Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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Wie alle schutz­lo­sen We­sen ver­lieb­te er sich in das ers­te Weib, das ihm einen freund­li­chen Blick zu­warf. Die Kö­chin nahm Cäsar un­ter ih­ren Schutz und dar­aus ent­stand ein heim­li­ches Lie­bes­ver­hält­nis, über das die Kom­mis un­barm­her­zig spot­te­ten. Zwei Jah­re spä­ter ver­ließ die Kö­chin Cäsar zu sei­nem größ­ten Glück we­gen ei­nes jun­gen Drücke­ber­gers aus ih­rer Hei­mat, der sich in Pa­ris ver­bor­gen hielt, ei­nes zwan­zig­jäh­ri­gen Pi­kar­den, der ei­ni­ge Mor­gen Land be­saß und sich von Ur­su­la hei­ra­ten ließ.

      Zwei Jah­re lang hat­te die Kö­chin ih­ren klei­nen Cäsar gut er­nährt, hat­te ihn in ver­schie­de­ne Mys­te­ri­en des Pa­ri­ser Le­bens ein­ge­weiht, das sie ihn in sei­ner Tie­fe hat­te ken­nen­ler­nen las­sen und wo­bei sie ihm aus Ei­fer­sucht einen star­ken Ab­scheu ge­gen die schlech­ten Orte, de­ren Ge­fah­ren ihr nicht un­be­kannt zu sein schie­nen, ein­ge­flö­ßt hat­te. Im Jah­re 1792 hat­ten sich die Füße des von ihr ver­ra­te­nen Cäsars an das Pflas­ter, sei­ne Schul­tern an die Kis­ten und sein Geist an das, was er die Pa­ri­ser »Flun­ke­rei­en« nann­te, ge­wöhnt. Er war da­her, nach­dem Ur­su­la ihn ver­las­sen hat­te, schnell ge­trös­tet, zu­mal sie in kei­ner Wei­se sei­nem an­ge­bo­re­nen Ge­fühl für zar­te Emp­fin­dung ent­spro­chen hat­te. Ver­dor­ben und mür­risch, schein­hei­lig und spitz­bü­bisch, egois­tisch und trunk­süch­tig be­lei­dig­te sie das rei­ne Emp­fin­den Bi­rot­te­aus, ohne daß sie ihm ir­gend­ei­ne güns­ti­ge Aus­sicht bot. Der arme Jun­ge sah sich häu­fig zu sei­nem Schmer­ze durch die für nai­ve See­len am fes­tes­ten ge­schmie­de­ten Fes­seln an ein Ge­schöpf ge­bun­den, das ihm Wi­der­wil­len ein­flö­ßte. Als er sich frei fühl­te, war er groß ge­wor­den und hat­te sein sech­zehn­tes Jahr er­reicht. Ur­su­la und die Ne­cke­rei­en der Kom­mis hat­ten sei­nen Geist ge­weckt und ihn an­ge­regt, in das Han­dels­we­sen ein­zu­drin­gen, wo­bei sei­ne In­tel­li­genz sich hin­ter sei­ner Ein­fach­heit ver­bor­gen hielt; er be­ob­ach­te­te die Kun­den, ließ sich, wenn nichts zu tun war, die Wa­ren er­klä­ren, de­ren Ver­schie­den­hei­ten und An­ord­nung er sich merk­te; und bald kann­te er die ein­zel­nen Ar­ti­kel, ih­ren Preis und ihr Wa­ren­zei­chen bes­ser, als das sonst bei Neu­lin­gen der Fall ist; Herr und Frau Ra­gon fin­gen nun an, ihn an­der­wei­tig zu be­schäf­ti­gen.

