Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr

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Das Paradies ist zu Ende - Louis Lautr

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assistiere ich meinem Mann. Aber Rosanna, du weißt doch, dass du nicht so breit alemannisch reden sollst. Frau Kofer sagte, ich habe mir vorgenommen, dass die Kinder, ab dem fünften Schuljahr, im Unterricht und auch nachmittags im Förderunterricht, hochdeutsch sprechen. Herr Friedrich sagte, das finde ich gut, weil Kinder mit Alemannisch in andern Bundesländern benachteiligt sind. Rosanna war froh, dass ihre Eltern wegen des zerrissenen Kleids nicht schimpften. Sie freute sich, dass ihre Eltern von unserer Lehrerin so angetan waren und zu ihr sagten, Rosanna, du kannst dich glücklich schätzen, dass du eine gute und nette Lehrerin bekamst.

      Am Samstag sagte Frau Kofer: „Wir unterhalten uns heute über Demokratie, Parlamente, Regierung, unser deutsches Grundgesetz und Gewaltenteilung. Ihr seid noch jung, euretwegen wurde ich Lehrerin, meine lieben Schulkinder, ihr alle seid für unser Land wichtig. Achtet darauf, dass es keine Diktatur und keine Kriege mehr in Europa gibt. Lasst euch nie einreden, eure Nachbarn wären Feinde. In allen Ländern wohnen und leben Menschen, die niemals eure Feinde sind. Seid immer tolerant und verswucht sie zu verstehen, auch wenn sie anders denken und anders aussehen. In wenigen Jahren werdet ihr Parteien und Regierungen wählen. Möglicherweise wird jemand von euch Politiker. Wir besprachen zunächst die kommende Wahl des Bürgermeisters. Frau Kofer erklärte uns eindringlich wie wichtig es ist, unsere junge Demokratie zu schützen. Sie erzählte uns viele Beispiele über Staatsformen und Regierungen. Vor allem redete sie über freie Wahlen und Bürgerrechte. Heute werdet ihr alle zum ersten Mal wählen. Ihr wählt euren Klassensprecher, der eure Klasse vertritt. Unsere Lehrerin war sehr geschickt, denn es war vor der großen Pause. Sie wollte einige Vorschläge hören. Ich schlug Rosanna vor, eine Gruppe Jungs schlugen Erhard vor. Rosanna, Reinhild und Klaus schlugen mich vor. Ich schlug Klaus vor. Einige Mädchen schlugen Alma vor. Frau Kofer hatte alle Namen an die Tafel geschrieben. In der Pause redete ich zunächst mit den Mädchen und sagte: „Wir sollten unsere Stimmen nicht zu sehr verteilen, sonst hat am Ende der schreckliche Erhard die meisten Stimmen. Ich meine wir sollten Rosanna wählen. Ich habe nichts gegen Alma, aber wenn sich unsere Stimmen teilen, hat Erhard größere Chancen.“ Erhard stand mit seinen Anhängern abseits. Ich ging zu den andern Jungs und sagte: „Kommt doch zu uns, wir diskutieren gerade, wen wir wählen. Was meint ihr, können Jungs, die Erhard nicht wählen, sich auf einen anderen Jungen einigen, oder glaubt ihr, dass wir Jungs ein Mädchen wählen können? Dann schlage ich Rosanna vor, sie wäre eine gute Klassensprecherin, sie kann mit Erwachsenen gut reden, sie ist kein Duckmäuser und verteidigt uns auch gegen Lehrer. Erhard kann sich prügeln, aber er ist bei Lehrern ein Duckmäuser.“ Rosanna sagte: „Wenn ihr mich wählt, versuche ich gerecht zu sein. Wenn einer ein Problem hat, setze ich mich für ihn ein, ohne Unterschied zwischen Mädels und Jungs.“ Ich sagte: „Es wäre für unsere Klasse modern, wenn wir eine Klassensprecherin hätten. Wir alle wissen, dass Esther Kofer, die beste Lehrerin ist, die wir hatten. Wir sollten keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern machen. Den fürchterlichen Krieg hat Hitler begonnen, eine Frau hätte wahrscheinlich keinen Krieg angefangen, weil sie an die vielen Toten, Verwundeten, Flüchtlinge und an Städte, Häuser und Fabriken gedacht hätte, die der Krieg vernichtet. Ich denke, wir sollten Rosanna wählen.“

