Unter dem Ostwind. Wilhelm Thöring

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Unter dem Ostwind - Wilhelm Thöring

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sie mit ihm abrechnen möchte.

      Sie blickt dem Mädchen ins Gesicht. „Ein hübsches Gesicht hast du“, zischt sie. „Aber es ist ein dummes, ein freches und gewöhnliches Gesicht, Halina, so dass ich mich wundere, dass ein Mann ... mein Mann daran Gefallen finden kann, denn ich weiß, dass er alles Gewöhnliche verabscheut!“

      Antonyas Finger umklammern das heiße Glas, dass sie es kaum halten kann.

      ’Es wäre mir ein Genuss‘, denkt sie, ’dir dieses hier mitten in deine Visage zu schütten, so heiß wie es ist!‘

      Plötzlich gießt sie den Punsch dem Mädchen vor die Füße, dass ihre Schuhe und der Rock bespritzt sind.

      „Merke dir das: da bringe ich dich hin: da in den Dreck.“

      Antonya deutet mit dem Kinn auf den dunklen Fleck im Schnee. „Glaube nicht, dass ich keine Augen im Kopf habe! Ich sehe mehr, als dir lieb ist! Unterschätze mich nicht, du ...“ Sie sieht sich nach ihrem Mann um, aber Stanislaus ist verschwunden. Dann wendet sie sich ab und geht zu ihren Kindern, die wieder über das Eis tollen.

      Amalie hat von Antonyas Ausbruch nichts mitbekommen, sie ist mit deren Kleinen, Ottilie und Ludwig, und mit ihren eigenen Kindern vor längerer Zeit schon ins Haus gegangen, um sie ins Bett zu bringen.

      Später entdeckt Antonya auch wieder ihren Mann. Er steht bei den Männern und scheint ihnen irgendetwas zu erklären. Denn sie hören aufmerksam und mit gesenktem Kopf zu.

      Von der Halina ist an diesem Abend nichts mehr zu sehen.

      „Wir können nicht bis Mitternacht hier draußen bleiben“, kommt Stanislaus an sie heran. „Lass uns hineingehen. Die Kälte bringt uns alle um.“

      „Was ist es, das dich mit einem Male von hier wegzieht? Ist sie es?“

      „Tonya, ist es meine Schuld, wenn das verrückte Ding sich Flausen in den Kopf setzt?“ brummt der Mann.

      „Flausen nennst du das? Ich denke, mein Lieber, dass diese Flausen nur deshalb gedeihen können, weil du ein guter Boden dafür bist. Seit wann benutzt du den Dienstboteneingang, Stanislaus? “

      „Lass uns später darüber reden, Tonya, wenn wir allein sind. Sollen die Leute sich das anhören, was wir bereden? Nicht hier, Tonya, und nicht an diesem Abend.“

      „Du fragst doch sonst nicht danach, ob andere euretwegen Stielaugen bekommen oder ihre Ohren spitzen, wenn ihr euch sicher fühlt, wenn ihr eure Köpfe zusammensteckt. Alle hier wissen, was los ist! Und ich, Stanislaus: ich bemerke mehr, als du ahnst.“

      „Bitte, Tonya, bitte ...“ Er nimmt ihre Hand, als wollte er sie streicheln, aber es geschieht nichts. Er hält sie nur, ihre feste und in den dicken Handschuhen unerreichbare Hand. Er sagt: „Oft habe ich das Gefühl, ersticken zu müssen.“

      „Du?“ höhnt die Frau erstaunt und schüttelt verständnislos den Kopf, und sie schiebt den Mann, als ekele er sie an, mit einem Stoß von sich und wendet sich der Männergruppe zu.

      Stanislaus hört, dass sie den Leuten, die es bis jetzt noch in der Kälte bei ihnen am Teich ausgehalten haben, Anweisungen gibt.

      Müde, mit hängenden Schultern, geht sie danach mit Jendrik ins Haus.

      Als die Glocken das neue Jahr einläuten, steht Stanislaus am Fenster seines Arbeitszimmers. Er hat es eine handbreit geöffnet, um diese Geräusche hören zu können, die nur in dieser einen Nacht des Jahres zu hören sind. Sein Kopf ist voller Gedanken, aber er könnte nicht sagen, was das für Gedanken sind, die ihn durcheinanderbringen; er hat wohl zu viel Punsch und Wodka getrunken.

