Bodos zornige Seele. Kurt Pachl

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Bodos zornige Seele - Kurt Pachl

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Korallen und Pflanzen - wird in zum Teil wenigen Jahrzehnten vernichtet … für immer … für ewige Zeiten … unwiederbringlich. Wenn es einen Gott, einen Schöpfer, gibt … und den gibt es! … muss er die Seelen dieser Untiere dereinst abweisen. Sie sollen, nein sie müssen, in der Hölle schmoren - für immerdar, bis in alle Ewigkeit.«

      Bodo hatte sich in seine Ansprache hineingesteigert. Einige Worte schossen wie Pfeile aus ihm heraus; laut und akzentuiert. Es gönnte sich keine Pause, in der er sich seine Schweißtropfen von der Stirn hätte wischen können. Die Tropfen rannen über seine Nase, über seine Wangen und seinen Hals. Er stieß erkennbar an die Grenze seiner Kraft.

      Die nachfolgenden Sätze fielen deshalb leiser und weniger emotionsgeladen aus.

      »Gerade hier, in diesem dekadenten Land, rennen unzählige Menschen irgendwelchen pseudoreligiösen Heilsbringern hinterher. Sie glauben daran, dass Gott diese herrliche Schöpfung in wenigen Wochen erschaffen hat. Die meisten von diesen Menschen sind Pharisäer und verlogene Individuen. Wenn sie wirklich an Gott und wirklich an einen Schöpfer glauben - und wenn sie wirklich Angst vor dem Jüngsten Gericht haben - wie ist es dann zu verstehen, dass sie nicht innehalten? Das kleine Häuschen mit den großen Schulden ist ihnen wichtig! Das große Auto mit dem hohen Spritverbrauch ist ihnen wichtig! Die Wolkenkratzer und die hellerleuchteten Häusermeere sind ihnen wichtig! Luxus ist ihnen wichtig! Sie wollen viel Fleisch auf ihren Tellern haben. Immer mehr. Sie fragen nicht nach den unsäglichen Qualen, die damit einhergehen. Sie haben einen unstillbaren Energiehunger. Sie wissen sehr genau, wie viele Kriege nur deswegen geführt wurden - und weiterhin geführt werden. Unsere Welt ist heute gläsern. Niemand kann und darf sagen: Das habe ich so nicht gewusst. Richtig ist, dass die meisten dieser Wesen kein Gefühl mehr haben; für ihre Mitmenschen, für die Zukunft und letztlich für die Schöpfung.

      Natürlich gibt es Ausnahmen, wenige Ausnahmen - Gott sei Dank.«

      Erst jetzt machte Bodo eine Verschnaufpause. Er kramte nach einem Taschentuch und stellte fest, dass dieses sofort durchnässt war. Stille herrschte im Raum. Es hatte den Anschein, dass es niemand wagte zu atmen. Keiner räusperte sich. Keiner griff nach seinem Glas, um seine trocken gewordene Kehle zu befeuchten.

      »Gehet hin und mehret euch und macht euch die Erde untertan.«

      Bodo schüttelte mit dem Kopf und verzog verächtlich den Mund.

      »Was für eine Blasphemie klingt aus diesem Satz, den Gott im Alten Testament, also im wichtigsten Buch der drei Neuen Religionen, gesagt haben soll. Der gleiche Gott und Schöpfer, der all diese unendlich vielen und schönen Geschöpfe und Pflanzen erschaffen hat oder entstehen ließ, soll den ersten Menschen auf diesem Planeten den Auftrag gegeben haben, sich diese, seine Schöpfung, untertan zu machen?! Vernichtet diese Schönheiten, wie es euch beliebt, soll er gesagt haben?! Mehret euch bis in alle Unendlichkeit, soll er gesagt haben? Vernichtet damit nicht nur mein gesamtes Werk, sondern euch mit dazu, soll er gesagt haben? Vernichtet die Wälder? Rottet eure Mitgeschöpfe aus? Verwandelt blühende Landschaften in riesige Krater oder Sümpfe aus Öl und Müll? Das soll er gesagt haben?!«

      Bodo hob einen Zeigefinger und blieb lange in dieser Haltung.

      »Er, der Schöpfer, hat bei der Menschwerdung Intelligenz entstehen lassen. Wenn es der Schöpfer war, der auch die Intelligenz geschaffen hat, so hat er den Menschen damit eine Verantwortung über sein gesamtes Werk erteilt. Liebet eure Mitgeschöpfe, achtet sie und schützt mein Werk ­- muss er damit gesagt haben.

