Adler und Leopard Gesamtausgabe. Peter Urban

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Adler und Leopard Gesamtausgabe - Peter Urban

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kam dann der Weihnachtstag in die Hansestadt. Arthur hatte inzwischen eine solch schlechte Laune entwickelt, dass nicht einmal John Dunn es wagte, ihn an dieses Detail zu erinnern. Auch bei den Soldaten im Felde war es guter Brauch das Fest der Geburt des Erlösers zu feiern. Die britischen Offiziere begaben sich gemeinsam zu einer Weihnachtsmesse, die ein Kaplan der Armee abhielt. Man hatte sich nicht die Mühe gemacht, Arthur abzuholen. Es war bekannt, dass der General mit Gott nicht viel im Sinn hatte. Sein eigenes Seelenheil und das seiner Soldaten waren ihm schon in Indien gleichgültig gewesen und es hieß, dass in seiner Armee gegen die Marattha zwar Hunderte von Ärzten und Feldscher gedient hätten, doch kaum ein Feldgeistlicher. Sein Stab hatte sich bereits in London und dann während der fast vier Wochen auf dem Kontinent ein eigenes Bild über den Sieger von Assaye gemacht. Sie bewunderten ihn, weil ihm der Ruf der Unbesiegbarkeit anhing. Sie achteten ihn, denn er besaß großes militärisches Talent, aber sie empfanden keine Zuneigung für Arthur. Er galt als ein harter, unnahbarer Mann, denn er duldete weder von der Truppe, noch von den Offizieren Fehler und Ungehorsam. Sie mieden ihn, wenn es sich irgendwie einrichten ließ. Rotröcke, die sich in Hamburg nicht an seine Befehle hielten oder sich verleiten ließen, die braven Bürger der Stadt zu belästigen oder zu bestehlen, wurden ohne mit der Wimper zu zucken, dem Provos überantwortet. Viele von ihnen hatten schon mit der neunschwänzigen Katze Bekanntschaft gemacht. Während sechstausend Rotröcke versuchten, so gut wie möglich einen verregneten Weihnachtsabend zu verbringen, brütete ihr Kommandeur in finsterer Stimmung über ein paar Bogen Papier. Der Kurier war kurz vor sieben Uhr abends in seinem Hauptquartier aufgetaucht. Der Brief kam von Robert Castlereagh. Bonaparte hatte am 2.Dezember bei Austerlitz die vereinigten russischen und österreichischen Armeen unter Kutuzov vernichtend geschlagen. Der Kriegsminister hatte seinen Brief damit beendet, dass er ihm in überschwänglicher Weise zu seiner Weitsicht gratulierte. Arthur lehnte sich in seinem Stuhl zurück und fuhr sich mit der Hand über die müden Augen. Die Regierung musste völlig wahnsinnig geworden sein. Nun beglückwünschte man Männer schon, weil sie Furchtbares vorausahnten. Er starrte in die Nacht und in den Regen. Die Lektüre des langen Briefes aus London versetzte ihn in eine noch düsterere Stimmung, als die die ihn schon seit Tagen quälte. Alles was er vor ein paar Wochen noch prophezeit hatte, war inzwischen eingetroffen. Bis ins letzte Detail hatten die Franzosen so gehandelt, wie er es damals für Castlereagh und Pitt mit Hilfe einer guten Karte und ein paar Stücken bunter Kreide vorausgesagt hatte. Er fühlte sich elend, denn er begriff, dass die mühsam von Pitt geschmiedete dritte Koalition gegen Frankreich auf einem blutigen Schlachtfeld in Tschechien zu Grabe getragen worden war. England stand wieder einmal alleine. Und ihn hatte man ins kalte, verregnete Hamburg geschickt, damit man vorgeben konnte, er warte nur noch auf einen Befehl, um sich endlich auf den berüchtigten, französischen Marschall zu stürzen. Doch sein Gegner war ausgeflogen: Jean Baptiste Bernadotte befand sich schon seit Wochen Hunderte von Kilometern entfernt bei Bonaparte und der Grande Armée. Würde die britische Regierung nach dem blutigen Tag von Austerlitz je wieder den Mut aufbringen, ernsthaft darüber nachzudenken ein Expeditionskorps auf den Kontinent zu schicken, das ausreichend groß war, um für die Franzosen eine Bedrohung darzustellen? Diese zweite Front, die Arthur seit Tagen auf dem Papier beschrieb, war zu einem Hirngespinst geworden. Bonaparte hatte sich zum unangefochtenen Beherrscher Europas aufgeschwungen. Der Weser-Ems-Feldzug war eine Totgeburt unter den langen Schatten von Austerlitz. Nichts und niemand konnten die dritte Koalition noch retten. Russland und Österreich-Ungarn würden nun gewiss einen Sonderfrieden mit Napoleon schließen. Und Arthur saß in Hamburg fest, wo seine einzige Aufgabe darin bestand im strömenden Regen und mitten in einem harten Winter sechstausend britische Soldaten unter Kontrolle zu halten. Alles war so traurig, dass man darüber eigentlich nur noch lachen konnte.

