Das Geheimnis des Gedenksteins. Hans Nordländer

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Das Geheimnis des Gedenksteins - Hans Nordländer

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einem weiteren Journalisten, aus dem Nachbarbüro, während er durch den Flur ging, auf seinem Weg ins Allerheiligste der Redaktion, den Räumen des Chefs. Die Bemerkung war natürlich ein ironischer Hinweis auf seinen Nachnamen und nicht auf die Wirkung seiner Anwesenheit in der Zeitung. Das Attribut war nicht ernst gemeint. In Wirklichkeit war Carlo Wichmann einen halben Kopf größer und deutlich schmächtiger als Theo. Aber in der Redaktion ging es manchmal sehr übermütig zu.

      „Später Carlo. Hab´ jetzt keine Zeit.“

      Theo und Cornelia sahen sich im Laufe des Tages noch einige Male, aber sie erzählte ihm nichts von ihrer denkwürdigen Begegnung am Morgen. Sie wollte es ihm zwar sagen, aber erst, wenn sie Feierabend hatten und wieder zu Hause waren. Es war nichts für die Ohren der Kollegen, die allzu leicht ihre eigenen, falschen Schlüsse ziehen würden. Zu diesem Zeitpunkt brachte Cornelia ihre Begegnung auch noch nicht mit den Ereignissen in Weidlingen in Verbindung. Immerhin war sie aber bereit, sie in die Serie der merkwürdigen Begebenheiten einzureihen, die ihr in letzter Zeit zuteil geworden waren. Auch wenn sie sich nichts mehr anmerken ließ, beschäftigte sie das alles doch ständig, und sie ertappte sich einige Male, wie sie gedankenverloren aus dem Fenster blickte, ohne draußen etwas wahrzunehmen. Auch Silke fiel die gelegentliche geistige Abwesenheit ihrer Kollegin auf, vermied aber jeden Kommentar, den Cornelia falsch verstehen konnte, und fragte auch sonst nicht nach ihrem Befinden. Cornelia konnte gelegentlich ziemlich launenhaft reagieren. Es war unübersehbar, dass sie irgendetwas beschäftigte, aber Silke hatte beschlossen, darauf zu warten, dass Cornelia von sich aus damit anfing. Bis zum Feierabend wartete sie jedoch vergebens, obwohl sie vor Neugier fast platzte.

      „Trug er eine Axt bei sich?“, fragte Theo.

      „Eine Axt? Warum gerade eine Axt?“, wunderte sich Cornelia.

      „Weil so, wie du ihn mir beschrieben hast, ein Holzfäller aussehen könnte.“

      „Mitten in Hannover und ohne Kettensäge“, erwiderte Cornelia trocken. „Ganz sicher.“

      „Ich meine ja nur. Aber die Beschreibung passt eher auf einen Holzfäller aus vergangenen Zeiten.“

      Das war eine Ansicht, die Cornelia nicht unbedingt teilte, und sie wusste auch nicht, wie Theo darauf kam.

      „Ja, der Gedanke ist mir natürlich sofort gekommen“, meinte sie spitz. „Der einzige Holzfäller, den ich kenne, ohne ihn allerdings jemals gesehen zu haben, und auf den die Beschreibung vielleicht passen würde, wurde dummerweise im achtzehnten Jahrhundert erschlagen, und an ihn erinnert nur noch ein gewisser Gedenkstein. Er wird es also kaum gewesen sein.“

      „Spotte nicht“, meinte Theo mit mildem Tadel. „Woher soll ich das wissen?“

      Cornelia blickte Theo kurz verwirrt an und fragte sich, wie er das jetzt gemeint hatte. Aber dann lachten beide.

      Der Gedanke, dass sie sich vielleicht irrten, kam ihnen gar nicht erst, denn er wäre zu ungeheuerlich gewesen, als dass sie ihn hätten akzeptieren können.

      Schon beim Abendessen hatte es Cornelia nicht mehr ausgehalten und ihrem Freund von ihrem Erlebnis am Morgen dieses Tages erzählt. Für ihn war es eine ganz gewöhnliche Begegnung mit einem Stadtstreicher, die Cornelia vielleicht nur falsch eingeschätzt hatte. Der Mann und die Frau, die behauptet hatten, ihn nicht gesehen zu haben, waren entweder ziemlich blind gewesen, oder so in ihr Gespräch vertieft, dass der Stadtstreicher ihnen tatsächlich nicht aufgefallen war. So etwas war Theo auch schon passiert. Außerdem war es ein kühler, feuchter Morgen gewesen, da konnte man schon einmal einen Schauer in einem kühlen Windstoß empfinden. Der Körpergeruch? Na ja, dann war seine Körperpflege eben gründlicher, als seine Erscheinung vermuten ließ. Und schließlich hatte seine Freundin wohl doch zu viel Zeit vertrödelt, um ihn noch einzuholen.

