Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band - Gerstäcker Friedrich

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Aufregung zu sein schien, beantwortet. Desto ruhiger blieb aber die alte Dame, die schon an dem Nachmittag ihre Whistberechnung mit ihren bisherigen Aiden gemacht und ihren Gewinn eingestrichen hatte, während ihre Koffer gepackt und zum Abholen fertig standen.

      »Wer mögen nur die Fremden sein die uns dort besuchen wollen?« rief die lebhafte Marie, die sich nicht satt sehn konnte an ihrer neuen Umgebung und Augen für Alles hatte, was um sie her vorging. »Sie kommen wahrhaftig hierher, gerade auf das Schiff zu!«

      »Das ist meine Tochter, mein Kind« sagte aber die alte Dame mit unendlicher Ruhe, »die sich vor einem Jahre von einem jungen Engländer Namens Bloomfield hat entführen und heirathen lassen, ohne mein Wissen und gegen meinen Willen. Das junge Ehepaar flüchtete damals nach Amerika und ich habe ihnen jetzt, da der Mann sonst brav und ordentlich zu sein scheint und sehr vermögend ist, verziehen und bin gekommen sie zu besuchen.«

      Es waren dieß die ersten Worte die Frau von Kaulitz je über ihre Familienverhältnisse, wie überhaupt den Zweck ihrer Reise geäußert hatte, und Marie blickte lächelnd zu ihr auf, denn sie konnte natürlich nicht anders glauben, als daß die alte Dame sich einen Scherz mit ihr mache, obgleich das sonst nicht eben ihre Gewohnheit war. Sie sah aber auch jetzt so ernst und trocken aus wie nur je, und hatte noch dazu ihre Brille aus ihrem großen sammetgestickten Strickbeutel herausgeholt, die sie aufsetzte und die Herankommenden aufmerksam und forschend damit betrachtete. Es war eben noch hell genug die Gesichter unten zu erkennen.

      Das Boot lag jetzt langseit und die alte Dame ging zweimal auf dem Quarterdeck auf und ab als der Capitain, der an die Fallreepstreppe getreten war der Dame hereinzuhelfen, mit den beiden Fremden den Starbordgangweg herauf kam und sie zur Quarterdeckstreppe führte. Die junge Dame, ein reizendes kleines zartes Frauchen von vielleicht zweiundzwanzig Jahren, aber jetzt mit vor innerer Aufregung bleichen und erregten Zügen, eilte voran, dicht hinter ihr folgte ihr Gatte, eine ebenfalls noch jugendliche, aber edle, männliche Gestalt. Frau von Kaulitz war mitten auf dem Deck stehn geblieben sie zu erwarten.

      »Mutter – liebe – liebe Mutter!« rief die junge Frau, flog auf die alte Dame zu und barg, der Fremden die sie umstanden nicht achtend, ja sie wohl nicht einmal bemerkend, schluchzend ihr Antlitz an ihrer Brust.

      »Mein Kind – mein liebes Kind!« sagte Frau von Kaulitz, mit einem unverkennbaren Anflug von Rührung und hob sie zu sich auf, küßte sie und streckte dann ihre Hand dem wenige Schritte hinter ihr stehen gebliebenen Gatten entgegen.

      »Liebe – beste Mutter!« rief aber jetzt auch dieser, tief ergriffen ihre Hand fassend und an seine Lippen ziehend – »können Sie uns verzeihn?«

      »Bst Kinder – keinen Auftritt hier« sagte aber Frau von Kaulitz, rasch wieder gefaßt, »komm Pauline – komm, richte Dich auf – sieh nur die fremden Leute hier um uns her. Ach bitte William haben Sie die Güte und sehen Sie nach daß meine Koffer und Hutschachteln hinunter in das Boot kommen.«

      »Ich werde Ihnen das schon besorgen, gnädige Frau« sagte aber der Capitain freundlich – »ist das all Ihr Gepäck was hier oben an Deck steht?«

      »Das ist Alles – halt Steward meine Whistmarken liegen noch unten auf meinem Waschtisch, in dem kleinen grünen Etui.«

      »Hier Jahn – hier Jacob!« rief der Capitain ein paar seiner Leute an – »hinunter mit den Sachen da in's Boot – macht rasch, aber geht mir vorsichtig damit um – hier die drei Koffer und die drei, vier, fünf Schachteln mit den zwei Reisesäcken.«

      »Wartet Kinder, meine Marken kommen gleich« sagte Frau von Kaulitz, als die junge Frau sie unter Thränen lächelnd noch einmal geküßt hatte und dann mit sich fortziehen wollte – »apropos William, spielen Sie Whist?«

      »Nein liebe Mutter« – sagte der junge Mann, verlegen lächelnd über die etwas abgebrochene Frage.

