Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band - Gerstäcker Friedrich

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dem Golfstrom zu, tausende von Meilen weit, damit sie der durch den Ocean hinüberwälze, einem anderen Welttheil zu.

      So kam Mittag heran und ging vorüber, während die Passagiere schon vollständig seit mehr als vier und zwanzig Stunden gerüstet an Deck auf- und abliefen, und ungeduldig den Zeitpunkt kaum erwarten konnten, der ihnen erlauben würde dieses wundervolle Land zu betreten.

      »Dort liegt New-Orleans!« sagte da der Steuermann, der vorn auf die Back kam, die dicht gedrängt von Passagieren stand, nach dem Anker und dessen Befestigung zu sehn. Er deutete dabei mit der Hand nach rechts hinüber, wo ein weites dünnes, fast spinnwebartiges Mastengitter den Horizont begrenzte.

      »Wo? – wo?« riefen eine Menge Stimmen durcheinander, und Einer frug – es war Löwenhaupt – »dort drüben, wo das lange Staket ist?«

      Der Steuermann warf ihm einen mitleidsvollen Blick zu glaubte aber schon überflüssig Auskunft gegeben zu haben, und stieg, ohne irgend eine der tausend an ihn gerichteten Fragen weiter zu beantworten, wieder an Deck hinunter, nach hinten auf seinen Posten zu gehn. Aber die Leute bedurften keiner weiteren Weisung; nur erst das Auge in etwas gewöhnt die fernen Gegenstände in ihren einzelnen Umrissen von einander zu trennen, und zu erkennen, unterschieden sie bald selbst klar und deutlich die Masten unzähliger Schiffe, und Kirchthürme und Kuppeln, die sich scharf gegen den rein blauen Horizont abzeichneten, und bald auch den letzten Zweifel zerstreuten daß sie sich der Stadt, daß sie sich dem Ziel ihrer Reise näherten.

      Von dem Augenblick an schienen aber auch alle Bande der Ordnung gelößt zu sein und New-Orleans war vergessen, wie das rege bunte Leben um sie her, an denen noch vor wenig Minuten ihr Blick mit Entzücken und stummem Staunen gehangen. An Land: jeder andere Gedanke erstarb in dem einen bewältigenden Gefühl, und jeder einzelne Passagier schien es jetzt ganz besonders und allein darauf angelegt zu haben, durch Vorziehn seines Koffers wie sonstigen Gepäcks, seiner Kisten und Hutschachteln, Körbe und Betten, allen Übrigen den Weg auf das gründlichste zu versperren, und die schon ohnedieß im Zwischendeck herrschende Confusion zu ihrem möglich höchsten Grad zu treiben. Vergebens blieb alles Schimpfen und Befehlen der Steuerleute; vergebens blieben die Flüche und Verwünschungen der Matrosen, die bald hier bald da über an Deck geschleppte Kisten und Kasten stürzten und wegfielen, die Passagiere thaten als ob sie fürchteten man würde sie nicht von Bord lassen, wenn sie landeten, und nun Alles vorbereiteten zu schleunigster Flucht. Der Capitain ging endlich sogar, was er die ganze Reise über noch nicht ein einziges Mal gethan, zu ihnen, und erklärte ihnen daß es sehr die Frage sei, ob sie diese Nacht noch überhaupt an Land dürften, denn die Gesundheits-Policey in New-Orleans visitire erst das Schiff und bestimme dann, ob den Passagieren eine augenblickliche Landung gestattet werden könne; sie möchten deshalb sich nicht überall Platz und Weg verstellen, da zehn gegen eins zu wetten sei, daß sie Beides noch nothwendig brauchen würden, ehe sie das Schiff verließen. Niemand glaubte ihm.

      »Jetzt kommt der alte Hallunke nun wir von Bord wollen« rief Steinert besonders, doch natürlich erst als der Capitain außer Hörweite war, »und denkt sich noch beim Abschied einen weißen Fuß bei uns zu machen; redet süß und dreht den Kopf bald so, bald so herüber. Er soll zum Teufel gehn, wir brauchen ihn jetzt nicht mehr, und thun was wir wollen.«

      Der kleine Dampfer hatte indessen wacker die Strömung gestemmt, und seine beiden Schiffe dem bestimmten Landungsplatz merklich näher gebracht. Höher und höher tauchten dabei die Masten aus dem flachen Lande auf, und dehnten sich in unabsehbarer Reihe am linken Ufer des Stromes hinauf. Auch gewaltige Häusermassen wurden sichtbar, die in geschlossenen Colonnen den Mastenwald umzogen und die untere Grenze der Stadt, wenigstens eine langgestreckte Reihe von Häusern die mit ihr in unmittelbarer Verbindung stand, lag ihnen, wie sie den Strom hinaufschauten, schon gerade gegenüber, von dort ankernden Schiffen wie mit einem festen Damm umzogen.

