Das Geheimnis des Gedenksteins. Hans Nordländer
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Читать онлайн книгу Das Geheimnis des Gedenksteins - Hans Nordländer страница 14
„Was sollen wir machen?“, erwiderte Cornelia. „Carlo, gib mir die Ordner. Ich muss da noch etwas recherchieren. Und das hat nichts hiermit zu tun.“
Cornelia entwand sich den schützenden Armen ihres Freundes und ging wieder in ihr Büro. Zurück blieben ihre ratlosen Kollegen, von denen nur Theo zu diesem Zeitpunkt etwas Erhellendes hätte sagen können, es aber unterließ. Er wusste auch nicht mehr, als Cornelia gesagt hatte, nicht nur bei dieser Gelegenheit. Doch was er glaubte, stand im Gegensatz zu ihrer Überzeugung. Alles zusammen hätte in der Redaktion nur für noch mehr Verwirrung gesorgt – und vielleicht für Ärger mit Cornelia.
Theo glaubte nicht einmal, dass er die beiden, von denen ihm Cornelia schon ein paar Mal erzählt hatte, überhaupt gesehen hätte, höchstens nur wieder diese merkwürdigen Nebel. Für eine neuerliche Gänsehaut bei ihm hätte es aber wohl auf jeden Fall gereicht. Vielleicht, so unwahrscheinlich es auch war, handelte es sich doch um Geister, und vielleicht versuchten sie ihnen tatsächlich etwas mitzuteilen, wie Cornelia vermutete. Aber weder Geister noch deren Mitteilungen passten in die Redaktion des Hannoverschen Stadtkuriers. Außerdem war es ein denkbar ungeeigneter Ort für Übermittlungen aus dem Jenseits. Theo schüttelte den Kopf, als er an seinen Schreibtisch zurückkehrte. Was für hirnrissige Gedanken. Andererseits, wenn es nicht mehr war, als Cornelia zugegeben hatte, dann hatte sie grundlos überreagiert. Das wiederum wäre ein Grund zur Besorgnis gewesen. Es dauerte eine Weile, bis sich Theo wieder auf seine Arbeit konzentrieren konnte.
Cornelia hatte tatsächlich nicht die ganze Wahrheit gesagt, und sie hatte nicht überreagiert, wie Theo befürchtete. Sie hatte mehr gesehen und vor allem gespürt. Aber es verbot sich von selbst, darüber unter den Kollegen zu sprechen. Dafür gab es verschiedene Gründe. Wahrscheinlich war es jetzt schon so weit, dass sich manch einer über ihren plötzlichen Gemütsausbruch Gedanken machte. Am Ende wurde sie noch für hysterisch gehalten. So etwas geschah schnell und man, besser Frau, wurde einen solchen Ruf nur schwer wieder los. Sie nahm sich vor, auf ihrer Arbeit kein Wort mehr darüber zu verlieren, um den angerichteten Schaden für sich nicht noch mehr zu vergrößern. Am Abend musste sie aber mit Theo darüber reden, damit er sich nicht noch sorgenvollere Gedanken über ihren geistigen Zustand machte. Dass er es bereits tat, war ihr nicht entgangen, und wie er es tat, ärgerte sie. Und dann war sie plötzlich gar nicht mehr sicher, ob sie mit ihm darüber sprechen wollte. Eine solche Unsicherheit war ihr bis dahin fremd gewesen, und es war ein erstes Anzeichen dafür, dass ihr die Sache mehr zu schaffen machte, als sie sich eingestand. Aber ganz sicher war sie nicht schizophren.
Cornelia wartete, bis sie nach Feierabend wieder zu Hause waren. Ihre Zweifel waren noch nicht beseitigt, ja, sie waren sogar gewachsen.
Vorher waren sie noch in der Stadt, um ein paar Dinge einzukaufen – für sie, nicht für Theo, aber er war ihr geduldig gefolgt. Während dieser Zeit war der Vorfall in der Redaktion jedoch kein Gegenstand ihrer Unterhaltung gewesen. Theo wollte Cornelia Zeit geben, von sich aus darüber zu sprechen. Er war sicher, dass sie es tun würde, und wunderte sich, dass ihr Abendessen vorüberging, ohne dass sie darüber auch nur ein Wort verlor. Hätte er sie gefragt, warum sie dazu so hartnäckig schwieg, hätte sie ihm nur geantwortet, dass sie sich noch über etwas klar werden musste. Aber das stimmte nicht. Sie hätte keinen glaubwürdigen Grund nennen können. Cornelias Zögern war nur mit ihren beiden unterschiedlichen Meinungen über den Ursprung und dem Sinn dieser Erscheinungen zu erklären. Irgendwann konnte Theo mit seiner Neugierde dann nicht mehr hinter dem Berg halten.