      »Kein Whist?« – rief Frau von Kaulitz, fast erschreckt stehen bleibend – »wo bekommen wir denn heute Abend den dritten Mann her? – Pauline spielt.«

      »Mein Compagnon spielt vortrefflich und wird heute Abend bei uns sein« sagte ihr Schwiegersohn, jetzt wirklich verlegen.

      »Ah, das ist schön!« rief Frau von Kaulitz, sichtlich beruhigt, »und nun kommt Kinder – adieu, adieu!« sagte sie dabei freundlich ihren bisherigen Mitpassagieren, von denen sie sich in diesem Augenblick wahrscheinlich auf immer trennte, zunickend – »adieu,« und von dem Capitain geführt, der sie, jetzt schon wieder in seinen entsetzlichen Schwalbenschwanzfrack mit den engen Ärmeln hineingezwängt, sehr artig bis an die Fallreepstreppe begleitete, verließ sie das Quarterdeck.

      Der junge Mann folgte ihr, seine Frau am Arm, die Cajütspassagiere an denen er vorüberging, freundlich grüßend, als sein Blick auf den, gerade an Deck kommenden Henkel fiel. Fast unwillkürlich blieb er einen Moment stehn und sah ihn starr an, wie es oft geschieht daß uns ein Gesicht plötzlich auffällt, dem wir nicht gleich Namen und Stelle zu geben wissen in unserem Gedächtniß. Auch Henkel begegnete, wie es schien ebenso überrascht dem Blick; beide Männer verbeugten sich dann leicht gegeneinander und der Engländer verließ, seine Frau am Arm das Schiff.

      Das Boot stieß ab von Bord, und die beiden Seeleute die es führten legten sich kräftig in ihre Ruder, waren aber noch keine vier Längen in den Strom hinausgehalten, als Frau von Kaulitz ein ängstliches »Halt« rief.

      »Ach bitte William, ich habe meinen Regenschirm an Bord vergessen!«

      Der junge Mann, der am Steuer saß, lenkte den Bug des Bootes rasch wieder herum dem kaum verlassenen Schiffe zu, an dessen Railing der Steuermann schon stand und mit einem vergnügten Gesicht – er war an derlei gewohnt – hinunter rief:

      »Etwas vergessen, Madame?«

      »Meinen Regenschirm – er steht unten in der Coye – schwarze Seide mit Elfenbeingriff« —

      »Nun natürlich« lachte der Seemann leise vor sich hin, und rief dann laut – »Steward, den Regenschirm von Frau von Kaulitz« —

      »Und mein rothsaffian Brillenfutteral muß auch noch unten liegen!« rief die Dame hinauf.

      »Steward – rothsaffianen Brillenfutteral« repetirte der Steuermann – »sonst noch etwas, Madame?«

      »Nein – nicht daß ich jetzt wüßte.« —

      Die Sachen wurden durch einen Matrosen, der die Fallreepstreppe niederlief, hinunter gereicht, und das Boot stieß zum zweitenmale ab.

      »Liebe Mutter, jener Herr Soldegg, den ich auf dem Quarterdeck fand, ist doch nicht mit Ihnen von Deutschland, sondern wahrscheinlich erst hier an Bord gekommen?« frug der junge Mann die alte Dame, als sie wieder eine kleine Strecke vom Schiff ab waren.

      »Soldegg? – ich weiß nicht« sagte Frau von Kaulitz, »ich kenne die Zwischendeckspassagiere nicht, und habe den Namen nie gehört.«

      »Er sah nicht aus wie ein Zwischendeckspassagier, und stand auch auf dem Quarterdeck bei den Damen« sagte Bloomfield.

      »Soldegg – Soldegg? – kenne ich nicht – vom Land ist aber auch Niemand herüber gekommen, den Steuerbeamten ausgenommen.«

      »Dort drüben steht er, etwas rechts vom Besahnmast – den meine ich, der jetzt gerade den Hut aufsetzt.«

      Die alte Dame, die ihre Brille noch aufbehalten hatte, drehte den Kopf dorthin und sagte dann:

      »Das ist ein Herr Namens Henkel, der sich eine junge hübsche Frau von Deutschland geholt hat, aber nicht mit ihr durchgebrannt

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