      Am Tage, da die furcht­ba­re Aus­he­bung des Jah­res II das Haus bei dem Bür­ger Ra­gon leer mach­te, be­nutz­te Cäsar Bi­rot­teau, der zum zwei­ten Kom­mis auf­ge­stie­gen war, die Ge­le­gen­heit, um fünf­zig Fran­ken Ge­halt mo­nat­lich zu er­rei­chen, und setz­te sich mit un­aus­sprech­li­cher Freu­de mit Ra­g­ons zu Tisch. Der zwei­te Kom­mis der Ro­sen­kö­ni­gin, der nun sechs­hun­dert Fran­ken hat­te, er­hielt ein Zim­mer, wo er in den seit lan­gem er­sehn­ten Mö­beln die klei­nen An­den­ken, die er sich ge­sam­melt hat­te, un­ter­brin­gen konn­te. An den Fei­er­ta­gen der De­ka­de klei­de­te er sich wie die jun­gen Leu­te die­ser Zeit, de­nen die Mode vor­schrieb, rohe Ma­nie­ren an­zu­neh­men, und der freund­li­che, be­schei­de­ne Bau­er ver­stand es, sich wie ih­res­glei­chen zu be­neh­men, so daß er die Gren­zen, die zu an­dern Zei­ten die Dienst­bar­keit zwi­schen der Bour­geoi­sie und ihm ge­zo­gen hät­te, über­schritt. Ge­gen das Ende die­ses Jah­res wur­de er sei­ner Ehr­lich­keit hal­ber an die Kas­se ge­setzt. Die statt­li­che Bür­ge­rin Ra­gon hielt die Wä­sche des Kom­mis in­stand und die bei­den Ehe­leu­te ka­men in ein ver­trau­li­ches Ver­hält­nis mit ihm. Im Ven­dé­mi­aire des Jah­res 1794 wech­sel­te Cäsar die hun­dert Louis­dor, die er be­saß, ge­gen sechs­tau­send Fran­ken As­si­gna­ten ein, kauf­te da­für Ren­ten zu ei­nem Kur­se von drei­ßig Fran­ken, be­zahl­te sie einen Tag vor der Her­ab­set­zung der As­si­gna­ten an der Bör­se und ver­schloß sei­ne Titres mit dem Ge­fühl un­sag­ba­ren Glückes. Von die­sem Tage an ver­folg­te er die Bör­sen­kur­se und die po­li­ti­schen Er­eig­nis­se mit ge­hei­mer Angst, die ihn bei Un­glücks­fäl­len oder Er­fol­gen, die die­se Pe­ri­ode uns­rer Ge­schich­te kenn­zeich­nen, er­zit­tern ließ. Herr Ra­gon, ehe­mals Hof­lie­fe­rant Ih­rer Ma­je­stät der Kö­ni­gin Ma­rie-An­to­i­net­te, be­kann­te in sol­chen kri­ti­schen Mo­men­ten Cäsar Bi­rot­teau ver­trau­lich sei­ne An­häng­lich­keit an die ge­stürz­ten Ty­ran­nen. Die­se Be­kennt­nis­se wur­den von der wich­tigs­ten Be­deu­tung für Cäsars Le­bens­ge­stal­tung. Die abend­li­chen Un­ter­hal­tun­gen nach Schluß des Ge­schäfts, wenn die Stra­ßen ru­hig ge­wor­den und Kas­se ge­macht war, be­geis­ter­ten den Tou­rai­ner, der, wenn er Roya­list wur­de, da­mit nur sei­ner an­ge­bo­re­nen Emp­fin­dung ge­horch­te. Die Er­zäh­lung der tu­gend­haf­ten Hand­lun­gen Lud­wigs XVI., die Mit­tei­lun­gen, bei de­nen sich die bei­den Ehe­leu­te für die Ver­diens­te der Kö­ni­gin be­geis­ter­ten, er­reg­ten die Ein­bil­dungs­kraft Cäsars. Das schreck­li­che Ge­schick die­ser bei­den ge­krön­ten Häup­ter, die we­ni­ge Schrit­te von dem La­den ent­fernt ge­fal­len wa­ren, em­pör­te sein emp­find­sa­mes Herz und er­füll­te ihn mit Haß ge­gen eine Re­gie­rungs­form, der es nichts be­deu­te­te, un­schul­di­ges Blut zu ver­gie­ßen. Sein kauf­män­ni­scher Ver­stand sag­te ihm, daß, wenn es zum Äu­ßers­ten und zu po­li­ti­schen Stür­men kam, die im­mer den Ge­schäf­ten schäd­lich sind, der Han­del zu­grun­de ge­hen müs­se. Au­ßer­dem haß­te er als ech­ter Par­füm­händ­ler eine Re­vo­lu­ti­on, die je­der­mann mit ei­nem Ti­tus­kopf her­um­ge­hen ließ und das Pu­dern ab­schaff­te. Und da nur die Ruhe, die die ab­so­lu­te Herr­schaft ge­währt, das Geld wie­der le­ben­dig ma­chen kann, so wur­de er fa­na­ti­scher Roya­list. Als Ra­gon ihn für ge­eig­net er­kann­te, mach­te er ihn zum ers­ten Kom­mis und weih­te ihn in das Ge­heim­nis der Ro­sen­kö­ni­gin ein, wo meh­re­re Kun­den die tä­tigs­ten und hin­ge­hends­ten Emis­sä­re der Bour­bo­nen wa­ren, und von wo aus die Kor­re­spon­denz des Wes­tens mit Pa­ris ge­lei­tet wur­de. Fort­ge­ris­sen von der Heiß­blü­tig­keit der Ju­gend und be­geis­tert durch die Be­zie­hun­gen zu den Ge­or­ges, den la Bil­lar­diè­re, den Mon­tau­ran, Bau­van, Lon­guy, Man­da, Ber­nier, du Gué­nis und Fon­taine stürz­te sich Cäsar in die Ver­schwö­rung der ver­ei­nig­ten Roya­lis­ten und Ter­ro­ris­ten, die am 13. Ven­dé­mi­aire ge­gen den in den letz­ten Zü­gen lie­gen­den Kon­vent zum Aus­bruch ge­lang­te.