      Nach der großen Pause wurde eine Wahlurne in Form einer Schuhschachtel aufgestellt. Frau Kofer verteilte Zettel mit folgende Namen: Alma Herold, Erhard Stauch, Klaus Mohrmann, Louis Lautr, Rosanna Friedrich. Frau Kofer hatte 39 Zettel geschrieben und sagte: „Alle Stimmzettel sehen gleich aus. Die Namen habe ich in alphabetischer Reihenfolge geschrieben. Bei einer geheimen Wahl ist es wichtig, dass man nicht erkennt, wer wie abgestimmt hat. Jetzt kommt jeder den ich aufrufe hier her und streicht alle Namen, die er nicht wählt durch, dann darf nur ein gültiger Name auf dem Zettel stehen. Den Zettel wirft er dann in die Wahlurne. Frau Kofer stellte sich neben die Türe. An ihrem Pult konnte man Namen durchstreichen. Sie rief ebenfalls in alphabetischer Reihenfolge ihre Schüler und Schülerinnen auf. Als alle Stimmzettel in der Urne waren, nannte sie zwei Beisitzer, Lindtraud und Dieter, er war Erhards Freund. Frau Kofer schrieb die fünf Namen an die Tafel und bat Lindtraud hinter jeden Namen, den sie lesen würde einen Strich zu machen. Frau Kofer sortierte die Stimmzettel und zählte sie mit den Beisitzern gemeinsam, es waren 39 Stimmzettel. Dieter reichte den Zettel an Frau Kofer. Sie las den Namen vor, der nicht gestrichen war. Ein Stimmzettel war durchgestrichen und wurde als ungültige Stimme bewertet. Am Schluss zählte Lindtraud die Striche und schrieb die Zahl dahinter, Frau Kofer zählte nach und Dieter rechnete die Gesamtzahl der Stimmen aus. Es waren 38 gültige Stimmen. Frau Kofer sagte: „Auf Rosanna entfielen 27 gültige Stimmen. Ich gratuliere dir, du hast eine verantwortungsvolle Aufgabe. Du bist Klassensprecherin und Streitschlichterin. Dich hat eine beeindruckende Mehrheit gewählt.“ Wie sich die andern Stimmen verteilten weiß ich nicht mehr. Frau Kofer fragte uns ob wir einen Stellvertreter wollten. Wir wollten keinen. Es war die erste geheime Wahl, an der ich teilnahm. Unsere Klasse war an unsrer Schule die erste, die ein Mädchen als Klassensprecherin wählte. Unsere Lehrerin war begeistert und sagte: „Ihr seid eine tolle Klasse. Ich denke, ihr könnt es noch erleben, dass wir eines Tages in Deutschland eine Bundeskanzlerin wählen. Eure Klasse ist der Zeit voraus. Bleibt neugierig und informiert euch, seid immer kritische Bürger.“ -Esther Kofer hatte recht, wir waren unserer Zeit 55 Jahre voraus, denn erst im Jahre 2005 wählten Deutschlands Bürger eine Bundeskanzlerin. Im Jahr 1950 bestand unser Parlament fast nur aus Männern. Ministerinnen gab es nicht. Adenauer regierte unser Land von 1949 bis 1963. Weder in Länderparlamenten, noch beim Bundesverfassungsgericht gab es Frauen.- Nach der Schule fragte Reinhild: „Darf ich mit Rosanna heute Nachmittag mit Hartmut und dir auf dem Holzplatz Eisenbahn spielen?“ Ich sagte: „Wenn Hartmuts Vater, keine Stämme bekam, können wir auf dem Holzplatz spielen, wenn ein Langholzfahrzeug Stämme gebracht hat, ist es zu gefährlich.