      Seine linke Gesichtshälfte, seine Schulter beginnen unter dem Luftzug, der durch den Spalt weht, zu schmerzen. Jetzt hat er zu lange am Fensterspalt gestanden. Auf den Straßen lärmen die Menschen immer noch.

      Wie ein Geschlagener tappt er zur Chaiselongue, um sich schlafen zu legen.

      Er hört, wie oben im Zimmer seine Frau auf und ab geht.

      Die Sonne steht schräg und lässt den Schnee glitzern, so dass es in den Augen sticht. Alle Erdmanns sind heute mit den Pferdeschlitten unterwegs. Im ersten sitzen die Brüder Stanislaus und Jendrik und die größeren Kinder, ihnen folgen, in einem gepolsterten und luxuriösen Schlitten, die beiden Frauen mit den Kleinen. Amalie hat sich die Zwillinge unter die Pelzdeckegesteckt. Sie sind den gleichen Weg gefahren, den die Männer zuvor für die Bärenjagd gewählt haben. Hier draußen bläst ein schneidender Wind aus Nordost und zwingt sie, noch tiefer in die Pelze zu kriechen. Auf ebener Strecke springt schon einmal eins der großen Kinder, der Otto und auch der Berthold, ab und läuft, von schrillen Zurufen begleitet, neben dem Schlitten oder den Pferden her.

      „Passt auf“, ruft Stanislaus ihnen zu. „Hinter einer Schneewehe oder in einem zugeschneiten Erdloch könnte ein Bär oder ein Luchs lauern! Ihr wisst ja, was der mit übermütigen Kindern macht? Er frisst sie mit ihren Pelzen und Schuhen!“ Wenn ihnen Angst eingejagt wird, dann schwillt das Geschrei und Gequieke an und sie sehen zu, dass sie schnell wieder auf den Schlitten kommen.

      Auch der Frantizek lässt sich von der Ausgelassenheit der Kinder anstecken. Er wirft seine Pelzmütze in die Luft und lässt dazu einen scharfen schrillen Pfiff hören, der die Pferde veranlasst, sich in noch wilderem Galopp ins Zeug zu legen. Dann schießt der Schlitten nach vorn, dass sie alle aneinanderstoßen oder gar von den Sitzen rutschen.

      „Bei euch, Schwägerin, gibt es wohl keine Schwierigkeiten?“ fragt Antonya.

      „Du meinst, zwischen Jendrik und mir?“

      „Ja, das meine ich. Bei euch, so hat es den Anschein, geht es friedlich und beinahe ohne die sonst üblichen Reibereien und Streitigkeiten ab.“

      „Es ist das Alltägliche, Schwägerin, wie es in den meisten Ehen vorkommt.“

      „Alltäglich? Was sind alltägliche Schwierigkeiten? Das, was bei mir mit Stanislaus üblich ist, das ist vielleicht bei anderen die Hölle. – Bei dir, denke ich, könnte es die Hölle sein!“

      Amalie ahnt, was die Schwägerin anspricht. Was soll sie dazu sagen? Sie macht sich mit den Kindern zu schaffen. Sie möchte nicht über Dinge reden, von denen man zu niemandem spricht, Dinge, die jeder besser für sich behält. Amalie fühlt sich überfordert, wenn die Schwägerin diese Seiten ihres Lebens aufschlägt. Solche Offenbarungen machen sie rat- und hilflos und verwirren sie.

      Ja, sie hat von Frauen gehört, die plötzlich durch einen Vorfall nicht mehr bereit waren zu schweigen und zu tragen, was ihnen kein anderer abnehmen konnte. Solche Frauen machten andere zu Mitwissern, und deren Ehe wurde dadurch durchsichtig. Das ist, als müsste man nackt durch die Stadt laufen, so kam ihr das vor.

      Sie spürt Antonyas Blick, die etwas von ihr erwartet, wenn schon keine Antwort, dann doch eine Geste. Ihr wird unbehaglich in der Nähe der Schwägerin, aber sie muss es aushalten. Schließlich sagt sie so hin: „Antonya, wo gibt es die Ehe, die wir uns als junges Ding erträumt haben? In Büchern, ja, da soll es so etwas geben. Aber im Leben? Im Leben ist das doch ganz anders ...“

      „Kennst du Angst?“ fragt Antonya.

      „Angst? Welche Angst meinst du?“

      „Von der Angst vor allen Kreaturen, die Röcke tragen und vor den Männern mit den Hüften

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