Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Um 1813 begann für das Ehepaar, dank ihrer beständigen Einigkeit und dem weiteren guten Fortschreiten auf ihrem Lebenswege, eine Ära des Wohlstandes, den nichts mehr erschüttern zu können schien. Herr und Frau Ragon, ihre Vorgänger, ihr Onkel Pillerault, der Notar Roguin, die Matifats, Drogisten in der Rue des Lombards und Lieferanten der Rosenkönigin, Joseph Lebas, Tuchhändler und Nachfolger von Guillaume in der »Ballspielenden Katze«, eine Leuchte der Rue Saint-Denis, der Richter Popinot, Frau Ragons Bruder, Chiffreville, vom Hause Protez & Chiffreville, Herr und Frau Cochin, Angestellter beim Schatzamt und Kommanditäre des Hauses Matifat, der Abbé Loraux, der Beichtvater dieser Gesellschaft, und einige andere Personen bildeten ihren Freundeskreis. Trotz seiner royalistischen Gesinnung urteilte die öffentliche Meinung günstig über Birotteau, der auch für sehr reich galt, obwohl er nur hunderttausend Franken außer seinem Geschäft besaß. Seine regulären Geschäfte, seine Pünktlichkeit, sein Prinzip, nie etwas schuldig zu bleiben und niemals Wechsel zu eskomptieren, dagegen aber Sicherheiten von solchen anzunehmen, denen er damit hilfreich sein konnte, seine Gefälligkeit – all das verschaffte ihm einen außerordentlichen Kredit. Er hatte übrigens in der Tat viel Geld verdient; aber seine Bauten und die Fabrik hatten viel davon verschlungen. Auch kostete ihm sein Haushalt annähernd zwanzigtausend Franken jährlich. Schließlich erforderte die Erziehung Cäsarines, der einzigen, von Konstanze und ihm in gleicher Weise angebeteten Tochter, starke Ausgaben. Weder er noch seine Frau sahen auf das Geld, wenn es sich darum handelte, ihrer Tochter, von der sie sich nicht hatten trennen wollen, ein Vergnügen zu bereiten. Man stelle sich die Freude dieses armen, heraufgekommenen Bauernsohns vor, wenn er seine süße Cäsarine eine Sonate von Steibelt auf dem Klavier spielen, oder eine Romanze singen hörte; wenn er sah, wie sie korrekt Französisch schrieb und wenn er sie bewunderte, wie sie Racine, den Älteren und den Jüngeren, las und ihm deren Schönheiten erklärte, und wie sie eine Landschaft zeichnete oder ein Blatt in Sepia malte! Was für ein Glücksgefühl, wenn er sich in einer so schönen, so reinen Blüte wieder aufleben sah, die sich noch nicht von der mütterlichen Hut getrennt hatte, kurz, in einem Engel, dessen aufkeimende Reize und Entwicklung mit leidenschaftlichem Anteil beobachtet wurden, einer einzigen Tochter, die nie daran dachte, ihren Vater gering zu achten oder sich über seinen Mangel an Bildung lustig zu machen, so sehr war sie eine echte Jungfrau. Als er nach Paris kam, konnte Cäsar lesen, schreiben und rechnen, aber damit war seine Bildung zu Ende, sein arbeitsames Leben hatte ihm nicht gestattet, Gedanken und Kenntnisse, die in keiner Beziehung zum Parfümeriegeschäft standen, sich anzueignen. In ständigem Verkehr mit Leuten, denen Wissenschaften und Literatur gleichgültig waren, und deren Bildung sich nur auf Spezialgebiete erstreckte, und da er keine Zeit hatte, sich mit höheren Studien zu befassen, wurde er ein Mann der Praxis. Er nahm notwendigerweise die Sprache, die Irrtümer, die Ansichten der Pariser Bourgeoisie an, die Molière, Voltaire und Rousseau auf ihren Namen hin bewundert, die ihre Werke kauft, sie aber nicht liest; die behauptet, man müsse ormoire sagen, weil die Frauen in diesem Möbel ihr »Gold« und ihre Kleider aufbewahrten, die früher fast immer aus »Mohair« gemacht waren, und daß armoire ein korrumpiertes Wort sei. Potier, Talma, die Mars seien zehnfache Millionäre und lebten nicht so wie andere menschliche Wesen; der große Schauspieler äße rohes Fleisch, die Mars genösse zuweilen aufgelöste Perlen, um es einer berühmten ägyptischen Schauspielerin gleichzutun. Der Kaiser habe in seinen Westen lederne Taschen, um seinen Tabak gleich handvoll zu sich nehmen zu können, er reite im Galopp die Treppe der Orangerie in Versailles hinauf. Die Schriftsteller und Künstler stürben im Hospital infolge ihrer Absonderlichkeiten; sie seien übrigens alle Atheisten und man müsse sich sehr hüten, sie bei sich zu empfangen.
Joseph Lebas erzählte mit Entsetzen die Geschichte der Ehe seiner Schwägerin Augustine mit dem Maler Sommervieux. Die Astronomen lebten von Spinnen. Diese Höhepunkte ihrer Kenntnisse in der französischen Sprache, der dramatischen Kunst, der Politik, der Literatur, der Wissenschaften lassen den Umfang dieser bourgeoisen Intelligenzen erkennen. Wenn ein Dichter durch die Rue des Lombards geht, so kann er, wenn er Wohlgerüche wahrnimmt, von Asien träumen. Er bewundert Tänzerinnen in einer Wirtschaft und meint den Duft des Vetivergrases einzuatmen. Geblendet von dem Glanz der Cochenille, glaubt er darin Dichtungen der Brahmanen, indische Religionen und Kasten wiederzufinden. Wenn er rohes Elfenbein sieht, so steigt er in Gedanken auf den Rücken eines Elephanten, in ein Zelt von Musselin und pflegt darin der Liebe wie der König von Lahore. Aber der kleine Kaufmann hat keine Ahnung, woher die Produkte, mit denen er handelt, kommen, noch wo sie wachsen. Der Parfümhändler Birotteau verstand nicht ein Jota von Naturgeschichte und Chemie. Wenn er Vauquelin für einen großen Mann hielt, so betrachtete er ihn als eine Ausnahme; er selbst stand auf der Höhe jenes ehemaligen Krämers, der eine Diskussion über den Bezug des Tees damit schloß, daß er mit schlauer Miene sagte: »Der Tee kommt entweder mit der Karawane oder aus Le Havre.« Nach Birotteaus Meinung gab es Aloe und Opium nur in der Rue des Lombards. Das angebliche Konstantinopeler Rosenwasser würde wie das Kölnische Wasser in Paris fabriziert. Die Ursprungsnamen seien Aufschneidereien den