Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band - Gerstäcker Friedrich

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Capitain kündigte indessen den jetzt unruhig werdenden Passagieren an, daß sie hier zu liegen hätten bis das Sanitäts- und Policeyboot an Bord gewesen wäre, was sehr wahrscheinlich bald kommen, und ihnen dann völlige Freiheit lassen würde, so rasch an Land zu gehn wie sie eben wünschten. Dagegen ließ sich Nichts thun, und die Leute behielten jetzt wenigstens Zeit sich ihre Umgebung zu betrachten, die sich mannigfaltig und bunt genug erwieß.

      Auf der Straße die sich dicht am Ufer hinzog, wimmelte es von Menschen und Wägen; Karrenführer brachten auf zweirädrigen Karren mit einem kräftigen Pferd bespannt, in fast ununterbrochenem Zuge Waaren herab gefahren, große Omnibusse fuhren auf und ab, Passagiere an allen Ecken absetzend und wieder aufnehmend, Neger mit schweren Lasten auf den Schultern eilten vorüber, oder standen in lachenden Gruppen an den Werften. Reiter gallopirten die Straße nieder, kleine Chaisen und Wägen kreuzten sich herüber, und hinüber, und Negerinnen mit Körben oder großen Blechkannen auf den Schultern boten von Haus zu Haus, von Schiff zu Schiff ihre Waaren feil. Und das laute taktmäßige Singen dort drüben, mit dem »Ahoy-y-oh!« der Matrosen dazwischen? Ein Trupp von halbnackten Negern lud dort ein französisches Schiff mit großen Zuckerfässern, ein Vorsänger gab dabei Takt und Versmaas an, und während sechs kräftige Burschen mit dem rollenden Coloß den hohen Damm der das Ufer einfaßte herunterliefen, den Aufschlag gegen die schräg zum Schiff emporliegende Planke zu bekommen, tanzten und sprangen die Neger, das Faß jedoch umgebend, daß sie der geringsten Abweichung steuern konnten, darum her, und warfen sich dann alle zugleich, aber immer im Takt ihrer Melodie, und diese nicht einen Moment unterbrechend, mit den Schultern dagegen, es eben so rasch die Planken hinauf an Bord zu rollen, als es den Damm allein herunter gekommen. So geschickt benahmen sich die Leute dabei, und so anscheinend leicht lief ihnen das kolossale Faß unter den Händen fort, daß die Arbeit wie Spiel aussah; hätten sie aber die furchtbar schweren und nicht einmal ganz gefüllten Fässer, in denen der rohe Zucker immer wie Blei nach unten fiel, langsam rollen wollen, kaum doppelt die Zahl würden sie dann an Bord gebracht haben.

      Und wie mit Fahrzeugen belebt war der Strom; wohin das Auge blickte ein reges Drängen und Treiben von Dampf- und Segelschiffen, und schwerfälligen breitmächtigen Ruderbooten und Flößen, die mit der Strömung hinab, tiefer gelegenen Plantagen oder Ortschaften zuschwammen. Was für Colosse trug dabei die Fluth und die Deutschen staunten, und hatten Ursache dazu, als breite Dampfboote den Strom nieder kamen, die schwimmenden Bergen aufgethürmter Baumwollenballen glichen, aus denen oben, während sie bis unmittelbar über die Oberfläche des Wassers reichten, nur eben die beiden schwarzen qualmenden Schornsteine herausschauten. Ballen auf Ballen war da gepackt, regelmäßig wie Backsteine in einer Mauer, von dem Rand des unteren Verdecks gerade und steil emporlaufend, daß selbst das kleine, vorn oben auf dem höchsten Deck stehende Lootsenhaus nur eine Öffnung zum Durchschauen hatte, und Cajüte wie Zwischendeck von einer unerbittlichen Baumwollenwand umschlossen blieb.4 Die Erndte brachten sie nieder aus den reichen Plantagen der südlichen Staaten, aus Tenessee und Arkansas, Mississippi und Louisiana, hier in Schiffe gestaut und über die Welt versandt zu werden, während die gewaltigen Boote schon nach wenigen Tagen wieder mit Seesalz, Reis, Kaffee und den Produkten der Tropenländer beladen, ihre Salons und ihre Zwischendecks mit Passagieren gefüllt, die Rückreise nach den nördlichen Staaten antraten.

