Die Angst der Schweigenden. Nienke Jos

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Angst der Schweigenden - Nienke Jos страница 8

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Die Angst der Schweigenden - Nienke Jos

Скачать книгу

sind witzig.«

      »Das war kein Witz.«

      »Nein.« Igor kaute. »Das war kein Witz.« Er musterte sie nachdenklich. »Nun ist es so.«

      Inna schaute auf ihre Armbanduhr. »Grunewald wird gleich …«

      »Grunewald wird nicht kommen«, unterbrach Igor sie mit vollem Mund. »Das haben Sie nur behauptet.« Er lachte. »Die Telefone funktionieren ja gar nicht.«

      »Haben Sie …«

      »Nein.«

      »Nein?«

      Igor schlürfte geräuschvoll seinen Tee. »Sie wollten fragen, ob ich etwas damit zu tun habe.«

      Inna nickte vorsichtig.

      »Natürlich nicht.«

      »Natürlich nicht«, wiederholte sie heiser. »Woher wissen Sie dann, dass …«

      »Weil ich versucht habe, eines Ihrer Telefone zu benutzen. Da saßen Sie noch im Auto.«

      »Wen haben Sie versucht anzurufen?«

      Er stopfte sich den Rest Christstollen in den Mund. »Kennen Sie Grunewald gut?«

      Inna schüttelte den Kopf.

      »Aber Sie sind in ihn verliebt.«

      »Nein.«

      »Sie wollten, dass er Sie rettet.«

      »Nein.«

      Igor grinste. »Sie haben so getan, als würde das Telefon funktionieren. Sie hätten jeden nehmen können, aber Sie haben sich für Grunewald entschieden.«

      »Er war der Erste, der mir eingefallen ist.«

      »Er ist der Einzige, den Sie kennen.«

      »Warum haben Sie mich auflaufen lassen?«

      »Mit dem Telefon?«

      Inna knackte mit ihren Fingergelenken.

      »Sie hätten mir unterstellt, dass ich etwas damit zu tun habe.«

      »Das tue ich auch so.«

      »Sehen Sie? Es macht also gar keinen Unterschied.« Er lächelte. »Können wir das nicht einfach lassen?«

      »Das Gespräch?«

      »Nein, dass Sie mir nicht trauen, dass Sie Angst vor mir haben.« Er fuchtelte genervt mit seiner Hand durch die Luft. Puderzucker flog in alle Richtungen. »Ich kann nichts für den Schneesturm. Ich habe ihn wohl kaum bestellt.«

      »Nein?« Inna strich mit beiden Händen herausgelöste Haarsträhnen hinter die Ohren. Der Sturm hatte ihren Dutt durcheinandergebracht. »Heute Morgen gab es schon Vorboten eines Tiefausläufers vom Nordpolarmeer, die sich laut Wetterbericht im Laufe des Tages zu einem Schneesturm kumulieren sollten.«

      »Und?«

      »Sie wären nicht hier, wenn Sie den Wetterbericht gehört hätten.«

      »Sie auch nicht.«

      »Ich war in meine Arbeit vertieft.«

      Igor erhob sich. »Dass Sie Angst haben, tut mir leid.«

      »Angst wovor?« Vor dem Sturm, dachte Inna.

      »Angst vor mir. Ich finde, das passt nicht zu Ihnen. Wo Sie sonst so pragmatisch sind.«

      »Pragmatisch.« Inna lehnte sich zurück und verschränkte ihre Arme. Sie hörte den Sturm an den Fenstern zerren. Sie hörte Igor, der seine Finger nacheinander auf die Lehne fallen ließ.

      »Sie sind knapp 50?«, fragte er.

      »Nein.«

      »Sehen Sie?«

      Sehen Sie? Eine Frage. Inna verzog ihren Mundwinkel. »Was sehe ich?«

      »Ihrem Pragmatismus geschuldet kümmern Sie sich nicht darum, wie alt ich Sie schätze.«

      »Woher wollen Sie das wissen?«

      »Sie haben sich nicht gewehrt.«

      »Und wogegen hätte ich mich wehren sollen?«

      »Dagegen, dass ich Sie älter geschätzt habe, als Sie sind.« Igor lächelte. »Andere Frauen wären beleidigt.«

      »Vielleicht bin ich 50.«

      Er schüttelte den Kopf. »Sie sind 39.«

      Inna schaute sich um. »Das haben Sie gelesen. Wo?«

      »Das finden Sie selbst heraus. Gibt es hier eine Toilette?«

      Inna tat so, als müsste sie ein Gähnen unterdrücken. »Das finden Sie selbst heraus.« Sie schloss ihre Augen, hörte Igor ziellos durch die Halle laufen, bis er fand, wonach er suchte. Er verriegelte die Toilettentür.

      Innas Herz klopfte hart in ihrer engen Brust. Sie schaute hinaus. Der Sturm. Unerbittlich und wütend. Die schwarzen Tannen vor den Fenstern verneigten sich tief, wurden nach oben gerissen und zur anderen Seite geschleudert. Inna schüttelte den Kopf. Sie musste bleiben. Hier mit Igor. Sich ablenken. Die Wände. Die Fenster. Das Mauerwerk. Der Sturm. Sie holte tief Luft. Der Sturm brachte alles durcheinander.

      Immerhin. Henri war tot.

      »Haben Sie geschlafen?«

      Sie zuckte zusammen, räusperte sich. »Nein.«

      »Seit wann sind Sie hier?«

      »Seit heute Morgen«, sagte sie heiser und setzte sich auf.

      »Nein.« Igor schüttelte den Kopf. »Hier.« Er zeigte in die Halle hinein. »Hier in diesen Gemäuern. Seit wann gibt es Ihre Firma schon?«

      »Grunewald. Es ist Grunewalds Firma. Seit 14 Jahren.«

      »Seit 14 Jahren«, wiederholte er. »42.« Er setzte sich. »Ich bin 42 Jahre alt. Haben Sie herausgefunden, woher ich weiß, wie alt Sie sind?«

      Inna schob ihre Unterlippe vor. »Hätte ich das tun sollen?«

      »Es hatte Sie beunruhigt.«

      »Sie haben sich vorbereitet.« Inna lächelte. »Sie wissen viel besser über mich Bescheid, als ich glauben soll.«

      Igor runzelte die Stirn. Er zeigte zu der Wand, an der eingerahmte Auszeichnungen und Zertifikate hingen. »Da steht Ihr Geburtsdatum drauf.« Er lachte laut. »Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich bin Schreiner. Und ein Kunde von Grunewald. Sonst nichts.«

      »Sonst nichts.«

      »Sie sind nicht sehr gesprächig.« Igor rieb seine Stirn. »Schwierig

Скачать книгу