      „Eigentlich“, meinte Theo, „war es eine ganz normale Begegnung, finde ich.“

      Cornelia widersprach nicht so energisch, wie er erwartet hatte. Vielleicht hatte Theo ja Recht, obwohl er nicht wissen konnte, wie sie in jenem Moment empfand. Aber sie konnte nach seinen Erklärungsversuchen tatsächlich nur noch die seltsame Kleidung des Mannes als Grund für ihre Behauptung anführen, dass die Begegnung mit ihm so seltsam war. Und selbst die war vielleicht nur eine Marotte dieses Mannes.

      Cornelia seufzte.

      „Ja, vielleicht messe ich der Angelegenheit tatsächlich zu viel Bedeutung bei“, meinte sie.

      „Das ist in deiner derzeitigen Situation ganz normal“, sagte Theo verständnisvoll. „Aber du wirst sehen, in ein paar Tagen ist wieder alles in Ordnung.“

      „Meinst du? Na ja, kann schon sein.“

      Theos Worte sollten zwar verständnisvoll klingen, aber ein, vielleicht ungewollter, mitleidig-spöttischer Unterton war nicht zu überhören. Und der hätte bei Cornelia gewiss zu einer trotzigen Reaktion geführt, wenn sie nicht zu nachdenklich gewesen wäre, um ihn zu bemerken.

      Als einige Zeit später das Licht in der Wohnung von Theo und Cornelia ausging, stand unten auf der Straße im Schatten eines Baumes die Gestalt eines Mannes mit einem auffallend breitkrempigen Hut und starrte für einige Zeit hinauf zu ihren Fenstern. Das Licht der Straßenlaterne ließ kaum seine ärmliche Bekleidung erkennen. Dann drehte er sich um und verschwand humpelnd in der Dunkelheit. Niemand, der in diesem Augenblick auf dem Gehweg entlanggekommen wäre, hätte den Fußgänger sehen können.

      Mitten in der Nacht rüttelte etwas an Theos Schulter. Nur widerwillig wachte er auf und knurrte unverständlich.

      „Pst, leise!“, hörte er das beschwörende Flüstern von Cornelia.

      „Was ist denn los?“

      „Sie ist wieder da. Da, neben dem Fenster.“

      Theo drehte sich auf den Rücken und richtete sich auf.

      „Wer ist da?“

      „Na das Mädchen in dem weißen Kleid. Und es schaut uns an.“

      Erst jetzt bemerkte er die Furcht in der Stimme Cornelias. Theo starrte in die Dunkelheit und versuchte etwas zu erkennen. Nur schwach schien das Licht der nächsten Straßenlaterne durch die zugezogenen Gardinen. Es musste tiefe Nacht sein, denn auf der Straße herrschte absolute Stille. Er konnte in ihrem Zimmer niemanden entdecken.

      „Was macht sie?“, fragte er leise.

      „Nichts. Sie steht nur da und guckt.“

      Theo wollte Cornelia schon dazu auffordern, dem Mädchen zu sagen, dass es sie schlafen lassen sollte, und sich wieder umdrehen, als ihm an eben jener Stelle ein ungewöhnlicher, heller Schleier auffiel, der sich leicht bewegte und hin- und herwaberte. Jetzt lief ihm ein Schauer über den Rücken. Cornelia spürte, wie er sich spannte.

      „Siehst du sie jetzt?“, fragte sie.

      „Ich sehe nur einen Schleier oder einen Nebel, der sich schwach bewegt. Was zum Henker ist das?“

      Cornelia gab keine Antwort. Stattdessen starrte sie reglos auf die Stelle. Was Theo nicht sehen konnte, weil sich der Nebel für ihn nicht veränderte, war die Tatsache, dass die Erscheinung, die vorher nur undeutlich von Cornelia beobachtet werden konnte, plötzlich klar und in Einzelheiten erkennbar wurde, obwohl sie nicht von der Stelle wich. Die Gestalt des Mädchens zeigte sich genauso, wie sie Cornelia in ihrem Blockhaus erschienen war. Doch jetzt stand das Mädchen einige Schritte

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