“ Wir schauten unsere Hausaufgaben an und überlegten, dass wir gegen halb drei fertig wären und verabredeten uns. Ich fragte Hartmut, er freute sich. Als Rosanna und Reinhild kamen, stotterte Hartmut zunächst. Ich sagte den Mädels: „Wenn ihr so tut als wäre nichts dabei, dann verliert er sein Stottern, wenn ihn jemand darauf anspricht, stottert er noch mehr. Es war ein schöner Nachmittag, wir hatten mit den Rollwägelchen viel Spaß. Als Hartmut nicht mehr stotterte erklärte er den Mädchen das Sägewerk und war stolz darauf. Es hatte schon 1952 eine Gattersäge, die mit Wasserkraft und einer Turbine arbeitete. Das Wasser für die Gattersäge wurde durch einen Kanal vom nahen Bach abgeleitet. Die große Gattersäge lief mit einem Dieselmotor. Sie war leistungsfähiger und schneller. Die großen Stämme wurden mit dem Gatter, das vom Dieselmotor angetrieben wurde, verarbeitet. Wir schauten immer erstaunt zu, wie die Baumstämme zu Balken oder Bretter verarbeitet wurden. Die Mädels meinten, wir könnten Linde fragen. Wir fragten Frau Kofer, wann sie nach Hornfleeg fahren würde. Sie überlegte und sagte, wahrscheinlich gegen Abend. Linde fragte, ob sie bis zur Weggabelung mitfahren könne, weil sie gerne mit uns, beim Sägewerk von Hartmuts Vater, mit uns Eisenbahn spielen würde. Frau Kofer sagte: „Ich hole dich ab.“ Linde kam mit mir und aß bei uns zu Mittag. Als wir unsere Hausaufgaben fertig hatten, spielten wir Eisenbahn mit den Rollwägelchen. Hartmut und ich waren Lockführer und schoben die Wägelchen. Nach zwei Stunden waren wir ziemlich verschwitzt. Wir waren überrascht, als beim Sägewerk der Renault von Frau Kofer schon um halb vier hielt. Sie besuchte uns, sprach mit Hartmuts Vater und fragte: „Herr Poller, ich würde gerne mit meiner Klasse einen Lehrgang zu ihrem Sägewerk machen, um den Schülern ein Sägewerk zu erklären.“ Ich bemerkte, wie der Vater meines Freundes, stolz auf den Betrieb war. Er galt im Dorf als Schürzenjäger, ich sah, dass ihm unserer Lehrerin gefiel. Er sagte: „Am Samstag ist ein günstiger Tag, weil alle meine Arbeiter vormittags arbeiten, habe ich Zeit, den Kindern das Sägewerk zu zeigen und zu erklären. Es gehört allerdings meiner Schwägerin, ich werde sie informieren, sie hat sicher nichts dagegen.“ Hartmut war traurig, weil er nicht dabei sein konnte. Unsere nette Lehrerin fragte Hartmut, ob er in Herrn Lohrers Klasse ging. Als es Hartmut bejahte, sagte sie: „Ich frage Herrn Lohrer, ob er sich mit seiner Klasse unserem Lehrgang anschließt.“ Hartmut stotterte ein wenig und meinte: „Des dät mi so freue, wenn unser Klasse au mitgingt.“ Herr Poller zeigte unserer Lehrerin das Sägewerk und erklärte ihr wie die Gatter arbeiteten und wie die Sägen auf verschiedene Breiten eingestellt werden konnten. Frau Poller kam hinzu, es hieß damals, sie wäre sehr eifersüchtig, wahrscheinlich war es ihr nicht geheuer, dass ihr Mann mit unserer gutaussehenden Lehrerin durchs Sägewerk ging. Ich fand Frau Poller in ihrer Art sehr nett,

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