Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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ge­mei­nen Aus­druck be­kom­men. An Stel­le des rei­nen Glan­zes, der un­ter der Haut ent­halt­sa­mer Män­ner her­vor­leuch­tet und eine blü­hen­de Ge­sund­heit an­zeigt, ver­riet sich bei die­sem das un­rei­ne, von Ge­lüs­ten, ge­gen die der Kör­per sich wehrt, auf­ge­peitsch­te Blut. Er hat­te eine wi­der­wär­tig auf­ge­stülp­te Nase, wie man sie bei Leu­ten fin­det, bei de­nen der Schleim, wenn er die­ses Or­gan durch­zieht, ein ver­steck­tes Übel ver­ur­sacht, das eine tu­gend­haf­te fran­zö­si­sche Kö­ni­gin naiv für ein dem an­dern Ge­schlecht ge­mein­sa­mes Übel hielt, da sie an­dern Män­nern als dem Kö­ni­ge nie­mals nahe ge­nug ge­kom­men war, um ih­ren Irr­tum zu er­ken­nen. Ro­guin hat­te ge­hofft, durch star­kes Schnup­fen von Spa­ni­ol die­se Unan­nehm­lich­keit ver­ber­gen zu kön­nen, aber er hat­te da­mit die nach­tei­li­gen Fol­gen nur ver­schlim­mert, die die Haup­t­ur­sa­che sei­nes Un­glücks wur­den.

      Ist es nicht eine so­zia­le Be­schö­ni­gung, die schon all­zu lan­ge ge­dau­ert hat, wenn die Men­schen im­mer wie­der mit falschen Far­ben ab­ge­bil­det und die wah­ren Ur­sa­chen ih­rer Las­ter nicht ent­hüllt wer­den, die so häu­fig in ei­ner Krank­heit wur­zeln? Die Sit­ten­schil­de­rer ha­ben bis jetzt wohl all­zu­sehr un­ter­las­sen, das phy­si­sche Übel in sei­nen Ver­hee­run­gen auf mo­ra­li­schem Ge­biet und in sei­nem Ein­fluß auf den gan­zen Mecha­nis­mus des Le­bens dar­zu­stel­len. Das Ge­heim­nis die­ser Ehe hat­te Frau Kon­stan­ze rich­tig er­kannt.

      Seit ih­rer Hoch­zeits­nacht hat­te die rei­zen­de ein­zi­ge Toch­ter des Ban­kiers Che­vrel ge­gen den ar­men No­tar eine un­über­wind­li­che Ab­nei­gung ge­faßt und woll­te sich so­fort schei­den las­sen. Da Ro­guin das Glück des Be­sit­zes ei­ner Frau mit ei­nem Ver­mö­gen von fünf­hun­dert­tau­send Fran­ken, nicht ge­rech­net, was sie noch zu er­war­ten hat­te, nicht fah­ren las­sen woll­te, so hat­te er sei­ne Frau an­ge­fleht, die Schei­dungs­kla­ge nicht an­zu­stren­gen, in­dem er ihr völ­li­ge Frei­heit zu­sag­te und sich al­len Kon­se­quen­zen die­ses Ver­spre­chens un­ter­warf. Frau Ro­guin be­nahm sich nun als un­um­schränk­te Her­rin ge­gen ih­ren Mann, wie eine Kur­ti­sa­ne ge­gen einen al­ten Lieb­ha­ber. Ro­guin merk­te bald, daß ihm sei­ne Frau zu teu­er wur­de, und schaff­te sich, wie vie­le Pa­ri­ser Ehe­män­ner, einen zwei­ten Haus­halt in der Stadt an. Da sich die Aus­ga­be da­für an­fangs in mä­ßi­gen Gren­zen hielt, so kam sie nicht sehr in Be­tracht.

      Zu­nächst fand Ro­guin ohne große Kos­ten Gri­set­ten, die sehr glück­lich wa­ren, daß er sie pro­te­gier­te; aber seit drei Jah­ren wur­de er von ei­ner je­ner un­be­zähm­ba­ren Lei­den­schaf­ten ver­zehrt, von de­nen Män­ner zwi­schen fünf­zig und sech­zig Jah­ren manch­mal be­fal­len wer­den und die ihm von ei­nem der ent­zückends­ten We­sen die­ser Zeit ein­ge­flö­ßt wur­de, die in den An­na­len der Pro­sti­tu­ti­on un­ter dem Na­men der schö­nen Hol­län­de­rin be­kannt wur­de, als sie in den Ab­grund ver­sank und ihr Tod sie be­rühmt mach­te. Sie war einst von ei­nem Kli­en­ten Ro­gu­ins von Brüs­sel nach Pa­ris ge­bracht wor­den, der sie, als er in­fol­ge der po­li­ti­schen Er­eig­nis­se ge­nö­tigt war, sich zu ent­fer­nen, im Jah­re 1815 an Ro­guin ab­trat. Der No­tar hat­te sei­ner Schö­nen ein klei­nes Haus in den Champs-Elysées ge­kauft, es reich mö­bliert und sich zu im­mer wei­te­ren Aus­ga­ben hin­rei­ßen las­sen, ohne die kost­spie­li­gen Lau­nen die­ses Wei­bes be­frie­di­gen zu kön­nen, des­sen Ver­schwen­dung sein Ver­mö­gen auf­zehr­te.

