Das Erbe der Ax´lán. Hans Nordländer

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Das Erbe der Ax´lán - Hans Nordländer

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Unternehmungen dieser Art hatte. Bei Tjerulf und seinen Freunden sah die Sache offenkundig anders aus. Meneas, Idomanê und Durhad nahmen im Schatten der Hauswände ihre Beobachtungsposten ein und hielten ihre Waffen kampfbereit in den Händen. Warum, fragte sich Meneas, sollten die Geister nicht auch durch die Stadtmauer fliehen können?

      Trywfyn drückte vorsichtig gegen die Haustür. Sie war nicht verriegelt und sprang nach kurzem Widerstand auf. Mit verhaltenem Quietschen schwang sie in den Flur hinein. Langsam traten Tjerulf und der Ogmari ein. Knarrend bogen sich die Dielen unter ihren Füßen. Der Flur war leer. Durch eine offenstehende Zimmertür drangen die Strahlen silbrigen Mondlichtes in den Flur. Vorsichtig gingen die beiden vorwärts, tiefer in das Haus. Dann standen sie für einen Augenblick schweigend da und horchten. Es herrschte buchstäblich eine Grabesstille.

      Das Haus war leergeräumt. Nur wenig Gerümpel lag in den Zimmern herum. Dadurch waren sie auch leichter überschaubar. Das Haus war eingeschossig errichtet und zumindest zu ebener Erde fanden sie weder eine Spur von Freno noch von seinen Entführern. Als sie vor der Treppe zum Dachboden standen, zeigte Trywfyn auf die Bodenluke. Tjerulf nickte und der Ogmari eilte mit wenigen Schritten die Treppe hinauf, drückte die Luke hoch, die nur lose auf ihrem Rahmen lag, wie es für gewöhnlich immer war, und sprang mit einem mächtigen Satz auf den Dachboden.

      Mit der eingeschalteten Blendlaterne in der einen und der Streitaxt in der anderen Hand wirbelte er herum, bis er sich einen Rundumblick verschafft hatte. Außer einigen Fledermäusen, die er aufschreckte, gab es nicht viel zu entdecken. Auch hier oben hatten die früheren Bewohner nur wenig zurückgelassen. Er schaltete die Lampe wieder aus.

      Trywfyn stand bewegungslos da und spürte Gerüche auf. Er hatte einen ausgezeichneten Geruchssinn und seine Erfahrung darin war sehr groß. Tatsächlich konnte Trywfyn besser riechen als sehen, wenn er auch meilenweit davon entfernt war, blind zu sein. Die Fledermäuse hatte er schon bemerkt, bevor er sie im Lichtkegel der Taschenlampe gesehen hatte. In einer dunklen Ecke verharrten reglos und unsichtbar zwei Ratten. Auch sie versuchten mit ihren Sinnen herauszufinden, wer sie da mitten in der Nacht mit mächtigem Lärm gestört hatte. Nicht weit von den beiden Nagern hing ein verlassenes Wespennest aus dem Vorjahr. Ungerührt und ohne sich zu ducken, ließ Trywfyn eine Fledermaus nur eine Handbreit entfernt über sich hinwegfliegen und durch ein Loch im Dach nach draußen verschwinden. Nein, war er schließlich sicher, hier oben waren weder Freno noch einer der Geister gewesen. Er ging wieder die Treppe hinab.

      „Da ist nichts“, sagte er und dieses Mal gab er sich keine große Mühe mehr, leise zu sein, denn er hatte genug Lärm veranstaltet, um von jedem, der hier in diesem Haus sein mochte, gehört zu werden.

      „Dann in den Keller“, befahl Tjerulf.

      Unter der Bodentreppe lag die Kellertreppe. Tjerulf und Trywfyn schalteten ihre Leuchten wieder an und gingen vorsichtig hinunter. Sie hofften so, schnell genug handeln zu können, wenn sie in einen Hinterhalt geraten sollten. Die beiden, Tjerulf voran, kamen in einen kurzen, engen Flur, in dem einige Trümmerstücke herumlagen, die im Lauf der Zeit aus den Dielen über ihnen herausgebrochen waren. Drei Räume zweigten von dem Flur ab, einer zur Linken, einer zur Rechten und einer geradewegs vor ihnen. Zuerst teilten sie sich die beiden seitlichen, doch wieder ohne Ergebnis. Wenn die Entführer mit Freno tatsächlich hierher geflohen waren, dann konnten sie nur noch in dem letzten Raum sein. Mit knirschenden Schritten, erhobenen Schwertes und beide Lampen nach vorn gerichtet, näherten sie sich der Tür.