      Clara Henkel hatte indessen eine furchtbare Zeit verlebt, und mit keinem Herzen, dem sie sich und ihr entsetzliches Schicksal anzuvertrauen wagte, die Last allein getragen, bis sie drohte sie zu Boden zu drücken. Mit dem Bewußtsein welches entsetzliche Verbrechen der Mann verübt, in dessen Hand sie die ihre am Altar gelegt, war auch der feste unerschütterliche Entschluß in ihr gereift, von diesem Augenblick an das Band als zerrissen zu betrachten, das sie an ihn gebunden. Aber was jetzt thun? – in dem fremden Lande allein und freundlos; was beginnen, wie handeln? – Zurück zu ihren Eltern kehren? – alle Pulse ihres Herzens zogen sie dorthin und es blieb fast kein anderer Ausweg für sie; aber was würde die Stadt dann sagen, wie würde das müßige Volk die Köpfe zusammenstecken und lachen und spotten über die »reiche Amerikanische Braut« die so rasch und allein gebrochenen Herzens zurückgekehrt in das Haus, das sie in Glück und Glanz verlassen? – Was kümmerte sie die Stadt, was herzlose Menschen, die mit kaltem Blut und lachendem Munde Ruf und Glück einer Welt unter die Füße treten, wenn sie sich eine Viertel Stunde die Zeit damit vertreiben können, und doch bebte sie davor zurück – doch malte sie sich mit grausamer Phantasie alle die einzelnen kleinen Gruppen aus, alle die Märchen und Erdichtungen, alle die schlauen und nur zu furchtbar wahren Combinationen die auf ihr Haupt allein dann fallen würden. Und doch, blieb ihr eine andere Wahl?

      Aber noch eine andere Sorge füllte ihr die Brust – konnte sie so, unmittelbar in das väterliche Haus zurück? mußte nicht erst ein Brief wenigstens die armen Eltern vorbereiten auf das Schreckliche? – Oh wer rieth – wer half ihr da? Und ja, ein Wesen war an Bord dem sie ihr Elend klagen, die sie um Rath um Trost bitten konnte in ihrem Schmerz. Trost? allmächtiger Gott wo lag ein Trost für die Vernichtete – doch Rath, doch Mitgefühl – ein freundlich, theilnahmvolles Wort als Tropfen Lindrung in das Meer von Jammer. Die wackere Frau Professor Lobenstein, die sich ihr stets als mütterliche Freundin gezeigt, der durfte sie vertrauen was sie zu Boden drückte, was sie nicht mehr allein zu tragen im Stande war, und ihrem Rath wollte sie folgen – gehorchen wie ein Kind der Mutter folgt. Aber nicht an Bord ging das an, die einzelnen Cajütenwände bestanden nur aus dünnen Planken, die nicht einmal bis oben hinauf fest anschlossen, sondern dort einen offenen Rand hatten – die Nebencoye konnte jedes gesprochene Wort verstehn, und auf dem Quarterdeck selbst waren sie nie allein. Und konnte sie warten bis sie in New-Orleans gelandet? – wie sollte sie denn von Bord kommen wenn sie nicht gerade mit Lobensteins das Schiff verließ, und bat sie diese, sich ihrer Sachen, ihrer selbst anzunehmen, ehe sie sich der Frau entdeckte, was hätten sie von ihr denken, was ihrem Gatten gegenüber selber da thun können?

      In Angst und Verwirrung konnte die Unglückliche zu keinem festen Entschluß kommen, und überließ der Zeit, dem Augenblick, das Weitere – ja sie fing endlich an, als ihr die quälenden Gedanken Tag und Nacht das Hirn zermartert hatten, gleichgültig gegen Alles zu werden, was sie von jetzt ab noch betreffen konnte. – Das Schrecklichste – das Furchtbarste war geschehn, was konnte sie noch schlimmer treffen als der Schlag. Nur das eine stand fest und unerschüttert in ihrer Seele – mit ihm keinen Schritt weiter in diesem Leben.

      Auf dem Schiffe herrschte indessen ein wildes reges Leben; überall hatten sich kleine Gruppen gebildet, die das Neue, das sie umgab anstaunten und bewunderten, und einander auf frisch auftauchende Merkwürdigkeiten mit Hand und Mund aufmerksam machten. Und wie die Kinder lachten und jubelten sie dabei, und streckten die Arme danach aus, als ob sie den Augenblick nicht erwarten könnten, der sie endlich, endlich in wirklichen Besitz all dieser Herrlichkeiten bringen sollte. Da gab der Dampfer ein plötzliches Zeichen mit der Glocke, die Taue an beiden Borden wurden losgeworfen, und das kleine schwarze Fahrzeug glitt im nächsten Augenblick, seine Wellen schäumend gegen ihren Bug anwerfend, zwischen den beiden Kolossen die er heraufführte vor. Zu gleicher Zeit fast sprangen die Matrosen der beiden deutschen Auswanderer-Schiffe nach vorn an ihre Anker.

      »Steht klar da von der Kette – zurück da – fort aus dem Weg!« schrieen die Seeleute durcheinander, und stießen die Passagiere die nicht gleich begriffen was sie sollten, und wem sie eigentlich im Weg standen, unsanft zur Seite; »Alles klar – laßt los« kreischte eine Stimme und alles Weitere verschwand in dem Schlag auf's Wasser, den der Anker that, und dem furchtbaren Gerassel der ihm, durch die Klüsenlöcher nachsausenden

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