Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner Toni der Hüttenwirt Paket

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nicht weit. Unterwegs kamen Clara Gruppen von Bergwanderer entgegen. Sie waren alle auf dem Weg zur Berghütte von Toni und Anna.

      Die Bank am »Erkerchen« war besetzt. Clara stützte sich auf das Geländer und betrachtete die Landschaft. Es war wirklich ein grandioser Ausblick, der sich von dieser Stelle bot. Wieder drängte sich Clara der Vergleich mit dem Theater auf. Das ist ein herrlicher Logenplatz, dachte sie. Sie freute sich, als die Wanderer weiterzogen.

      Clara setzte sich auf die Bank. Sie trank einen Schluck schwarzen Tee mit viel Zitrone und Zucker, den Anna ihr eingepackt hatte. Im Rucksack fand sie auch eine kleine Landkarte mit der Umgebung von Waldkogel. Dort waren die Flurbezeichnungen und Namen der Berggipfel eingetragen. Clara vertiefte sich in das Kartenmaterial und ordnete die Namen der überwältigenden Kulisse zu, die sich ihr darbot.

      Ganz langsam wurde sie ruhiger. Sie legte die Karte zur Seite, verdrängte alles Sachliche aus ihrem Kopf. Sicherlich war es schön, die Namen all der Berggipfel zu wissen, aber noch schöner war es, sich einfach nur an dem Anblick zu erfreuen.

      Clara ließ ihre Blicke schweifen. Unten im Tal lag Waldkogel inmitten grüner saftiger Wiesen. Der Turm der Dorfkirche ragte in den Himmel. Das Kreuz und der Wetterhahn leuchteten golden in der Sonne. Die Turmuhr schlug zu jeder Viertelstunde, erst einmal, dann zur halben Stunde zweimal, um Dreiviertel dreimal und zur vollen Stunde viermal. Danach erfolgten zur vollen Stunde dunklere Töne, die weit über den Ort hinaustrugen. Auf Clara wirkte das beruhigend. Es schien ihr, daß es eine andere Zeitmessung war als die digitalen Uhren, die sie kannte, die permanent Stunde, Minute und Sekunde anzeigten. Mit jedem Blick auf die Ziffernkolonnen wurde man erinnert, wie schnell die Zeit verrinnt. Clara dachte darüber nach, wie oft sie sich davon gehetzt fühlte. Nein, hier war alles anders. Es kam ihr vor, daß sie durch die Ruhe mehr Zeit gewann.

      Ich muß nicht hetzen. Ich muß nicht unbedingt sofort das Geheimnis um die Briefe erforschen, so wie ich es mir vorgenommen hatte. Vielleicht hatte Anna nicht so unrecht mit dem, was sie angedeutet hatte. Clara erschien es plötzlich sinnvoll, daß sie die Briefe vielleicht noch aus einem anderen Grund gefunden hatte. War es möglich, daß sie einfach nur hierher fahren sollte, um diese Schönheit der Natur zu finden und Kraft zu schöpfen?

      Clara dachte an ihren Bruder Stephan. Er sah sie wohl ganz richtig. Sie war eine sehr lebhafte Person, die immer irgend etwas tun mußte. Clara versuchte zurückzudenken, wann sie einfach nur einmal gefaulenzt hatte. Sie konnte sich nicht daran erinnern.

      Faulenze ich jetzt? fragte sich Clara und dachte nach. Nach einer ganzen Weile kam sie zu dem Ergebnis, daß sie nicht faulenzte. Es ist wie in einem Theaterstück. Zwischen den einzelnen Akten gibt es Pausen. Sie fühlte sich wie eine Zuschauerin, die einem Drama zusah. Der erste Akt war vorbei. Der Bühnenvorhang aber nicht zugezogen. So war es den Zuschauern möglich, das wunderbare Bühnenbild zu bewundern, in freudiger und neugieriger Erwartung auf den weiteren Verlauf der Handlung. Als Zuschauer konnte man nicht aktiv in das Bühnengeschehen des Schauspiels eingreifen. Doch die Geschichte der Handlung wirkte oft tief in die Herzen der Menschen und schlug Brücken in den Alltag.

      Clara entschloß sich, die nächsten Tage einfach treiben zu lassen. Sie fühlte, wie gut ihr dies tat. Sie wollte all die Eindrücke in sich aufnehmen und in ihrem Gedächtnis speichern, damit sie sich später wieder einmal erinnern konnte. Sie wollte sich einen gedanklichen Zufluchtsort schaffen, auf den sie sich zurückziehen könnte, wenn es notwendig war.

      Clara seufzte.

      Die Menschen, die hier leben, sind zu beneiden. Immer besser konnte sie Anna verstehen, die hier ihre neue Heimat gefunden hatte an der Seite ihres Tonis.

      Carla träumte mit offenen Augen. Sie würde diesen jungen Mann wiedersehen mit den schönen azurblauen Augen. Sie würden auf einer Almwiese in der Sonne liegen. Er würde ihr zärtliche Worte ins Ohr flüstern. Sie würden Hand in Hand durch den Wald laufen. Er würde sie auf seinen starken Armen durch kalte Gebirgsbäche tragen. Gemeinsam würden sie die Gipfel erklimmen und dem Himmel so nah sein.