      Nach der Weihnachtsmesse hatten Wellesleys Offiziere beschlossen, gemeinsam zu Abend zu essen. Oberst Rowland Hill, der nicht zum Stab des Generals gehörte, sondern lediglich Lord Cathcarts Verbindungsoffizier in Hamburg war, schloss sich ihnen an. Auf dem Weg ins Hauptquartier verschwand er in einer kleinen Seitengasse am Fischmarkt, nur um einige Minuten später zufrieden mit einem großen, köstlich duftenden Paket wieder aufzutauchen. " Meine Herren“, schmunzelte er, “der Vorteil, hier schon seit zwei Monaten untätig im Regen zu sitzen liegt darin, dass man die Geheimnisse dieser Stadt kennenlernt. Eine fette, gefüllte Weihnachtsgans und herrlich heiß! Ich bin sicher, unsere Laune wird nach diesem Festschmaus besser sein, als nach der verregneten Messe." Die Männer eilten bis zum Gasthof Die Goldene Kugel zurück. Ein junger Hauptmann mit Namen Westmorland, der für gewöhnlich als Übersetzer für den Kommandeur arbeitete, ging in die Küche und bat den Wirt um Teller und Besteck. Dann bestellte er noch Bier, Wein und frisches Brot für alle.

      Rowland Hill stammte aus Shropshire. Er war ein freundlicher, etwas dicklicher Mann mit kurzsichtigen Augen und spärlichem, rötlich-blondem Haarwuchs. Er war dreiunddreißig Jahre alt. Trotzdem hatten ihm seine Rotröcke aus dem 90.Infanterieregiment den Spitznamen „Daddy Hill“ gegeben, denn er kümmerte sich geradezu rührend um ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden. Hill hatte für jeden ein gutes Wort übrig. Auf den ersten Blick ähnelte er mehr einem braven Landpfarrer, als einem kampferprobten und furchtlosen Soldaten. Er hatte sich bei Toulon und auf dem Ägypten-Feldzug unter Abercrombie ausgezeichnet und war früh zum Obersten befördert worden. Nachdem er seine versammelten Kameraden im Gastzimmer der Goldenen Kugel zu Tisch gebeten hatte, öffnete Rowland Hill mit genießerischem Blick die Verpackung der Weihnachtsgans. Hauptmann Blygth, ein spindeldürrer, rothaariger Waliser, dessen Gesicht über und über von Sommersprossen bedeckt war, reichte ihm erwartungsvoll ein großes, scharfes Messer und saugte dabei tief den verführerischen Duft der Weihnachtsgans durch die überlange Nase ein. Die Wärme, das frisch gezapfte Bier und die Vorfreude auf ein opulentes Abendmahl hatte die Stimmung der kleinen Truppe sichtlich gehoben. Hill wollte gerade damit anfangen, die Gans aufzuteilen, als sein Gewissen ihm befahl innezuhalten. "Meine Herren, eigentlich sollten wir General Wellesley auch einladen, mit uns zu essen.", sagte er. Der junge Blygth sah ihn entgeistert an:"Rowland, bist Du verrückt geworden? Der Alte wird uns mit seiner üblen Laune den ganzen Abend verderben, falls er sich überhaupt dazu herab lässt Deine Einladung anzunehmen." Oberstleutnant Allan Elphinstone, der die 33.Infanterie kommandierte - Wellesleys eigenes Regiment - hob gar die Hände gen Himmel: “Ich bitte Dich, Rowland, nicht an Heilig Abend! Ansonsten köpft oder rädert Nosey noch einen von uns; sozusagen zur Feier des Tages.” Westmorland nickte zustimmend: "Wellesley ist so ungenießbar, dass ich ihm wenigstens am Weihnachtsabend nicht begegnen will. Jedes Mal wenn der einen ansieht, läuft einem ein eisiger Schauer über den Rücken. Ich glaube kaum, dass Du hier in unserer Mitte einen Freiwilligen findest, der in den ersten Stock hinaufgeht und an seine Tür klopft. Und der alte Johnny Dunn ist bestimmt schon unterwegs zur Christmesse. Der sitzt mindestens bis Mitternacht in der Kirche und preist den Herrn."

      "Was habt Ihr eigentlich alle?“, fragte Hill, “Ich finde, Euer Kommandeur ist ganz vernünftig und umgänglich. Wenn ich die Verantwortung für sechstausend unbeschäftigte Rotröcke in einer so reichen und einladenden Stadt, wie Hamburg hätte, die noch dazu zu unseren Verbündeten zählt, würde mir das auch auf den Magen schlagen. Stellt Euch einfach vor, die Soldaten laufen Wellesley aus dem Ruder und nehmen die Stadt auseinander, weil sie vor lauter Langeweile übermütig werden. Die Horse Guards würde ihn zuerst kreuzigen und anschließend vierteilen. Wenn die Truppe sich nicht vor lauter Angst vor Sir Arthur in die Hose machen würde, hätten wir alle schon lange große Probleme.“ Westmorland legte Hill mit einem spitzbübischen Grinsen die Hand auf die Schulter: "Wenn Du Nosey für ein solch friedfertiges und sanftes Wesen hältst, dann geh doch nach oben und frag ihn, ob wir seiner erlauchten Gesellschaft würdig sind, Rowland. Wir werden zwischenzeitlich für Deine unsterbliche Seele beten."

      “ Kindsköpfe!", schimpfte Hill und überlies die fette Gans vorerst ihrem Schicksal. Dann drehte er sich um und stieg entschlossen die Treppe in den ersten Stock hinauf. Er klopfte kräftig an die Tür des Generals. Doch nichts rührte sich. Er wollte schon kehrtmachen, um zu seinen Kameraden und der leckeren Gans zurückzukehren, als ihn eine Stimme zurückhielt: "Kommen Sie rein, Hill."

      " Woher wissen Sie, wer an Ihre Tür klopft, Sir Arthur?"

      " Da unten befinden sich die Herren meines Stabes, die hier nur heraufkommen,

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