Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle. Astrid Rauner

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Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle - Astrid Rauner Von keltischer Götterdämmerung

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hat mich betrogen, Haelinon. Sie schuldet mir diese Antworten, mehr als alle anderen. Diese Schuld muss getilgt werden und darum KOMMT SIE HIERHER!“

      „Ich bin doch hier.“

      Die Stimme ließ beide Männer erstarren. Binnen eines Herzschlages durchliefen unzählige Emotionen Aehrels Miene, verfinsterten sie schließlich, während er von Rowilan abließ und sich langsam aufsetzte.

      „Was sagst du?“ Seine Worte waren eine Drohung. Voll Missgunst und Misstrauen blickte er zu Anation, die auf einmal sehr gefasst im Durchgang zur Grotte stand. Aehrel starrte sie an, als hätte er ihre Anwesenheit erst jetzt bemerkt. Rowilan nutzte die Gelegenheit, um sich aufzurappeln. Unmittelbar schoss Aehrels Hand mit dem Dolch auf seinen Kopf zu, brachte ihn abrupt zum Stillstand, doch weiter kümmerte er sich nicht um den Schamanen.

      Langsam stand Aehrel auf. Aus all seinen Bewegungen, seinen feindlich blitzenden Augen strahlte Gefahr, die Anation fast mit Händen fassen konnte. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, einfach hinter dem nächsten Felsvorsprung zu verschwinden, einen Stein zu fassen und diesen Wahnsinnigen niederzuschlagen. Doch für einen solchen Entschluss war es einen Herzschlag zu spät. Sie wusste es, sie wusste alles. Die Vergangenheit strömte auf sie ein, dass es sie zu übermannen drohte. Gleichzeitig aber entsann sie sich ihrer Gedanken, alten Erinnerungen, die manchmal nur noch schattenhaft, fast fremdartig in ihrem Kopf widerhallten. Was davon war noch sie? Sie, Anation, Haelinon …

      Sie konnte nicht davonlaufen. Ihr Geist wurde sich ihrer ungeheuren Verantwortung bewusst; es war ihre Schuld, dass all dies hier geschah, ihre allein. Sie hatte dieses Kind vor so vielen Jahren in die Obhut einer Fremden gegeben. Er ist mein Sohn …

      „Wer bist du?“

      Wider Willen erschrak Anation, als ihr bewusst wurde, wie nah sie Aehrel hatte kommen lassen. Keine zwei Fuß weit stand er von ihr entfernt; ein Abstand, der mit einem Schlag seiner Faust überbrückt werden konnte. Ein angriffslustiges, doch gleichsam furchtsames Glänzen in seinen Augen wollte ihre Knie weich werden lassen. Doch berührte er sie nicht, wurde nicht handgreiflich. Anation konnte aus dem Augenwinkel erkennen, wie seine geballten Fäuste zuckten – er jedoch war unfähig dazu, diesen letzten Schritt zu tun, der offenkundige Zweifel an ihren Worten bedeutet hätte.

      „Ich bin Haelinon.“ Die junge Frau bemühte sich um Ruhe. „Du hast mich gerufen und die Götter haben mir die Möglichkeit gegeben, dich zu erhören.“

      „Wage es nicht, elende Lügnerin!“ Aehrels Stimme ließ Anation unwillkürlich ein Stück zurückweichen. „Ich kenne euch Schamanen, Geisterbeschwörer, Zauberer. Versuch nicht, mich zu täuschen!“

      Auf einmal reagierte die junge Frau, ohne nachzudenken. Schneller, als Aehrel ausweichen konnte, fasste ihre Hand die seine. Wie ein Lichtstrom begannen Erinnerungen aus ihr herauszuströmen. Es waren Bilder, von denen sie nicht gewusst hatte, dass sie sie kannte, die lange verborgen gewesen waren, irgendwo tief in ihrem Kopf.

      Anation sah sich selbst vor Schmerzen gekrümmt auf einem Strohlager liegen. Sie war alt, älter als Aehrel heute. Kalter Schweiß rann ihre Stirn hinab, während sie mit letzter Kraft die Wehen aus sich herausschrie, die ihr erstes Kind zur Welt bringen sollten. Ihr erstes Kind, mit über vierzig Jahren.

      Nur ein kurzer Moment, das Aufbäumen, die letzte Wehe. Dann ein kleiner, schleimbeschmierter Kopf, ein Körper, der von einer Amme aus ihrem Unterleib gezogen wurde. Die Gefühle drohten, Anation zu übermannen. Sie hatte die Hand ausgestreckt, den winzigen Leib berührt. Es hatte wie ein Griff ins Feuer gebrannt, nur ohne Schmerz. Für einen schreckerfüllten Moment gab es nur die Angst, das schweigende Kind mit den geschlossenen Augen würde sterben, ein kleiner Junge, er wollte nicht atmen, wollte nicht schreien.

