Bodos zornige Seele. Kurt Pachl

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Bodos zornige Seele - Kurt Pachl

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habe Familie«, wimmerte Sam.

      Im Raum entstand Stille. Die Geräusche von Venice wehten durch ein halb­offenes Fenster herein.

      Ole bewegte sich nun auf Bodo zu. Dabei musste er am Schreibtisch von Montfort vorbei. Dieser hielt seine beiden Hände noch in Brusthöhe. Mit blei­chem Gesicht sah er nun, dass Ole fast an ihm vorbeiflog. Mitten in diesen drei großen Sätzen hatte dieser plötzlich etwas in der Hand. Und dieses Etwas fühlte Montfort nun um seinen Hals. Der Graumelierte sackte in die Knie, und versuchte vergeblich mit beiden Händen unter die Schlinge der Garrotte zu greifen. Seine Augen waren vor Schmerz und Angst weit aufgerissen. Seine Zunge rutschte aus dem Mund.

      Nuncio zog anerkennend die Augenbrauen hoch. Umberto schaute inte­ressiert. Bodo verzog keine Miene, während Bradly unwillkürlich an seinen Hals griff. Er wusste inzwischen, wie sich eine Garrotte anfühlte.

      Der junge Beamte war im Begriff, vor Entsetzen zu schreien. Doch Nuncios Klinge war schneller. Die beiden Beamten der Küstenwache starben gleich­zeitig.

      Während das Team Bradly und Nuncio sowie Paco und Umberto die beiden Leichen in die rote Folie wickelten, verstaute Ole die Garotte in eine kleine mitgebrachte Plastiktüte, die er dann in seiner Gesäßtasche verschwinden ließ. Anschließend sah er sich zusammen mit Bodo prüfend im Raum um. Es durften keine Spuren zurückbleiben. Alle Aktivisten waren angewiesen worden, keine Gegenstände zu berühren. Ole nickte schließlich zufrieden.

      Bradly und Paco warfen die roten Plastikbündel über ihre Schultern. Bradly hatte sich beim Hinausgehen eine gelbgrüne Schirmmütze mit dem Konzern­logo geschnappt, und zog diese tief ins Gesicht. In Venice kannten ihn viele Fischer. Aber heute war ihnen nicht nach einem Plausch zumute.

      Bodo, Nuncio, Umberto und Tajo gingen voraus und bahnten sich einen Weg. Bradly und Paco wurden mit ihren Paketen in die Mitte genommen. Julio und Ole bildeten die Nachhut. Ole hatte inzwischen seine Handschuhe abgestreift und eingesteckt. Mit raschen Bewegungen hatte er zuvor ein kleines Stückchen Tuch aus seiner Jackentasche gezogen, um damit die innere und äußere Türklinke abzuwischen.

      Stoisch, den Blick nach unten gerichtet, stapfte die seltsame Kolonne ruhig zur Yacht zurück. Es war äußerst unwahrscheinlich, dass sich später jemand an die acht Männer erinnern würde. Dass man gegenwärtig rote Schwimm­barrieren geschultert hatte, war eine alltägliche Szene.

      Nach zehn Minuten waren sie auf der Yacht. Kurz hinter Venice in Richtung der East Bay blickte Bradly vom Steuerrad auf.

      »Das Mississippi-Delta bringt uns kein Glück. Lass uns am Sonntag zu den Breton Islands fahren - zu deiner Insel. Auch dort braucht man unsere Hilfe. Denke an die vielen Braunen Pelikane. Was hältst du davon, wenn wir dort kurz vorbeifahren? Es ist ja kein Umweg.«

      Bodo nickte. »Gute Idee. Einverstanden.«

      Zwei Stunden später ging Bradly an der gleichen Stelle vor Anker, an der sie vor einigen Tagen übernachtet hatten. Unterwegs hatten sie sich auf offener See der beiden Bündel entledigt.

      Am Freitag hatte sich der Wind gedreht. Stürme peitschten auf das Land zu. Die viele hundert Kilometer langen Ölsperren tanzten auf den Wasserkronen. Der Ölteppich schwappte über die Sperren und über die Boote mit tausenden von Fischern und Helfern hinweg. Es war unerheblich geworden, dass man es nicht geschafft hatte, über tausende von Kilometer keine Ölsperren auszubringen. Die Nationalgarde errichtete mit einer großen Anzahl Bagger riesige Dämme. Sandwaschanlagen versuchten, den Sand aufwändig zu reinigen; 50 Tonnen verölter Sand pro Stunde. Die Wasserläufe, Inseln und Marschen dahinter wurden hermetisch abgeriegelt; vorläufig zur absoluten Sperrzone erklärt. Auf die Chandeleur Inseln mit den Breton Island National Wildlife Refuge dahinter arbeitete die wütende See in wenigen Stunden einen Ölteppich heran: 202 x 112 Kilometer zähflüssige, stinkende Brühe. Und die See brüllte immer lauter und bedrohlicher.