      Das be­drück­te Ge­sicht Ro­gu­ins, das sich erst auf­hell­te, als er sei­nen Kli­en­ten er­blick­te, hing mit ge­heim­nis­vol­len Er­eig­nis­sen zu­sam­men, die den ver­bor­ge­nen Grund von du Til­lets so schnell er­wor­be­nem Ver­mö­gen bil­de­ten. Du Til­lets ur­sprüng­li­cher Plan wur­de schon am ers­ten Sonn­tag ge­än­dert, als er das Ver­hält­nis zwi­schen Herrn und Frau Ro­guin be­ob­ach­ten konn­te. Er war zu Bi­rot­teau ge­gan­gen, we­ni­ger um sei­ne Frau zu ver­füh­ren, als um sich Cäsa­ri­nes Hand als Ent­schä­di­gung für eine zu­rück­ge­dräng­te Lei­den­schaft an­bie­ten zu las­sen; aber es wur­de ihm um so leich­ter, auf die­se Hei­rat zu ver­zich­ten, als er Cäsar für reich ge­hal­ten hat­te und ihn nur mä­ßig be­gü­tert fand. Nun spio­nier­te er den No­tar aus, wuß­te sich in sein Ver­trau­en ein­zu­schlei­chen, ließ sich der schö­nen Hol­län­de­rin vor­stel­len, be­kam her­aus, wie sie mit Ro­guin stand und daß sie da­mit droh­te, ih­ren Lieb­ha­ber zu ver­ab­schie­den, wenn er ihr ih­ren Lu­xus be­schnei­den woll­te. Die schö­ne Hol­län­de­rin war eins je­ner tol­len Wei­ber, die sich nie­mals dar­um küm­mern, wo­her das Geld kommt und wie es er­wor­ben ist, und die mit den Ta­lern ei­nes Va­ter­mör­ders ein Fest ge­ben wür­den. Nie­mals dach­te sie am Abend an den nächs­ten Tag. Die Zu­kunft be­deu­te­te für sie so­viel wie der Nach­mit­tag, und das Ende des Mo­nats so­viel wie die Ewig­keit, selbst wenn sie Rech­nun­gen zu be­zah­len hat­te. Ent­zückt dar­über, daß ihm hier zu­erst die Ge­le­gen­heit sich bot, den He­bel an­set­zen zu kön­nen, be­gann du Til­let da­mit, die schö­ne Hol­län­de­rin dazu zu brin­gen, daß sie sich mit drei­ßig-, statt mit fünf­zig­tau­send Fran­ken, die ihr Ro­guin gab, be­gnüg­te: ein Dienst, den ver­lieb­te Grei­se nur sel­ten zu ver­ges­sen pfle­gen. Schließ­lich schüt­te­te Ro­guin nach ei­nem stark mit Wein be­gos­se­nen Sou­per du Til­let sein Herz über sei­ne be­dräng­ten fi­nan­zi­el­len Ver­hält­nis­se aus. Sein Grund­be­sitz war mit der ge­setz­li­chen Hy­po­thek sei­ner Frau be­las­tet, und sei­ne Lei­den­schaft hat­te ihn dazu ge­führt, von den bei ihm hin­ter­leg­ten Fonds sei­ner Kli­en­ten einen Be­trag zu ent­neh­men, der schon mehr als die Hälf­te des Wer­tes sei­nes No­ta­ri­ats be­trug. Wenn der Rest auch noch ver­schlun­gen sein wür­de, dann müs­se er, der un­glück­li­che Ro­guin, sich er­schie­ßen, denn so mein­te er den Ab­scheu über einen sol­chen Ban­ke­rott durch das da­durch er­reg­te öf­fent­li­che Mit­leid mil­dern zu kön­nen. Hier­bei sah du Til­let, wie einen Strahl in der Nacht der Trun­ken­heit, die Mög­lich­keit auf­blit­zen, rasch zu ei­nem Ver­mö­gen zu kom­men; er be­ru­hig­te Ro­guin und er­wi­der­te des­sen ver­trau­li­ches Be­kennt­nis mit dem Rat, sich das Er­schie­ßen zu er­spa­ren. – »Wenn ein Mann von Ihren Fä­hig­kei­ten so­weit ge­kom­men ist, dann darf er sich nicht tö­richt und un­si­cher her­um­tap­pend be­neh­men, son­dern er muß mit Kühn­heit vor­ge­hen«, sag­te er zu ihm; er riet ihm, so­fort noch einen er­heb­li­chen Be­trag zu ent­neh­men und ihn ihm an­zu­ver­trau­en, um da­mit ir­gend­ein ge­wag­tes Ge­schäft zu un­ter­neh­men, sei es an der Bör­se, oder bei ir­gend­ei­ner an­dern Spe­ku­la­ti­on und den tau­send Mög­lich­kei­ten, die sich da­mals bo­ten. Hät­ten sie Glück da­mit, so woll­ten sie bei­de ein Bank­haus grün­den, das aus den De­pots Nut­zen zie­hen könn­te, und des­sen Über­schüs­se ihm zur Be­frie­di­gung sei­ner Lei­den­schaft die­nen wür­den. Hät­ten sie aber Pech, dann soll­te Ro­guin ins Aus­land flie­hen, an­statt sich zu er­schie­ßen; »sein« du Til­let wür­de bis zum letz­ten Sou treu zu ihm hal­ten. Das war ein Ret­tungs­seil für einen Mann, der am Er­trin­ken ist, und Ro­guin merk­te nicht, daß der Par­fü­me­rie­kom­mis ihm die­ses Seil um den Hals schlang.

      6

      Im Be­sit­ze von Ro­gu­ins Ge­heim­nis be­nutz­te es du Til­let, um sei­ne Herr­schaft über die Frau, die Mätres­se und den Ehe­mann gleich­zei­tig aus­zuü­ben.

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