      Doch dann fühlte sie sie, die Flamme seines Lebens, die in dem Moment der Berührung neu aufflackerte. Ein Schrei durchdrang den Raum, ihren Kopf, ihrer beider Geist, eine Erinnerung, die nun ihnen beiden gehörte.

      Aehrel taumelte, als er sich losriss. Seine Augen waren geweitet vor Schreck, Erkennen, Betäubung, es war nicht zu sagen, während er rückwärts stolperte, bis er die stützende Wand zu fassen bekam. Er spürte den Nachklang von Anations Gedanken nicht mehr: Der Moment, in dem sie diesen winzigen Körper leben gespürt hatte, hatte sie einen Herzschlag lang mit schmerzhafter Freude erfüllt. Die Erleichterung, dass er am Leben war, gesund, obwohl sie längst nicht mehr fruchtbar gewesen sein sollte, war so unbeschreiblich, dass es wie ein Frevel schien, als ein Gedanke sie trübte. Es war die Frage, die Entscheidung, vor der sich Haelinon neun Monate lang gefürchtet hatte. Warum kam dieses Kind so spät, so spät in ihrem Leben?

      Zu spät.

      Aehrel wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Lippen formten unausgesprochene Worte, die seine Zunge nicht fassen konnte. Der Blick seiner Augen schien Anation direkt in die alte Seele zu sehen, als wollte er sich noch einmal dem versichern, was er längst wusste. Haelinon. Anation konnte nicht beschreiben, was sie fühlte, fühlen musste. Dieser Mann, der älter war als ihr Körper, war ihr eigener Sohn, den sie vor fast vierzig Jahren einer Familie anvertraut hatte, die sie kurz davor kaum gekannt hatte. Aehrel brachte kein Wort heraus. Der Moment hatte ihn in seiner Gewalt, überrumpelt und überrannt, obwohl er sie schon so lange gesucht hatte.

      Die Zeit schien stehen geblieben, bis endlich ein Laut seinem Mund entkam und er mit dieser Frage zu dem jungen Erwachsenen wurde, dem man die Wahrheit seiner Herkunft offenbart hatte.

      „Warum hast du es getan?“

      Warum wolltest du mich nicht, warum hast du die Schwangerschaft verheimlicht und mich fortgegeben, obwohl du alt genug wurdest, um mich aufwachsen zu sehen? Warum konntest du mir nicht die Liebe geben, wegen der dich die Menschen gerühmt haben? Du seist eine verantwortungs- und liebevolle Person gewesen, haben alle erzählt. Warum nicht mir gegenüber? War meine Existenz allein der Fehler, den es wettzumachen galt?

      Jedes einzelne Wort brannte Anation – Haelinon – im Mund. Sie spürte plötzlich die Schuld, die sie Zeit ihres früheren Lebens mit den Ausflüchten verdrängt hatte, ihr einziges Kind kurz nach der Geburt an eine fürsorgliche, liebende junge Mutter gegeben zu haben, die schon einen Sohn geboren hatte und sich in Zukunft noch eine Tochter wünschte. Immer hatte sie gewusst, dass sie nicht ewig davor weglaufen konnte. Nun war der Zeitpunkt gekommen, in dem sie sich zu bewähren hatte.

      „Ich habe mir immer gewünscht, eines Tages Mutter zu sein. Mein ganzes Leben lang. Die Götter allein wissen, warum es nie dazu gekommen ist, obwohl ich darauf gewartet hatte. Doch als es schließlich geschah, bereitete ich mich bereits auf den Weg in die Andere Welt vor.“

      Aehrel lauschte mit aufgerissenen Augen. Die Emotionen funkelten in seinem Blick wie das Wetterleuchten. Haelinon fürchtete sich vor ihm, seiner Reaktion, dem Urteil über sie, dem sie sich immer zu entziehen versucht hatte und das nun doch gefällt werden würde.

      „Ich war alt, Aehrel. Älter als du heute. Als ich damals spürte, dass ich ein Kind empfangen würde, war ich verzweifelt, allein weil es unklar war, ob ich dich lebend zur Welt würde bringen können. Ich hatte mich geistig auf den Gedanken eingestellt, bald die Lebenden zu verlassen, doch ich wollte kein Kind mit mir nehmen. Es war zu spät, viel zu spät für mich. Um meine Gesundheit stand es nicht gut. Kein Jahr nach deiner Geburt blieben meine Blutungen aus und kamen nie wieder. Woher hätte ich denn wissen sollen, dass ich alt genug werden würde, um Nachricht von deiner Kriegerweihe zu erhalten?“

      Aehrel sagte nichts. Seine Lippen waren verschlossen, alle Gedanken, Fragen und Anschuldigungen verschwunden, die in diesem Moment aus ihm hätten herausbrechen sollen. Haelinon sah das Glitzern in seinen Augen. Er war das Kind,

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