      Cäsar hat­te die Ehre, ge­gen Na­po­le­on auf den Stu­fen von Saint-Roch zu kämp­fen und gleich zu An­fang des Ge­fech­tes ver­wun­det zu wer­den. Je­der kennt den Aus­gang die­ses Un­ter­neh­mens. Wenn der Ad­ju­tant von Bar­ras da­bei aus sei­ner Obs­ku­ri­tät her­austrat, so wur­de Bi­rot­teau durch die sei­ni­ge ge­ret­tet. Ei­ni­ge Freun­de brach­ten den krie­ge­ri­schen ers­ten Kom­mis in die Ro­sen­kö­ni­gin, wo er auf dem Bo­den ver­steckt, von Frau Ra­gon ver­bun­den und glück­li­cher­wei­se ver­ges­sen wur­de. Cäsar Bi­rot­teau hat­te nur die­ses eine Auf­flam­men mi­li­tä­ri­schen Mu­tes ge­zeigt. Wäh­rend des Mo­nats, den sei­ne Wie­der­her­stel­lung dau­er­te, stell­te er prak­ti­sche Er­wä­gun­gen über die lä­cher­li­che Ver­bin­dung von Po­li­tik und Par­fü­me­rie an. Wenn er auch Roya­list blieb, so be­schloß er doch, klar und ein­fach ein roya­lis­ti­scher Par­füm­händ­ler zu sein, ohne sich je­mals wie­der zu kom­pro­mit­tie­ren, und sich dem mit Leib und See­le hin­zu­ge­ben.

      Am 18. Bru­maire be­schlos­sen Herr und Frau Ra­gon, die an dem Er­fol­ge der Kö­nigs­par­tei ver­zwei­fel­ten,

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