      Clara besann sich auf ihre Gefühle.

      Ja! Ja! Ja! Der Hauch der Liebe hatte sie gestreift. Noch nie hatte sie einen Mann so angesehen. Noch niemals wurde sie so angesehen. Er ist mir nicht fremd vorgekommen, dachte Clara. Da war eine Vertrautheit da. Ja, sie hatte sich verliebt. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als ihn wiederzusehen.

      Clara überlegte. Es reizte sie mehr in Waldkogel nach ihm zu suchen, als nach der Vergangenheit und dem Geheimnis der alten Liebesbriefe. Vielleicht hatte ihre Großmutter damals diesen Urban Fuchsbichler genauso geliebt. Clara erkannte plötzlich, warum ihre Großmutter diese Briefe aufgehoben hatte. Auch wenn es ihr nicht vergönnt war, ein Leben an der Seite ihrer Liebsten zu leben, hier in Waldkogel, so hatte sie es auf diese Weise geschafft, der Liebe zu gedenken. Liebe ist ewig, wie die Berge, die Natur, die ganze Schöpfung. Liebe ist das, was über allem anderen steht.

      Clara war tief aufgewühlt gewesen, als sie die Briefe gefunden hatte. Sie fühlte sich betrogen, belogen. Das ganze Familienleben ist auf einer einzigen Lüge aufgebaut, dachte Clara damals oben auf dem Speicher. Jetzt sah sie das anders. Ihr Herz war voller Mitleid für ihre Großmutter. Sie hatte diesen Urban Fuchsbichler geliebt. Wie muß sie gelitten haben! Welchen Schmerz mußte das für sie bedeutet haben, als die Briefe ohne Bemerkung von ihm geöffnet zurückgekommen sind. Ihre Großmutter mußte annehmen, daß er wußte, daß sie sein Kind unter ihrem Herzen trug. Aber er schwieg dazu. Welche Demütigung! Sicherlich hatte sich ihre Großmutter Urban Fuchsbichler nicht leichtsinnig hingegeben. Sie muß sich seiner Liebe sicher gewesen sein. Dann mußte sie hinuntergestürzt sein, von dem Gipfel des Glücks und der Erfüllung, in ein Jammertal.

      Voller Zärtlichkeit und Mitleid dachte sie an ihre Großmutter. Wahrscheinlich waren die tiefen Verletzungen ihrer Seele geheilt. Narben waren sicherlich geblieben. Clara war sich sicher, daß darin der Grund zu suchen war, warum ihre Großmutter nicht von ihrer Jugend sprach. Dann würde sie wieder diesen tiefen Schmerz verspüren.

      Clara rieb sich die Augen, als wollte sie alles verwischen, was sie gelesen hatte. Großmutter hat ihr Leben gelebt, und ich werde mein Leben leben. Ich habe nicht das Recht, sie zu verurteilen. Sie ist eine gute Großmutter und war meiner Mutter eine gute Mutter. Sie ist gütig und liebevoll und immer für die Familie da. Sie ist der ruhende Pol inmitten der Familie, wenn draußen herum ein Orkan bläst. Wahrscheinlich saß sie auch einmal hier und sammelte Kraft und Ruhe. Sie hat es geschafft, im Sturm des Lebens sich diese Mitte zu bewahren. Das war das Vermächtnis, das sie aus Waldkogel mitgenommen hat, als sie damals als junge Frau fortgefahren war.

      Es muß Schicksal gewesen sein, daß ich die Briefe gefunden habe, dachte Clara. Sie haben mich hierher geführt, um die Schönheit der Berge, ihre Ruhe verströmende Kraft zu finden. Es ist ein Vermächtnis, das meine Großmutter mir mitgibt. Zwar tut sie das auf einem Umweg, und sie weiß auch nichts davon, aber es ist wunderbar.

      Clara fühlte sich, als hätte sie einen Schatz gewonnen. Sie fühlte sich reifer und ausgeglichener, stark und gerüstet für das Leben.

      So verbrachte Clara die nächsten Stunden träumend auf dem Logenplatz in den wunderschönen Bergen über Waldkogel. Sie genoß den warmen Sommerwind, der ihr durch das Haar streifte. Die Luft roch würzig nach Tannen.

      Clara bückte sich und hob einen kleinen glatten Stein auf, der vor ihren Füßen lag. Sie streichelte ihn fast zärtlich und steckte ihn in die Hosentasche. Den wollte sie mitnehmen, als Erinnerung an diesen Tag. Er sollte sie immer daran erinnern. In der Hosentasche trug sie auch das blaue Taschentuch mit den weißen Punkten. Es war jetzt etwas zerknittert. Sie drückte es zuerst zärtlich an die Wange, dann legte sie das Tuch zu einem Dreieck zusammen und band es sich um den Hals.

      Als Clara später zur Berghütte

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