Promise. Sarah L. R. Schneiter
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Als Natala und Stanley in der Gasse anlangten, in der sie sich mit Anaata treffen wollten, war die Diebin bereits da. Sie saß auf einer Mauer im Schatten, spielte mit ihrem aufgespannten Sonnenschirm und wühlte geistesabwesend in ihrer Tasche.
„Hey, wie ist’s gelaufen?“, fragte Stanley, als sie hinzutraten.
„Alles bestens, wir haben, was wir brauchen.“ Anaata zündete sich eine Zigarette an, ehe sie hochsah und einige blaue Flecken und Kratzer in den Gesichtern der beiden erkennen konnte. Sie hob fragend die Augenbrauen und deutete auf ihre Blessuren. „Das versteht ihr unter Gangster beschäftigen?“
Natala antwortete trocken: „Wir mussten es echt aussehen lassen.“
Anaata schüttelte kurz den Kopf. „Das war so richtig schön …“, sie machte eine Pause und suchte nach einem Wort, „… unsubtil.“
Stanley setzte sich neben sie auf die Mauer. „Was denkst du denn? Du hast gemeint, wir sollen Nates Leute eine Weile ablenken und nichts lässt diese faulen Gauner mehr alles andere vergessen als eine schöne Barschlägerei. Immerhin haben wir nach unserer melodramatischen Versöhnung noch mit allen ein paar getrunken.“
Anaata erklärte kichernd: „Ihr Schmuggler habt echt einen Dachschaden.“
„Ich habe gemeint, man erzählt sich über dich, du seist nicht ganz richtig im Kopf?“, konterte Stanley.
„Manche sagen das wirklich“, murmelte sie skeptisch. „Die nennen mich eigenartig. Ich weiß aber noch immer nicht genau, wieso.“
Natala unterbrach das Geplänkel. „Wie viel hast du erbeuten können?“
Mit einem übertrieben dramatischen Unterton in ihrer Stimme öffnete Anaata den Beutel: „Fünfzehntausend.“
„Das ist ja mehr, als wir brauchen“, freute sich Natala, als sie sich neben ihren Freunden auf der Mauer niederließ. „Jetzt hoffen wir, Nani hatte genauso viel Erfolg.“
Eine Viertelstunde später trat Nani zu der Gruppe. Sie wirkte von der Hitze leicht abgekämpft und trug zwei schwere Taschen bei sich. Anaata sprang von der Mauer auf und machte ein paar Schritte auf Nani zu. „Oh, hübsches Spielzeug, darf ich mal sehen?“
„Ich habe gemeint, du magst keine Waffen?“, wollte Stanley erstaunt wissen.
„Ich mag keine Schießereien, Waffen dagegen finde ich faszinierend.“ Die Diebin legte ihren Sonnenschirm ab und wühlte in der einen Tasche. Derweil stieß sich Natala von der Mauer ab und wandte sich an Nani: „Na, was hast du für den Rest von unserem Geld bekommen?“
„Ein Scharfschützengewehr, Ersatzmunition für unsere Blaster, ein paar Blendgranaten plus einen Detonator. Ich hoffe, das wird reichen.“
„Es muss reichen“, erklärte Natala entschieden. „Die haben einen Krieg mit uns angefangen, ich plane, den zu gewinnen.“
„Na großartig“, seufzte Stanley. „Ich hoffe bloß, dass wir nicht die mit den großen Brandlöchern in der Haut sein werden.“
Sie schwiegen kurz, bis Natala vorschlug: „Okay, gehen wir nochmal alles durch? Ich gebe ihm das Geld, Stanley gibt mir Deckung, Anaata und Nani befreien die Gefangenen, wenn sie können. Ich traue Nate nicht genug über den Weg, um mich auf sein Ehrgefühl zu verlassen.“
„Das kann ich dir nachempfinden“, stimmte Nani zu und machte dabei eine Miene, als ob sie gerade in etwas Saures gebissen hätte. „Ich habe den Typen eben erst kennengelernt und sogar ich denke, er will uns alle umbringen.“