      Und das müsste sich in der Bibel widerspiegeln. Wer etwas anderes denkt, sagt oder meint - der verhöhnt diesen Schöpfer. Wer diese Schöpfung mit Füssen tritt, verhöhnt unseren Schöpfer ebenfalls. Sie machen sich zu Handlagern des Teufels. Sie sagen sich damit von Gott, unserem Herrn und Schöpfer, los. Das sind Gottlose. Ihnen droht ewige Verdammnis. Wer den Geist dieser schönen Schöpfung in Frage stellt und missachtet, müsste deshalb bereits auf Erden unter Strafe gestellt werden. Ich verachte und hasse deshalb diese Wesen, die nun wieder einmal ein Stück der Schöpfung vernichtet haben – oder vernichten werden. Wir haben, so gesehen, eine göttliche Aufgabe. Wir müssen möglichst viele Geschöpfe retten und erhalten. Das sollte uns in den nächsten Tagen beseelen. Wir kommen hierher, um zu helfen. Zumindest wir wissen, warum und wofür wir dies tun.«

      Bodo öffnete seine Hände und streckte sie nach vorn.

      »Wir helfen damit auch den Menschen hier in dieser Region. Wir kämpfen vor allem für unsere Freunde - die vielen, schönen Vögel, die gerade brüten, für die restlichen Tiere und Pflanzen auf den unzähligen kleinen Inselchen, in den Schilfgürteln, den Auenlandschaften und in den Marschen, für die unglaubliche Vielzahl der Tiere und Pflanzen auch unter Wasser.«

      Bodo machte eine Kunstpause. Immer noch herrschte atemlose Stille im kleinen Saal.

      »Bei meinem letzten Atemzug will ich zu mir sagen können: Bodo, du hast deinen Beitrag geleistet. Mehr konntest du nicht tun. Und ich bin fest davon überzeugt, dass ihr ähnlich denkt und fühlt. Ihr seid Kinder des Schöpfers. Ich liebe euch.«

      Erst jetzt fielen seine hart gewordenen Gesichtszüge wie eine Maske von ihm. Mittlerweile war er in Schweiß gebadet. Ein leichtes und nun auch zufriedenes Lächeln verteilte sich über sein Gesicht. Mit lauter und fester Stimme sagte er schließlich:

      »Ich wünsche euch und uns allen einen schönen Abend. Lasst es euch schmecken. Lebt, trinkt, liebt und singt. Die nächsten Tage werden wieder einmal hart. Danke liebe Freunde.«

      Iris rätselte, warum Bodo nach dieser Rede keine Anstalten machte, sich wieder auf seinen Stuhl zu setzen. Er blieb stehen und schaute in die Runde.

      Weitere lange Sekunden ruhte Stille im Raum. Man hätte eine Stecknadel fallen hören. Ein Großteil der Anwesenden hing noch immer an Bodos Lippen. So hatten sie ihn noch nie gesehen. Solche Worte hatte er bislang noch nie gefunden. Bislang war er lediglich einer von ihnen. Manchmal auch ein Fels in der Brandung. Doch heute Abend? Soeben?

      Plötzlich begann der Erste rhythmisch in die Hände zu klatschen. Weitere fielen ein. Wie auf ein geheimes Kommando standen alle auf und klatschten. Die ersten begannen,

      »Bodo! Bodo!« zu rufen.

      Hachiko stürmte plötzlich nach vorn, fiel vor Bodo auf die Knie, umarmte dessen Beine, und begann laut zu schluchzen.

      Ole, der wie immer in unmittelbarer Nähe seines Freundes zu sitzen pflegte, stand auf. Fast theatralisch nahm er Bodos rechte Hand, um sie zu küssen.

      Weitere Anwesende stürmten auf Bodo zu. Viele wollten ihn umarmen, ihm die Hand reichen oder ihm zumindest nahe sein. Der Lärm war ohrenbetäubend. Niemand schien sich plötzlich diesem Zauber entziehen zu können.

      Nur Iris blieb sitzen. Sie ließ dieses Schauspiel auf sich einwirken.

      Als sie Bodo beruflich kennengelernt hatte, war er ein introvertierter, achtzehnjähriger Naturliebhaber. Sie war vier Jahre älter. Und trotzdem: Nach nur wenigen Minuten war sie unsterblich in den älter wirkenden, gutaussehenden und muskulösen Hünen mit den stechend wasserblauen Augen verliebt.

      Heute, nach achtzehn Jahren, war sie immer noch in ihn verliebt - wie am ersten Tag. War es diese Liebe, welche es ihr in den letzten Jahren erschwerte, oder gar unmöglich machte, Bodo mit der Brille einer Psychologin zu betrachten? Seit vielen Jahren leitete sie eine private Psychiatrie, die weit über die Grenzen von Frankfurt bekannt war; vornehmlich in der Mittel- und Oberschicht. Ja, er war reifer geworden. Sein Weg, den er sich selbst ausgesucht hatte, war steinig gewesen. Und viele Eindrücke, die sie leider nicht kannte, hatten sich offensichtlich tief in seine

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