Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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sei­ne Schul­den be­zah­len. Wenn ihm das nicht ge­lingt und er wirk­lich im Elend ist, wozu ihn quä­len? Und ist es ein Schuft, so wer­den Sie doch nichts er­hal­ten. Ihre stren­ge An­schau­ung ist be­kannt und man weiß, daß Sie nicht mit sich han­deln las­sen; da man Ih­nen also nichts ab­din­gen kann, so­lan­ge man noch im­stan­de ist, zu zah­len, so sind Sie der­je­ni­ge, der sein Geld be­kommt.«

      Bei ei­ner Verab­re­dung er­schi­en Cäsar zur fest­ge­setz­ten Stun­de, aber zehn Mi­nu­ten spä­ter ver­schwand er, ohne sich dar­in je­mals ir­re­ma­chen zu las­sen; da­her be­wirk­te sei­ne Pünkt­lich­keit, daß die Leu­te, die mit ihm zu tun hat­ten, eben­so pünkt­lich wa­ren.

      Sei­ne Klei­dung paß­te zu sei­nen Ge­wohn­hei­ten und sei­nem Äu­ße­ren. Kei­ne Macht der Erde hät­te ihn be­stim­men kön­nen, auf die wei­ßen Mus­se­lin­kra­wat­ten zu ver­zich­ten, de­ren von sei­ner Frau oder sei­ner Toch­ter ge­stick­te En­den ihm un­ter dem Kinn her­ab­hin­gen. Sei­ne recht­wink­lig zu­ge­knöpf­te Wes­te aus weißem Pi­kee ging ziem­lich tief über sei­nen Bauch her­un­ter, der her­vor­trat, da er et­was zur Fett­lei­big­keit neig­te. Er trug eine blaue Hose, schwarz­sei­de­ne St­rümp­fe und Schnür­schu­he, de­ren Schlei­fen ihm oft auf­gin­gen. Sein stets sehr wei­ter, oli­ven­grü­ner Über­rock und sein breit­ran­di­ger Hut ga­ben ihm das Aus­se­hen ei­nes Quä­kers. Bei den Sonn­tags­ge­sell­schaf­ten leg­te er ein sei­de­nes Bein­kleid, Schu­he mit gol­de­nen Schnal­len und die un­ver­meid­li­che recht­e­cki­ge Wes­te an, de­ren Öff­nung dann ein plis­sier­tes Ja­bot se­hen ließ. Sein brau­ner Frack war in brei­ten Bah­nen ge­schnit­ten und hat­te lan­ge Schö­ße. Er trug selbst noch im Jah­re 1819 zwei par­al­lel her­ab­hän­gen­de Uhr­ket­ten, leg­te aber die zwei­te nur bei der Sonn­tags­tracht an.

      So war Cäsar Bi­rot­teau be­schaf­fen, ein wür­di­ger Mann, dem die ge­heim­nis­vol­len Mäch­te, die über der Ge­burt der Men­schen wal­ten, es ver­sagt hat­ten, das po­li­ti­sche und das bür­ger­li­che Le­ben in sei­nem Zu­sam­men­hang be­ur­tei­len zu kön­nen und sich über das so­zia­le Ni­veau des Mit­tel­stan­des zu er­he­ben, und der in al­len Din­gen den ein­ge­wur­zel­ten Irr­tü­mern hul­dig­te; alle sei­ne An­sich­ten hat­te er von an­dern emp­fan­gen und han­del­te nach ih­nen, ohne sie zu prü­fen. Blind, aber gut, we­nig geist­voll, aber tief re­li­gi­ös, war er ein Mensch mit rei­nem Her­zen. Die­ses Herz war aus­ge­füllt von ei­ner ein­zi­gen Lie­be, dem Licht und der Kraft sei­nes Le­bens; denn sein Wunsch, em­por­zu­stre­ben, das Er­wer­ben sei­ner we­ni­gen Kennt­nis­se, al­les be­ruh­te auf der hin­ge­ben­den Lie­be für sei­ne Frau und sei­ne Toch­ter.

      5

      Was Frau Kon­stan­ze an­langt, so war sie da­mals sie­ben­und­drei­ßig Jah­re alt und glich voll­kom­men der Ve­nus von Milo, so daß alle, die sie kann­ten, in ihr das Ab­bild je­ner schö­nen Sta­tue sa­hen, als der Her­zog von Ri­viè­re die­se nach Pa­ris ge­bracht hat­te. Aber in we­ni­gen Mo­na­ten färb­te dann der Kum­mer die blen­den­de Wei­ße ih­res Teints gelb und run­zel­te und schwärz­te den bläu­li­chen Kreis, aus dem ihre schö­nen grün­li­chen Au­gen her­vor­strahl­ten, so grau­sam, daß sie das An­se­hen ei­ner al­ten Ma­don­na be­kam; denn sie be­wahr­te sich selbst mit­ten in ih­rem Elend ihre an­mu­ti­ge Un­be­rührt­heit, ih­ren rei­nen, wenn auch trau­ri­gen Blick, und man muß­te sie im­mer noch als eine schö­ne Frau von zu­rück­hal­ten­dem, de­zen­tem We­sen an­se­hen. Bei dem von Cäsar ge­plan­ten Bal­le soll­te sie zum letz­ten­mal sich des all­ge­mein auf­fal­len­den Glan­zes ih­rer Schön­heit zu er­freu­en ha­ben.