„Sagst du mir, was wirklich im Flur passiert ist?“, fragte Theo, als er mit Cornelia in der Stube saß.
Sie sah ihn fragend an, als wüsste sie nicht, was er meinte.
„Dein Entsetzen“, erklärte er. „Ich habe mich gewundert, warum du so heftig auf die Begegnung mit dem Mädchen und dem alten Mann reagiert hast. Als sie in unserem Schlafzimmer aufgetaucht sind, hatten wir zwar Angst, aber du warst nicht so – fassungslos.“
„Ja, es stimmt. Da war noch etwas“, gab sie schließlich zu. Die Erinnerung ließ Cornelia für einen kurzen Augenblick zittern, und ihr Gesicht zeigte eine vorübergehende Blässe. Aber sie erklärte mit keinem Wort, warum sie bis dahin gezögert hatte, selbst davon zu sprechen.
„War es so heftig?“
Cornelia nickte.
Das also war wohl der Grund für ihr Schweigen, dachte Theo.
„Als ich auf den Flur trat, spürte ich sofort, dass sich dort etwas Furchtbares aufhielt. Zuerst wurde das Mädchen sichtbar. Es stand vor der Glastür, als wäre es soeben eingetreten, und ich wollte auf sie zugehen.“
„Glaubst du, sie war der Grund für deine Befürchtung? Und wenn es so war, warum hast du dich denn nicht von ihr ferngehalten?“
„Nein, sie war nicht der Grund. Ich bin sicher, dass wir uns vor der Kleinen nicht fürchten müssen. Ich glaubte, dass sich der Schrecken nur an sie geheftet hatte, aber er war nicht stark genug, um mich von ihr fernzuhalten. Ich wollte wissen, was sie dort wollte. Ich dachte, dieses Mal war sie durch die Tür gekommen wie ein gewöhnlicher Mensch. Wie sie dort aufgetaucht ist, habe ich nicht gesehen. Vielleicht war die Gelegenheit günstig, mit ihr zu reden. Doch dann schob sich dieser furchtbare Schatten zwischen uns. Du weißt schon, der, der mir auch schon in Weidlingen das Grauen in die Glieder gejagt hat. Er fiel förmlich aus der Decke und blieb zwischen mir und dem Mädchen liegen. Ich empfand diesen Augenblick als noch furchtbarer als die erste Begegnung mit ihm. Es war wohl kaum zu überhören. Und dann ging alles ganz schnell. Neben dem Mädchen tauchte plötzlich wie geisterhaft der alte Mann auf und stellte sich ihr schützend, wie ich meine, zur Seite. Zuerst wiegte sich der Schatten unschlüssig hin und her, dann verschwand er – einfach so. Nur die beiden blieben noch einen Atemzug lang stehen, bevor sie sich ebenfalls auflösten. Natürlich sind sie nicht durch die Tür auf die Straße gegangen, wie ich behauptet habe.“
„Ich glaube, das war auch besser so, ich meine, dass du nicht davon gesprochen hast, wie sie sich einfach in Luft aufgelöst haben.“
„Ja. Und es ging wirklich alles sehr schnell, denn erst, nachdem der Spuk vorbei war, kamt ihr aus euren Büros.“
„Spuk?“, vergewisserte sich Theo.
„Wie würdest du es denn sonst nennen?“
„Tja, ich, also-.“
„Nun komm. Wir haben uns oft genug darüber unterhalten. Außerdem bist du selbst schon in den zweifelhaften Genuss der Wirkung ihrer psychischen Kräfte gekommen, auch wenn du nichts gesehen hast.“
„Du sprichst wie eine Esoterikerin?“
Theos Stimme klang ungewohnt besorgt.
„Ach, Quatsch. Aber es war doch so, oder?“
„Ich gebe zu, es war schon sonderbar. Aber es als Spuk zu bezeichnen, ich weiß nicht.“
„Das sagst du nur, weil du nicht daran glaubst. Es gibt keine Geister, also gibt es auch keinen Spuk. Ja, vielleicht, aber in unserem Fall machst du dir die Sache zu einfach, finde ich.“
„Vielleicht ist sie einfacher zu erklären, als du glaubst?“
„Dann erkläre sie mir doch, bitte.“
Cornelia begann sich in Rage zu reden. Jetzt war Vorsicht geboten. Sie konnte in ihrer Erregung ziemlich heftig werden, und für Theo war es jedes Mal eine sehr