      Aber das nicht allein – gerade auf sie zu kam ein kleiner scharfgebauter Dampfer, das untere Deck mit Rindern und Schaafen gefüllt, die in Pensylvanien, zweitausend englische Meilen von hier entfernt, in voriger Woche eingeschifft wurden und jetzt bestimmt sind den New-Orleans Markt auf einen Tag mit frischem Fleisch zu versehn. Die Passagiere der Haidschnucke hatten übrigens volle Muße dieß Boot zu beobachten, das dicht an ihnen vorbeilief, eine kleine Strecke weiter dem Lande zu hielt, sein Boot mit vier Matrosen und dem Steuermann darin aussetzte, und dann plötzlich die Planken losschlug die am hinteren Theil oder steerage deck das Vieh bis jetzt verhindert hatten über Bord zu springen. Es dauerte auch gar nicht lange, so fingen sich die Rinder, wahrscheinlich im Inneren gestört, an zu drängen, und kamen der Öffnung oder dem Bord, der etwa noch immer zehn Fuß über der Oberfläche des Stromes lag, näher und näher, bis ein Stier, der die Hörner gegen einen Kameraden einsetzte von diesem zurück und dem Bootrand zugepreßt wurde, über den er mit den Hinterbeinen glitt, sich mit den Vorderbeinen, ängstlich brüllend, noch einen Augenblick hielt, und dann kopfüber in den Strom hinunterstürzte. Wie er aber wieder nach oben kam, und sich von dem Boot verhindert sah stromab zu gehn, hielt er rasch dem Lande zu, wo dieses sich an einer schmalen Stelle zwischen zwei dort vor Anker liegenden Schiffen zeigte, und das war gerade der Punkt wohin ihn die Burschen haben wollten, und wo die Käufer schon eine kleine Umzäunung hergestellt hatten, die an Land schwimmenden Thiere in Empfang zu nehmen. Einer nach dem anderen wurde so, wenn sie nicht gutwillig gehn wollten, von Bord hinuntergeworfen, und ihnen folgte, als auch der letzte in Sicherheit war, in Masse die Schaafheerde, der man nur einfach den Leithammel voran hineinwarf, als sich die ganze Heerde auch in größter Eile und Hals über Kopf ihm nachstürzte.

      Dieß außergewöhnliche Schauspiel hatte die Aufmerksamkeit der Passagiere so in Anspruch genommen, daß sie im Anfang gar nicht bemerkten, wie ein paar Fruchtboote indessen an das Schiff herangekommen waren und dieses jetzt, mit ihrer delicaten Last umkreisten. Ziemlich vorn im Boot saß eine sonngebräunte Gestalt mit breiträndigem Strohhut, nur mit Hemd und Hose bekleidet und ein buntfarbiges Seidentuch locker um den Hals geschlagen, in jeder Hand ein leichtes kurzes Ruder mit denen er das zierlich schlanke Fahrzeug rasch und behende vorwärtstrieb, und durch die geringste Bewegung herüber und hinüber lenkte. Von der Mitte des Bootes ab aber, bis hinten zum Spiegel desselben lagen, in entzückender Fülle die Schätze der Tropen, wie dieses sonnigen Landes aufgestapelt und zum Genuß bereit, während in dem Spiegel des einen Boots ein kleiner Capuziner-Affe, in dem des anderen ein buntfarbiger Papagei dem reizenden Bild zur Staffage zu dienen schienen. Duftige Ananas mit den grüngezackten Kronen, rothbäckige Granatäpfel, goldene Apfelsinen, saftige Pfirsiche, Cocosnüsse in ihrer braunen Schaale, mehlige Bananen, mit nordischen Äpfeln und Birnen und schwellenden Trauben, mit Granat- und Orangenblüthen überworfen lagen in wilder Mischung bunt und wirr und doch sinnig geordnet, durcheinander, und die Hände der armen, Salzkost gewöhnten und gequälten Auswanderer, streckten sich nur soviel sehnsüchtiger nach den gezeigten Schätzen aus, als fast den meisten die Mittel fehlten, sich augenblicklich in Besitz derselben zu setzen.

      Kleines Geld – oh wer jetzt kleine Amerikanische oder Englische Münzen hatte, sich einen Theil des Reichthums da unten zuzueignen – nur ein einziges Stück den lechzenden Gaumen zu letzen. Und wie sie durch einander liefen und in den Taschen suchten, und borgen wollten, Einer vom Anderen, und Keiner, wie ihnen das wohl auch oft in der alten Heimath geschehn sein mochte, die landesübliche Münze zu zeigen hatte. Hie und da tauchte aber doch ein Spanischer Dollar auf, Früchte mußten gekauft werden, die erste Landung auch würdig zu feiern, und der Steward wurde dann ebenfalls hinunter geschickt, für die Cajüte ein reiches und willkommenes Desert zur Abendtafel einzukaufen. Die beiden Spanier in den Fruchtbooten machten glänzende Geschäfte an den beiden deutschen Schiffen.

      Endlich kam auch das Sanitätsboot und das Schiff wurde, nach sehr flüchtiger Untersuchung, als vollkommen gesund erklärt, wie den Passagieren von Obrigkeitswegen gestattet, sobald sie wollten oder könnten an Land zu gehn. Es war aber indessen auch beinah Abend geworden, und der Capitain erklärte seinen Cajütspassagieren daß er selber allerdings augenblicklich an Land müsse, und gern von ihnen mitnehmen wolle wer zu gehen wünsche, daß er ihnen aber rathe die Nacht noch an Bord zu bleiben, und dann morgen früh ihre Ausschiffung in Muße und mit Ruhe vorzunehmen. Mit den Zwischendeckspassagieren wurden schon weniger Umstände gemacht, und ihnen eben nur einfach angekündigt, daß es für heute zu spät sei sie auszuschiffen, und sie morgen früh, wenn sie es wünschten mit Tagesanbruch befördert werden sollten. Übrigens hätten sie heute Abend noch einmal Abendbrod und morgen Frühstück zu erwarten – wonach zu richten.

      Von den Cajütspassagieren hatten sich aber eben der Professor und die Herren Benkendroff, Henkel, und der Doktor entschlossen mit an Land zu fahren, als von dort aus ein Boot abstieß in dem ein Herr und eine Dame saßen und auf die Haidschnucke zuhielten. Frau von Kaulitz,

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Es giebt Dampfboote auf dem Mississippi, die solcher Art 4000 Amerikanische Ballen Baumwolle tragen.