Es war kurz vor Sonnenuntergang, als Natala auf das Landefeld trat. Der wolkenlose Himmel wirkte, als begann er sich leicht rötlich zu färben und die Promise wurde nun von vorne angestrahlt. Die Laderampe war geschlossen und Natala konnte niemanden erkennen, als sie auf ihr Sternenschiff zuschritt, eine Tasche mit den Kreditchips in der Hand. Die Frachtkisten lagen noch immer vor dem Schiff verteilt auf dem Boden, ähnlich wie überdimensionierte liegengelassene Bauklötzchen eines Kindes, das sich vor dem Aufräumen drückte. Die Geräusche von der mit der nachlassenden Hitze wieder belebter werdenden Straße drangen nur gedämpft über die Mauer, ab und an war ein lauter Ruf zu vernehmen. Eine einzelne Eidechse huschte über das Landefeld, wahrscheinlich hatten die Schritte der Schmugglerin sie aufgescheucht. Natala blieb ungefähr zwanzig Meter vor der Promise stehen, warf die Tasche vor sich auf den Boden und rief: „Ich habe dein Geld, Nate.“
Einige Sekunden tat sich nichts, bis ein hydraulisches Zischen und Summen erklang, als die Rampe sich öffnete. Nate stand mit einem seiner Leute oben im Frachtraum und sah auf Natala hinunter. „Bring das Geld hoch“, befahl er in die Stille.
Natala lachte heiser. Sie kannte solche Spiele zur Genüge und wusste, sie musste Härte zeigen. „Erst will ich meine Leute sehen, bring sie runter.“
Nate flüsterte seinem Handlanger etwas zu, der daraufhin im Innern der Promise verschwand, Nach nahezu einer Minute kehrte er mit Sven zurück, dessen Hände auf den Rücken gefesselt waren. Der Mechaniker wirkte weniger versehrt als Dan, offensichtlich hatte man ihn weniger verprügelt, doch auch er trug einige blaue Flecken im Gesicht. Aus Erfahrung wusste Natala, wie heikel solche Deals mit jemandem, dem man nicht trauen konnte, waren. Man musste die Oberhand behalten und wenn einem dies misslang, sich zumindest einen nützlichen Vorteil sichern. Dabei durfte man unter keinen Umständen zu weit gehen, denn der kleinste Fehler entschied über Leben oder Tod, es kam ihr vor wie ein Tanz auf heißen Kohlen. Trotz ihrer Anspannung versuchte sie ruhig zu wirken, denn nun käme es darauf an, ob sie die Lage kontrollieren konnte.
Nate trat einen Schritt nach vorn, wobei er Sven am Arm hielt, um ihn mitzuziehen. „Okay, ich bringe ihn, du das Geld, wir treffen uns in der Mitte. Stimmt die Bezahlung, kommen meine Leute mit dem anderen Typen raus. Dann könnt ihr von hier verschwinden und wir auch, alle sind zufrieden.“
Natala tat kurz so, als dachte sie darüber nach. Insgeheim freute sie sich über das Angebot, da Nate so von der Promise wegtreten musste, was ihrer Crew einen Vorteil verschaffte, aber das durfte sie ihm nicht zeigen, um keinen Verdacht zu erregen. Schließlich rief sie zurück: „Okay, los geht’s.“
Sie tat bedächtig Schritt für Schritt auf die Promise zu, während Nate genauso schleichend die Rampe hinunterging. Sie wollte möglichst langsam sein, um ihren Leuten die Zeit zu verschaffen, die sie brauchten. Nach etwa einer halben Minute waren sie bloß noch einen Meter voneinander entfernt und blieben stehen.
„Erst wenn du Sven losmachst und er zu mir tritt, kriegst du die Tasche“, erklärte Natala entschieden. Die Spannung war so stark, dass Natala das Gefühl hatte, sie wäre etwas Substantielles, das zwischen ihnen in der Luft lag.
„Egal, wo du deine Leute versteckt hast, ihr seid in der Unterzahl“, spottete der Gangster. Nach einem kurzen Schweigen, bei dem seine Mundwinkel kaum merklich zuckten, fügte er hinzu: „Probiert keine krummen Touren.“
„Würde mir niemals einfallen.“