie die Sägeblätter verschoben werden können um dicke, oder dünne Bretter oder Balken zu sägen. Ich fragte ihn, ob er die kleine Gattersäge mal laufen lassen könne. Er ließ uns alle einen Eid schwören, dass wir uns nicht von der Stelle rühren würden, wenn das Gatter anlief und sagte: „Frau Kofer und Herrn Lohrer, so eine Säge ist sehr gefährlich.“ Frau Kofer sagte: „Stellt euch bitte im Halbkreis auf und fasst euch an den Händen, keiner darf sich bewegen und keiner lässt die Hand des anderen los.“ Herr Lohrer und Frau Kofer standen am Anfang und am Ende des Halbkreises, sie überblickten die Reihe der vielen Schüler. Herr Poller ging in seine Werkstatt und ließ die kleine Gattersäge anlaufen. Sie bewegte sich zunächst ganz langsam auf und ab. Linde stand neben mir und sagte: „Wie wenn sie vögle dät.“ Sie wurde immer schneller und schneller und immer lauter. Dabei wurde ein Stamm, dessen Ende auf einem Rollwägelchen befestigt war in das Gatter gezogen. Es wurde noch lauter, das Gatter raste rauf und runter, vorne war ein Baumstamm und hinten kamen fertige Bretter aus dem Gatter. Nach gewisser Länge wurde ein Rollwagen unter die Bretter geschoben, mit einem Riesenschraubstock wurden die Bretter zusammengepresst, deshalb konnten sie nicht rutschen. Am Ende des Gatters war der Stamm zu Brettern zersägt. Danach fuhren zwei Arbeiter den Rollwagen auf einen überdachten Platz und luden die Bretter des zersägten Baumstammes ab und schichteten sie auf. Zwischen jedes Brett legten Arbeiter vorne und hinten eine Holzleiste, damit die Bretter Luft zum trocknen bekamen. Als der dicke Stamm zersägt war stellte Herr Poller die Gattersäge ab, es kehrte Ruhe ein. Herr Poller zeigte uns im Büro das Modell eines Fachwerkhauses. Wir bewunderten das Schwarzwälder Bauernhaus dem das Gemäuer fehlte. Herr Poller lobte uns, weil wir ruhig stehenblieben und alle sich an ihr Versprechen hielten. Er holte zwei Krüge Apfelsaft aus dem Keller und sagte er hätte leider nicht so viele Gläser aber wenn wir mit vier Gläsern auskämen, könnten wir auf dem Holzplatz vespern.

      Angelika war von dem Schwarzwaldhaus begeistert und fragte: „Herr Poller wie baut man so ein Haus?“ Herr Poller fragte: „Kasch du gut rechne?“ Herr Lohrer, der daneben stand, sagte: „Angelika ist im Rechnen Klassenbeste.“ Herr Poller sagte: „Wenn du im Hartmut rechne beibrengsch no kann er dir so ein Haus mache, des Material schenk i euch.“ Angelika schaute Hartmut an und fragte: „Kannst du so was tolles bauen?“ Hartmut wurde rot und war sehr aufgeregt, er hätte sicher gestottert, deshalb nickte er. Er sah ernst und bedächtig aus. Angelika sagte: „Ich rechne mit dir, du wirst sehen, in einem halben Jahr hast du im Rechnen eine drei.“ Hartmut wollte eigentlich einen Satz sagen, es war zu schwierig für ihn, er antwortete deshalb nur: „I mach dir dann so a Haus.“ Er wusste, dass ihm sein Vater helfen würde. Als wir uns zum Vespern auf dem großen Holzplatz verteilten, sagte Herr Lohrer: „Es würde mich interessieren, wie viele Kinder wir in beiden Klassen sind, bitte zählt mal durch.“ Wir waren damals in unserer Klasse 39 und in Hartmuts Klasse 41 Schüler. Wir hatten uns auf einigen großen Holzstämmen verteilt. Herr Lohrer und Frau Kofer saßen auf einem Stamm uns gegenüber. Der Apfelsaft aus dem Steinkrug schmeckte hervorragend. Hartmut hatte sich zu uns gesetzt. Linde hatte ihr Vesper mit Landbutter und hausgemachter Leberwurst bestrichen und teilte es mit mir. Angelika kam zu uns und fragte: „Darf ich mich zu euch setzen.“ Hartmut und Angelika unterhielten sich, seine Aufregung hatte sich gelegt, er stotterte nicht mehr. Wir überlegten, ob wir uns am Samstag nach dem Mittagessen verabreden wollten um Eisenbahn zu spielen. Hartmut meinte es wäre am Samstagnachmittag günstig, weil sein Vater nicht arbeiten würde und das Sägewerk still stand. Angelika freute sich, dass sie bei den größeren Mädchen mitspielen durfte. Sie war, glaube ich, etwas älter als Hartmut, denn sie konnte während ihrer Flucht und im Lager nicht regelmäßig zur Schule gehen. Meine Mutter kannte Frau Kranski und sagte: „Die Familie ist evangelisch, ich glaube, ihr Vater ist vermisst oder in Gefangenschaft. Frau Kranski ist sehr nett, sie singt neben mir im Kirchenchor und unterstützt mich mit ihrer Altstimme. Ihre Kinder sind ebenfalls sehr nett und höflich. Angelika hat eine jüngere Schwester, die in die erste Klasse geht.“ Angelika war etwas größer als Hartmut und hatte kurze kastanienbraune Haare, sie hatte grünliche Augen die ernst

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