Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte. Eugenie Marlitt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie Marlitt страница 152

Автор:
Серия:
Издательство:
Gesammelte Werke: Romane + Erzählungen + Gedichte - Eugenie  Marlitt

Скачать книгу

die offenbarste Fälschung sei?« rief sie, den Arm gegen das Gemälde ausstreckend, in ausbrechender Leidenschaftlichkeit. – »In jener heiligen Nacht, die man die Bartholomäusnacht nennt, war jede Hand, die die Waffe auf ein Hugenottenherz richtete, die strafende Hand Gottes selbst –«

      »Bitte, Fräulein von Riedt, – ich dulde nie, daß in dieser meiner stillen Werkstätte der Konfessionshader laut werde.«

      »Und entfesseln Sie ihn denn nicht selbst in geradezu verbrecherischer Weise?!«

      Er lachte hart und verächtlich auf. »Ach ja, in unserer Zeit ist jeder Künstler, jeder Denker ein Verbrecher, sobald er nicht vertuscht, sondern an der Wahrheit festhält und das wahrhaft Gute und Edle will – man beschuldigt ihn der aufdringlichen Tendenz, mag er sie gewollt haben oder nicht ... Aber ich habe bereits erklärt, daß ich mir Ihre kritischen Bemerkungen entschieden verbitte, mein Fräulein! – Wo es Ihnen gelingt, den Fuß hinzusetzen, da wurzelt er auch sofort fest, wie eine verderbliche Schlingpflanze, und das Terrain ist erobert! Auf diese Weise haben Sie sich in meinem Hause eingenistet und einen Frauenwillen unterjocht, der sonst an Starrheit nichts zu wünschen übrig läßt. Von diesem Gebiet habe ich mich zurückgezogen – ich überlasse es Ihnen. Ich mag keinen Besitz, den ich täglich, stündlich immer wieder dem bis zum Wahnwitz gesteigerten Fanatismus abringen muß! Aber hier, um das edle Antlitz meiner Kunst, meiner Heiligen, der unermüdlichen Trost- und Freudenspenderin, sollen wir die Nachteulen und Fledermäuse ganz gewiß nicht flattern –«

      »Arnold!« – Die Baronin stürzte auf ihn zu und ergriff mit beiden Händen den Arm des Sprechenden – es lag eine unbeschreibliche Angst in ihren Zügen. »Widerrufe, Arnold! Du willst nicht sagen, daß du deine Kunst über dein Weib stellst, nein, das willst du nicht sagen!«

      Er stand unbeweglich; nur seine Augen streiften im ersten Moment hastig über die zwei hageren Hände, die seinen Arm umklammerten, als verlange es ihn, sie von sich zu schütteln. »Ich habe gesagt, was wahr ist,« versetzte er kalt. »Ich habe sie erwählt! Sie zeigt und führt uns nach oben,– nie reißt sie mich hinab und zwingt mich, in die verhaßten dunklen Schlupfwinkel zu blicken, als da sind Verstellung, Lug und Trug, Herrschsucht und boshafte Laune in der weiblichen Seele. Nie hat sie sich als treulos erwiesen –«

      »War ich dir nicht treu?« fuhr die Baronin auf.

      »Du pflegst eine Freundschaft gegen meinen Wunsch und Willen, die Unfrieden und Hader in unsere Ehe getragen hat.« Er zeigte auf die Stiftsdame, die mit untergeschlagenen Armen, die Lippen fest geschlossen, und kühne Herausforderung auf der Stirn, unverwandt die Augen auf ihn gerichtet hielt. – »Sie mag es widerlegen, wenn ich dich beschuldige, den Namen deines Mannes fort und fort durch gehässige Anklagen und Mitteilungen verunglimpft zu haben!«

      Die Stiftsdame schwieg – sie war jedenfalls nicht fähig zu lügen. »Sind Sie so fehl- und sündenlos, daß Sie über jeder Anklage zu stehen vermeinen?« fragte sie nach einem augenblicklichen Zögern ausweichend.

      Ein verächtliches Lächeln glitt über sein Gesicht. »Das sprach die Diplomatin, der gutgeschulte Klostersendbote ... Ich bin nicht fehl- und sündenlos – die Schillings sind gesunde Erdgeborene – und ich kann das Blut meiner Vorfahren nicht verleugnen. Sie waren samt und sonders keine lammfrommen, unterwürfigen Ehemänner – ich glaube nicht, daß wir auch nur einen einzigen Pantoffelhelden zu verzeichnen haben. Diese Unlenksamkeit mag mancher Schillingschen Ehefrau ein Dorn im Auge, ein Stein im Wege gewesen sein; allein sie hat das stillschweigend verwunden, denn die Annalen unseres Hauses nennen nicht eine Treulose, die durch bösartigen Klatsch hinter dem Rücken ihres Mannes seine Ehre angegriffen hätte.«

      Er ging nach der Tür, durch welche er vorhin in das Atelier zurückgekehrt war, und öffnete sie weit; dann verbeugte er sich leicht gegen die Stiftsdame und schritt nach der Wendeltreppe, um sich in das obere Gelaß zurückzuziehen.

