Schopenhauer. Kuno Fischer

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Schopenhauer - Kuno  Fischer Kleine philosophische Reihe

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Brief an die Verleger der Zeitschrift, denn es könne ein Jahrhundert vergehen, bevor in einem und demselben Kopf so viel kantische Philosophie und so viel Englisch zusammentreffen, wie in dem seinigen. Und darin hatte er vollkommen recht. Nur die Hinweisung auf seine akademische Lehrtätigkeit und die Berliner Lektionsverzeichnisse macht einen etwas wunderlichen und seiner Wahrheitsliebe nicht gerade günstigen Eindruck, denn in diesen Verzeichnissen stand freilich nicht zu lesen, dass er seine »zehnjährige Lehrtätigkeit« nur während eines Semesters ausgeübt hatte.

      Als die zu übersetzenden Hauptwerke Kants bezeichnete er in erster Reihe die »Kritik der reinen Vernunft«, die »Prolegomena« und die »Kritik der Urteilskraft«, in zweiter die »metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft« und die »Kritik der praktischen Vernunft«. Für die Übersetzung der Vernunftkritik forderte er ein Jahr, für die der Prolegomena drei Monate. – Haywoods ungereimten Gegenvorschlag, dass er übersetzen wolle, Schopenhauer die Übersetzung korrigieren möge, ließ er unerwidert. Alle weiteren Schritte, die er zur Herstellung dieser ihm so wichtigen Sache teils bei dem Verleger der Review, teils bei dem Dichter Thomas Campbell noch versucht hat, blieben erfolglos.

      Statt der Werke Kants ins Englische übersetzte er ein spanisches Büchlein ins Deutsche: es war ein Schatz von dreihundert Regeln der Welt- und Lebensklugheit, welchen aus den Werken des berühmten Balthasar Gracian, Jesuitenrektors in Tarragona, dessen Freund Lastanosa gesammelt und als Handorakel: »Oraculo manuel y arte de prudencia« herausgegeben hatte (1653). Schopenhauer wollte seine dem Geist und Stil des Originals angepasste Übersetzung unter dem Namen Felix Treumund herausgeben und hatte auch mit dem Professor Keil in Leipzig schon Verhandlungen darüber angeknüpft (1832), die wohl zur Herausgabe geführt hätten; aber er gab die Absicht der letzteren auf, da er die Übersetzungskunst zu wenig geschätzt sah.167

      Der Gegenstand einer zweiten Übersetzung war eines seiner eigenen Werke. Damit die Schrift »über das Sehn und die Farben«, die doch einiges Aufsehen erregt hatte, auch im Auslande bekannt werde, hielt er es für zweckmäßig, dieselbe ins Lateinische zu übertragen und in der Sammlung der »Scriptores ophthalmologici minores«, die Justus Radius in Leipzig herausgab, einrücken zu lassen. Er schrieb deshalb an den Herausgeber (März 1829), und die Sache wurde so eingerichtet, dass die Schrift unter dem Titel »Theoria colorum physiologica eademque primaria« in dem dritten Bande der »Scriptores« als dessen erstes Stück erschien (1830).

      In dem Brief an Radius und in der Abhandlung selbst hatte Schopenhauer darauf hingewiesen, dass die Sensualisten, wie Locke und Condillac, nicht imstande gewesen wären, die Gesichtswahrnehmung zu erklären, da sie den Unterschied zwischen Eindruck und Wahrnehmung, zwischen Sensation und Anschauung nicht erkannt und daher beide für dasselbe gehalten hätten. Diesen Unterschied habe erst Kant entdeckt und dargetan, daher seine Philosophie sich zu der sensualistischen verhalte wie die Analysis zu den vier Spezies.

      Nicht ohne Bewunderung sehen wir diesen Mann vollkommen gerüstet, in derselben Zeit ein spanisches Buch ins Deutsche, die schwierigsten und tiefsinnigsten Werke der deutschen Philosophie ins Englische und eine seiner eigenen Schriften, welche keineswegs zu den leichteren gehörte, ins Lateinische zu übersetzen. Zu der Kenntnis dieser vier Sprachen kam bei ihm noch die der französischen in gleicher Vollkommenheit, dann die der griechischen und italienischen Sprache.

      Fünftes Kapitel

      Der erste Abschnitt der Frankfurter Periode (1831 – 1841)

      1. Traum und Flucht

      In der Neujahrsnacht von 1831 hatte Schopenhauer, den wir als einen traumgläubigen Philosophen noch werden kennen lernen, ein Traumgesicht, das er sich als eine bedeutungsvolle Warnung auslegte: er sah seinen Vater und einen früh verstorbenen Spielkameraden aus den Tagen seiner Hamburger Kindheit vor sich und glaubte, dass diese Erscheinung eine im neuen Jahr ihm bevorstehende Todesgefahr bedeute. Als nun die Cholera herannahte, verließ er Berlin im August 1831 und begab sich nach Frankfurt am Main. Diese Flucht galt ihm als die Rettung aus der Gefahr, vor der jener Traum ihn gewarnt habe.