      Plötzlich hörten sie dahinter einen gellenden Schrei. Er war so bestialisch und übernatürlich, dass er kaum von einem Menschen oder einem anderen irdischen Wesen ausgestoßen worden sein konnte. Trywfyn und Tjerulf sprangen vor und rissen die Tür auf. Auf dem Boden lag der bewegungslose Körper Frenos. Über ihm beugte sich die schwarze Gestalt eines Entführers, die beiden Arme mit einem Schwert in den Händen erhoben und bereit zuzuschlagen. Bevor er jedoch dazu kam, war Trywfyn heran und hieb ihm mit seiner Axt beide Hände ab. Polternd schlugen sie, das Heft des Schwertes immer noch umklammernd, gegen die Wand und fielen dann auf den Boden. Erneut erklang ein Schrei, der von allen Wänden widerhallte und weder von Freno noch von dem verwundeten Körper des Geistes ausgestoßen worden war.

      Die Verletzungen waren schwer, wenn für gewöhnlich auch nicht sofort tödlich, doch der Entführer verhielt sich vollkommen anders, als sie es erwarten konnten. Nicht ein Tropfen Blut kam aus den Armstümpfen und anstatt vor Schmerzen aufzuschreien und zu toben, verharrte er für kurze Zeit reglos und stumm in seiner Haltung und sackte dann langsam zur Seite, ohne zu zucken oder einen weiteren Laut von sich zu geben. Fast lautlos fiel er auf den Boden.

      Außer ihm waren keine weiteren Krieger des Enkhór-mûl in dem Raum und Trywfyn und Tjerulf vermuteten, dass dieser hier als Wächter zurückgeblieben war.

      „Hoffentlich kommen wir nicht zu spät“, sagte Trywfyn mit rauer Stimme. „Er hatte viel Zeit zum Übertritt.“

      „Das werden wir gleich sehen“, entgegnete Tjerulf. „Freno ist noch bewusstlos und hat die Augen geschlossen. Das Beste wird sein, wir holen erst einmal Durhad, Meneas und Idomanê herein. Ich glaube nicht, dass sie draußen weiter Wache stehen müssen.“

      Trywfyn machte sich auf den Weg und kurz darauf hörte Tjerulf seine schweren Schritte auf den Dielen über sich. Staub rieselte herab.

      Freno lag auf der Seite. Tjerulf vermutete, dass er schon seit längerem bewusstlos war, sonst hätte er sicher versucht, um Hilfe zu rufen, als er und Trywfyn das Haus betreten hatten. Spätestens als der Ogmari auf den Dachboden hinaufpolterte, hatten sie so viel Lärm verursacht, dass er bis in den Keller vorgedrungen sein musste. Tjerulf drehte Freno auf den Rücken und untersuchte ihn. Was er feststellte, bestätigte seine und Trywfyns Befürchtung. Freno schien zwar unversehrt, doch als Tjerulf seine Augenlider hochschob, blickten ihn fast weiße Augäpfel an. Die Pupillen waren bis auf winzige Punkte verengt. Sie waren also doch zu spät gekommen. Der Dämon, dessen Körper sie getötet hatten, hatte von Freno Besitz ergriffen und bereitete die Wiedererweckung vor. Jetzt durfte er keine Zeit verlieren.

      Tjerulf drehte Frenos Körper auf den Bauch und leuchtete den Raum ab. An einer Wand fand er, was er gesucht hatte. Dort hingen einpaar kräftige Taue. Sie waren zwar alt, aber Tjerulf hoffte, dass sie noch fest genug waren, um den Kräften des Geistes zu widerstehen. Er riss die Taue von den Haken und fesselte Freno an Armen und Beinen. Tjerulf war noch nicht ganz fertig, da hörte er über sich die Schritte mehrere Leute und kurze Zeit darauf kam Trywfyn mit Meneas, Idomanê und Durhad die Treppe herunter.

      „Was tust du da?“, fragte Meneas erstaunt und ein wenig ungehalten, als er seinen Freund in Fesseln sah.

      Tjerulf antwortete nicht sofort. Er hatte nicht viel Zeit, und kaum war er fertig, da begann sich Freno zu bewegen. Ruckartig riss er an den Stricken. Tjerulf stand wieder auf. Er war gerade noch rechtzeitig fertiggeworden.

      Ein von einem fremden Geist übernommener Mensch konnte über außerordentliche Kräfte verfügen. Es waren nicht immer übelwollende Geister, die von fremden Körpern Besitz ergriffen, doch hier war Tjerulf sicher, dass dieser in Freno ihnen gefährlich werden konnte.

      „Seht euch Frenos Augen an“, forderte Tjerulf seine Freunde auf.

      Im Licht der Leuchten zuckten sie wild hin und her. Durhad und Trywfyn wussten, was sie erwartete, denn Freno war nicht der erste von einem boshaften Geist besessene, den sie sahen. Für Meneas und Idomanê kam dieser Anblick aber vollkommen unvorbereitet. Entsetzt traten sie einen Schritt zurück.

      „Was ist das?“, fragte Idomanê gequält. „So etwas habe ich noch nie gesehen.“

      „Zunächst besteht kein Grund mehr, Angst zu haben“, erklärte Tjerulf. „Euer Freund wurde von dem Geist eines seiner Entführer

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