      Eine jede Exis­tenz hat ih­ren Hö­he­punkt, die Zeit, da die wirk­sa­men Ur­sa­chen ge­nau im rich­ti­gen Ver­hält­nis zu den er­ziel­ten Re­sul­ta­ten ste­hen. Die­ser Mit­tag des Le­bens, wo die le­ben­di­gen Kräf­te sich im Gleich­ge­wicht hal­ten und ihre vol­le Macht zei­gen, ist nicht al­lein al­len Le­be­we­sen, son­dern auch den Städ­ten, den Na­tio­nen, den Ide­en, den In­sti­tu­tio­nen, dem Han­del und den Un­ter­neh­mun­gen ge­mein­sam, die ähn­lich wie edle Ras­sen und Dy­nas­ti­en ent­ste­hen, in die Höhe kom­men und zu Bo­den sin­ken. Wo­her rührt die Ge­walt, mit der die­ses We­sen des Auf­stiegs und Nie­der­gangs al­lem Or­ga­ni­schen hie­nie­den an­haf­tet? Selbst der Tod hat in Pest­zei­ten sein An­stei­gen, sein Ab­schwel­len, sein Wie­der­aus­bre­chen und sein Ein­schla­fen. Un­se­re Erde selbst ist viel­leicht nur eine et­was dau­er­haf­te­re Leucht­ku­gel als an­de­re. Die Ge­schich­te, die die Ur­sa­chen von Grö­ße und Nie­der­gang al­ler Din­ge hie­nie­den er­zählt, könn­te dem Men­schen den Mo­ment an­zei­gen, da er mit der Ent­fal­tung al­ler sei­ner Kräf­te in­ne­hal­ten soll­te; aber we­der die Ero­be­rer, noch die Schau­spie­ler, noch die Frau­en, noch die Schrift­stel­ler hö­ren auf ihre war­nen­de Stim­me.

      Cäsar Bi­rot­teau, der hät­te füh­len müs­sen, daß er den Hö­he­punkt sei­nes Glücks er­reicht habe, be­trach­te­te die­sen Ru­he­punkt nur wie ein neu­es Sprung­brett. Er be­griff nicht, was üb­ri­gens we­der die Völ­ker noch die Kö­ni­ge in un­ver­wisch­ba­ren Let­tern auf­zu­zeich­nen ver­sucht ha­ben, die Ur­sa­che die­ser Um­schwün­ge, von de­nen die Ge­schich­te voll ist, und von de­nen die sou­ve­rä­nen und die Han­dels­häu­ser so ge­wal­ti­ge Bei­spie­le dar­bie­ten. Wa­rum kön­nen nicht neue Py­ra­mi­den im­mer­fort die­sen Grund­satz, der die Po­li­tik der Völ­ker wie des ein­zel­nen be­herr­schen soll­te, wie­der­ho­len: »Wenn die Wir­kung nicht mehr in rich­ti­ger Be­zie­hung und in glei­chem Ver­hält­nis zur Ur­sa­che steht, dann be­ginnt die Auf­lö­sung?« Aber die­se Mo­nu­men­te sind ja über­all vor­han­den, es sind die Über­lie­fe­run­gen und die Stei­ne, die zu uns von der Ver­gan­gen­heit re­den, die die Lau­nen des un­ent­rinn­ba­ren Ge­schicks be­stä­ti­gen, des­sen Hand un­se­re Träu­me ver­nich­tet und uns be­weist, daß die schwer­wie­gends­ten Er­eig­nis­se sich auf einen Grund­ge­dan­ken zu­rück­füh­ren las­sen. Tro­ja und Na­po­le­on sind bei­des nur Ge­dich­te. Möge die­se Er­zäh­lung das Ge­dicht der bür­ger­li­chen Um­schwün­ge sein, de­rer noch kei­ne Stim­me ge­dacht hat, ob­wohl sie mit dem­sel­ben Recht un­ge­heu­re ge­nannt wer­den kön­nen; es han­delt sich hier nicht um einen ein­zel­nen Men­schen, son­dern um ein gan­zes lei­den­des Volk.

      Beim Ein­schla­fen fürch­te­te Cäsar, daß sei­ne Frau ihm am an­dern Mor­gen noch ent­schei­den­de Ein­wür­fe ma­chen wür­de, und nahm sich vor, sehr früh auf­zu­ste­hen, um al­les zum Ab­schluß zu­brin­gen. Mit Ta­ges­grau­en ver­ließ er da­her das Bett, zog sich schnell an und ging in den La­den hin­un­ter, als der Haus­knecht die nu­me­rier­ten Fens­ter­lä­den ab­nahm. Da Bi­rot­teau al­lein war, war­te­te er, bis sei­ne Kom­mis auf­ge­stan­den wa­ren, stell­te sich an die Tür­schwel­le und paß­te auf, wie der Haus­knecht Ra­guet sei­ne Ar­beit tat, und Bi­rot­teau ver­stand sich auf sol­che Ar­beit! Trotz der Käl­te war das Wet­ter herr­lich.

      »Po­pi­not, nimm dei­nen Hut, zieh dir Schu­he an und rufe Herrn Cöles­tin her­un­ter; wir bei­de wol­len in den Tui­le­ri­en mit­ein­an­der re­den«, sag­te er, als er An­selm her­un­ter­kom­men sah.

      Po­pi­not, die­ses aus­ge­spro­che­ne Ge­gen­stück zu du Til­let,

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