      Er kam in den ersten Tagen des September und blieb bis in den Juli des folgenden Jahres. Dieser erste Aufenthalt in Frankfurt war womöglich noch trauriger als acht Jahre vorher sein Leben in München; er fühlte sich niedergedrückt und verdüstert, auch durch körperliche Leiden, und lebte so ungesellig, dass Monate vergingen, bevor er jemand sah, mit dem er sprach.

      In dieser völligen Vereinsamung rührte sich die Sehnsucht nach den Seinigen, die seit kurzem (Juli 1829) aus Rücksichten der Ökonomie und Gesundheit Weimar verlassen hatten und an den Rhein gezogen waren, wo sie in ihrem Landhaus zu Unkel bei Bonn den Sommer und in Bonn selbst den Winter zubrachten. Eben war der Umzug nach Bonn zum zweiten Mal geschehen, als Adele Nachrichten von der Hand des Bruders empfing, der seit zehn Jahren für sie, seit siebzehn für die Mutter verstummt war. Sie antwortete sogleich, liebevoll und nachgiebig (Oktober 1831), wie sie auch schon vor Jahren bei ihrem gemeinsamen Freunde Osann, damals Professor der klassischen Philologie in Jena, besorgt und schmerzlich nach ihm geforscht hatte. Da sie der Mutter über den erneuten Briefwechsel Mitteilungen machen durfte, so schrieb auch diese wieder an den Sohn, und das unselige Missverhältnis hat wenigstens nicht in seiner vollen Schroffheit bis an das Ende fortbestanden; doch hat ein Wiedersehn, welches Adele sehnlichst gewünscht, nicht stattgefunden, obwohl es bei der räumlichen Nähe leicht zu bewerkstelligen war.

      Das Leben der Schwester scheint nach jenem plötzlichen Glückswechsel sich immer mehr vereinsamt zu haben und ist von schwermütigen Stimmungen erfüllt, die sich in ihrem Brief aussprechen; sie macht dem Bruder Bekenntnisse, die in den ökonomischen Differenzen, welche früher obgewaltet hatten, ihm Recht geben. Sein damaliger Gemütszustand erhellt aus dem Brief der Mutter vom 20. März 1832: »Was Du über Deine Gesundheit, Deine Menschenscheu, Deine düstere Stimmung schreibst, betrübt mich mehr, als ich Dir sagen kann und darf. Du weißt, warum. Gott helfe Dir und sende Dir Licht und Mut und Vertrauen in Dein umdüstertes Gemüt.«168

      Noch stand es bei ihm keineswegs fest, dass er Berlin für immer verlassen haben wollte; die Mutter hatte schon den 6. Februar 1832 zur Rückkehr gemahnt, weil man jetzt am Rhein der Ankunft »der asiatischen Hyäne« entgegensehe. Der Tod Hegels, der den 14. November 1831 an der Cholera gestorben war, hätte für Schopenhauer wohl ein Beweggrund sein können, noch einmal seine Lehrtätigkeit zu versuchen. Indessen konnte er sich nicht dazu entschließen und kündigte für das Wintersemester 1831/32 zum letzten Mal eine Vorlesung an, die er nicht hielt. Nunmehr gab er auch den Namen eines Dozenten für immer auf und ging für die nächste Zeit, beinahe ein Jahr, nach Mannheim (Juli 1832 bis Juni 1833).169

      Nachdem er hier Ort und Gesellschaft zur Genüge kennen gelernt hatte, stellte er zwischen den beiden Städten, die er zuletzt bewohnt, eine gründliche Vergleichung an, wog ihre Vorteile und Nachteile in einer langen Liste gegeneinander ab, schriftlich und auf englisch, und kehrte im Juni 1833 nach Frankfurt zurück, um diesen Ort nicht wieder zu verlassen. Die dortigen Witterungsverhältnisse behagten ihm, und er fand A. v. Humboldts Ausspruch gerechtfertigt, dass in Ansehung des Klimas sich Frankfurt zu Berlin verhalte wie Mailand zu Frankfurt.170

      Er hatte noch 27 Jahre vor sich. Die Geburtsstadt Goethes wurde Schopenhauers Eremitage. Hier lebte er wie Descartes in Holland, nur waren die Grundstimmungen beider Philosophen sehr verschieden. Während jener seine Einsiedelei liebte und sich glücklich pries, in bevölkerten Städten

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