      »Du weisest Adelheid aus unserem Hause?« rief die Baronin wie außer sich.

      Er blieb, die Hand auf das Geländer gelegt, an der untersten Stufe stehen und wandte das Gesicht zurück.

      »Ich glaube das nicht zum erstenmal zu tun,« sagte er mit großer Ruhe. »Allein Fräulein von Riedt verfolgt ›höhere Ziele‹, die ihr verbieten, höflich angedeutete Wünsche zu verstehen und die Stimme des eigenen weiblichen Zartgefühls zu beachten ... Jeder andere Mann würde nach so vielen mißglückten gütlichen Versuchen, einen unheilstiftenden, bösen Geist aus seiner unmittelbaren Nähe zu entfernen, von dem ihm zustehenden Recht als Hausherr energischen Gebrauch machen – das widerstrebt mir. Ich muß mich darauf beschränken, gegen jedes fernere Betreten meines Ateliers Verwahrung einzulegen und mich hier zu isolieren – ich werde das Säulenhaus nicht mehr betreten, solange du Besuch hast.«

      Festen Schrittes stieg er die Treppe hinauf und verschwand hinter dem Vorhang; man hörte, wie er kräftig auch die Tür hinter sich zudrückte.

      Die Baronin starrte ihm nach, als erwarte sie, ihn jeden Augenblick reuig wieder hervortreten zu sehen – plötzlich nahm sie ihre Schleppe auf und eilte nach der Treppe; aber schon stand Fräulein von Riedt neben ihr – sie war dahingerauscht wie ein Dämon, der seine schwarzen Fittiche über eine ihm verfallene Seele breitet. Sie sprach kein Wort; mit raschem Griff nahm sie die Hand, die eben das Geländer umfaßte und zog sie herab ... Und in dieser Berührung mußte eine seltsame Kraft, eine Übergewalt liegen – die Frau mit dem eigensinnigen Gesicht zog den Fuß zurück, den sie bereits auf die untere Stufe gesetzt hatte – freilich unter allen Zeichen des Widerspruches und mit einem Ausdruck, als kämpfe sie Tränen des Zornes, der inneren Wut nieder. Aber sie ging mit – sie rang ihre Hand ungeduldig los und schritt nach der offenen Tür.

      »Da hinaus gehen wir nicht!« erklärte Fräulein von Riedt fest, und der schneidende Ton in ihrer Stimme besagte, daß sie durchaus nicht gewillt sei, den Weg zu betreten, auf den »der Hausherr« sie gewiesen. »Schließe die Tür des Glashauses auf – der Schlüssel muß ohnehin wieder an Ort und Stelle!«

      Sie traten in den Wintergarten, und die Baronin zog den Schlüssel aus der Tasche. Donna Mercedes hörte ihr tiefes Atmen – es kam aus einer vor Aufregung keuchenden Brust. »Reise ab, Adelheid!« preßte sie halb flehend, halb gebieterisch hervor.

      »Auf keinen Fall – ich bleibe!« entgegnete die Stiftsdame kalt. »Der Erbärmliche soll mich nicht um eine Linie breit von meinem Weg ablenken ... Mehr als je habe ich an meiner Aufgabe festzuhalten, da es ein so jämmerlich schwankendes Rohr ist, das ich stützen muß ... Du hast unzähligemal versprochen, dich aus den entwürdigenden Banden zu retten ... Sobald du unter uns bist, gebärdest du dich, als sei dir alle sinnliche Leidenschaft tief verhaßt; du spielst mit Vorliebe die Heilige, wie du stets alles daran setztest, als Tugendmuster aufgestellt zu werden. Und die treuen Führerinnen unserer Jugend glauben auch steif und fest, daß in deine Seele nie ein unreiner Wunsch gekommen, daß du einfach das betörte Opfer des spekulativen alten Freiherrn geworden seiest – sie hast du zu überzeugen gewußt, mich aber nicht, mich niemals! ... Und wenn sie alle denken, Schilling klammere sich an deinen Reichtum, er verhindere immer wieder deine endliche Rückkehr in den Orden, dessen Eigentum du eigentlich bist, so weiß ich am besten, daß du nicht willst, daß sich deine sündhafte Neigung an jedem Strohhalm festhält, den dir die trügerische Hoffnung hinwirft ... Aber unser Pakt, nach welchem du gelobt hast, mit mir zu gehen, sobald Schilling selbst all und jede Liebe für dich leugnet, dieser Pakt hat sich eben erfüllt – aus jedem Wort, aus jeder seiner Gebärde sprach der entschiedenste Widerwille, sprachen Haß und Verachtung – er hat dich nie geliebt – nie!«

      Die Stiftsdame hatte während dieser ganzen Strafrede die Frau an ihrer Seite festgehalten. Die kräftig geformten, schönen, weißen Hände, die das hagere Gelenk und den Arm der Baronin umspannten, mußten wie Eisenspangen fesseln – wie hätte sonst die Frau der schonungslosen

Скачать книгу