      Als sich am Tag darauf der Sturm gelegt hatte, versuchte die Küstenwache mit fünfzehn sogenannten kontrollierten Bränden, das Öl an der Oberfläche abzufackeln. Die Rauchsäulen waren hundert Kilometer weit zu sehen. Fieberhaft versprühten die Lockheeds ununterbrochen Corexit; über zehn Millionen Liter. Sie nahmen keine Rücksicht darauf, dass 275 Schiffe mit Helfern Öl abschöpften. Tage später machten die Hubschrauber der Fernsehstationen 5 300 Schiffe und Boote aus, von denen entweder Öl abgeschöpft wurde oder man hastig versuchte, Ölbarrieren auf eine Länge von weiteren 3 000 Kilome­tern auszulegen. An den Stränden und später auf den Inselchen und in den Mar­schen sollten nun über 40 000 Helfer so rasch wie irgend möglich die Ölrückstände beseitigen. Sie waren zum Teil aus dem Landesinneren heran­gekarrt worden; Junge, Alte, Arbeitslose, Studenten. Sie stopften die großen Ölklumpen in große, weiße Plastiksäcke, walzten unkontrolliert durch die Marschen, und steckten alles, was eine braune oder dunkle Farbe hatte, in diese Säcke. In vielen Säcken war noch deutliches Leben zu erkennen – doch nicht mehr lange.

      Spezialisten achteten darauf, dass keine Film- und Fotoaufnahmen gemacht wurden. Helfer von Umweltorganisationen wurden vor allem durch die Küstenwache, aber auch dem US Fish- und Wildlife Service, daran gehindert, sich langsam und überlegt in die sensiblen Gebiete vorzuarbeiten. Es war Brutzeit, und Millionen von Wasservögel brüteten gerade. Bodo war zornig auf Ronald, den Chef des Wild- und Wildlife-Service. Er kam aus Greetsiel in Deutschland. Er hatte nicht den Mumm, sich gegen die Ölmafia und deren Helfershelfer durchzusetzen. Aber - was sollte letztlich ein Einzelner gegen diesen Sumpf ausrichten, der sich im Laufe von Jahrzehnten wie ein bösartiges Krebsgeschwür ausgebreitet hatte? Wer nicht mit uns ist, der ist gegen uns. Diesen Satz kannte Bodo zur Genüge. Dem Innenministerium war auch die wichtige Rohstoffbehörde MMS, der Mineral Management Service, unterstellt. Sie vergaben Lizenzen an die großen Ölkonzerne. Ihre Aufgabe sollte es sein, wichtige Vorschriften zu erarbeiten - und diese letztlich zu überwachen.

      Das Deepwater-Desaster brachte Wochen und Monate später einen Sumpf an Bestechung, Korruption und Dekadenz ans Licht, der jegliches Vorstellungsvermögen sprengte.

      Der Vorstandsvorsitzende des englischen Ölkonzerns hatte die Aktienkurse in schwindelerregende Höhen getrieben. Die wichtigen Mitarbeiter der MMS ließen sich über Jahre bestechen, und schauten über die laxen Vorgaben und Einhaltungen von Sicherheitsbestimmungen des Konzerns hinweg. Oder sie halfen sogar dabei, bestehende Vorschriften zu umgehen. Sie vereinnahmten die wichtigsten Beamten der Küstenwache und anderer Organisationen. Es war nur eine Frage der Zeit, wann diese Bombe hochgehen musste.

      Die Leiterin der MMS trat zurück, und übernahm alle Schuld der Vorgänger. Der Vorstands­vorsitzende des englischen Ölkonzerns ließ sich seinen Rücktritt mit einer millionenschweren Abfindung und einem lebenslangen jährlichen Pensions­anspruch von 600 000 Dollar pro Jahr versüßen. Bereits ein Jahr später gründete er mit einem türkischen Milliardär ein Unternehmen, um im Norden des Irak Öl zu fördern. Einen zweiten Job erhielt er als Chairman eines Schweizer Rohstoff­riesen; mit einer jährlichen Vergütung von einer Million Dollar; wie der SPIEGEL berichtete. Und nebenher engagierte er sich als Experte und Berater für eine US-Finanzfirma. Im Golf von Mexiko hinterließ er einen Scherben­haufen. Allein die Fischerei in dieser Region hatte einen vorläufigen Schaden von 2,5 Milliarden Dollar. Der Tourismus-Bereich verzeichnete ein Minus von über 3,0 Milliarden Dollar, und Ende 2010 rechnete man damit, dass bis zu 100 000 Arbeitsplätze verloren gegangen waren oder noch würden.

      Dieses Desaster war so gigantisch, dass der kurz-, mittel- und langfristige Verlust für die Schöpfung fast völlig ins Hintertreffen geriet. Wie hätte man auch den Verlust von vielen Delfinen, Millionen Vögeln und Billionen von Lebewesen im Golf von Mexiko beziffern und bewerten können? Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Wer misst und wer bewertet alle übrigen Lebewesen?

      Drei Monate vor seinem Rücktritt sagte der

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