Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Als er von einem Spaziergang nach den Tuilerien reden hörte, dem ungewöhnlichsten Vorschlage, den zu solcher Stunde sein erhabener Chef machen konnte, glaubte Popinot, daß dieser mit ihm vom Heiraten reden wollte, und dachte sofort an Cäsarine, die wahre Königin der Rosen, das lebende Wahrzeichen des Hauses, in die er sich an demselben Tage, an dem er, zwei Monate vor du Tillet, bei Birotteau eingetreten war, verliebt hatte. Beim Hinaufgehen mußte er stehen bleiben, so sehr schwoll ihm und so stark schlug ihm das Herz; bald kam er mit Cölestin, dem ersten Kommis Birotteaus, zurück. Anselm und sein Chef gingen nun, ohne ein Wort zu reden, nach den Tuilerien. Popinot war jetzt einundzwanzig Jahr alt, in welchem Alter sich auch Birotteau verheiratet hatte. Anselm sah daher hierin kein Hindernis für seine Heirat mit Cäsarine, obgleich das Vermögen des Parfümhändlers und die Schönheit des Mädchens der Verwirklichung so ehrgeiziger Wünsche sehr bedenklich entgegenstanden; aber die Liebe wiegt sich gern in den größten Hoffnungen und je ausschweifender sie sind, um so mehr glaubt sie an ihre Verwirklichung; je ferner daher seine Geliebte ihm zu stehen schien, desto lebhafter begehrte er sie. Glückliches Kind, das in einer Zeit der allgemeinen Gleichmacherei, wo alle dieselben Hüte tragen, noch eine Distanz zwischen einem Parfümhändler und sich, dem Nachkommen einer alten Pariser Familie, anerkennen zu müssen glaubte! Aber trotz aller Zweifel, aller Unruhe war er glücklich; er saß ja alle Tage bei Tisch neben Cäsarine! In der Art, wie er sich den Geschäften des Hauses widmete, bewies er einen Eifer und eine Begeisterung, die der Arbeit jede Bitterkeit nahmen; da er alles für Cäsarine tat, war er niemals müde. Bei einem Jüngling von zwanzig Jahren lebt die Liebe von der Hingebung.
»Der wird mal ein richtiger Kaufmann, der kommt in die Höhe«, hatte Cäsar von ihm zu Frau Ragon gesagt, als er Anselms Tüchtigkeit im Fabrikgeschäft und sein Verständnis für die Finessen der Kunst rühmte und seinen Arbeitseifer beim Expedieren erwähnte, wo der Hinkende mit aufgekrempelten Ärmeln und bloßen Armen mehr Kisten packte und zunagelte als die übrigen Kommis.
Die bekannte und kundgegebene Bewerbung Alexander Crottats, des ersten Notariatsschreibers bei Roguin, das Vermögen seines Vaters, eines reichen Pächters aus der Brie, legten dem Siege des Verwaisten starke Hindernisse in den Weg; aber das waren nicht die stärksten Schwierigkeiten, die zu überwinden waren; Popinot trug tief im Herzen noch ein trauriges Geheimnis begraben, das die Entfernung zwischen Cäsarine und ihm noch vergrößerte. das Vermögen der Ragons, auf das er hätte rechnen können, war stark erschüttert; er war glücklich, zu ihrem Lebensunterhalt mit beitragen zu können, indem er ihnen sein bescheidenes Gehalt überließ. Und trotz alledem glaubte er an seinen Erfolg! Mehrmals hatte er Blicke aufgefangen, die Cäsarine mit offenbarem Stolz auf ihn geworfen hatte: in der Tiefe ihrer blauen Augen hatte er eine heimliche Regung voll süßer Hoffnungen lesen zu können gemeint. So schritt er dahin, erregt von seiner augenblicklichen Hoffnung, zitternd, schweigsam und tief bewegt, gleich all den Jünglingen in ähnlicher Lage, für die das Leben noch im Aufblühen ist.
»Popinot,« sagte endlich der Kaufmann zu ihm, »geht es deiner Tante gut?«
»Jawohl, Herr Birotteau.«
»Sie erscheint mir aber seit einiger Zeit so sorgenvoll, gibt es etwas, das sie bedrückt? Höre, mein Sohn, du brauchst vor mir nicht den Geheimnisvollen zu spielen, ich gehöre doch gewissermaßen zur Familie, es sind jetzt fünfundzwanzig Jahre, daß ich deinen Onkel Ragon kenne. Ich bin zu ihm mit eisenbeschlagenen Schuhen von meinem Dorfe hergekommen. Obgleich dieser Ort Les Trésorierès heißt, bestand mein ganzes Vermögen aus einem Louisdor, den mir meine Patin geschenkt hatte, die selige Frau Marquise d’Uxelles, eine Verwandte des Herrn Herzogs und der Frau Herzogin von Lenoncourt, die unsre Kunden sind. Dafür habe ich auch jeden Sonntag für sie und ihre ganze Familie gebetet; wir schicken in die Touraine an ihre Nichte, die Frau von Mortsauf, alle ihre Parfümerien. Ich bekomme immer neue Kundschaft durch sie, zum Beispiel den Herrn von Vandenesse, der jährlich für zwölfhundert Franken kauft. Wenn man ihnen nicht schon von Herzen dankbar wäre, so müßte man es aus Berechnung sein. Dir aber bin ich ohne jeden Hintergedanken gut und um deiner selbst willen.«
»Ach, Herr Birotteau, Sie haben, wenn ich mir erlauben darf, Ihnen so etwas zu sagen, einen höllischen Kopf.«
»Nein, mein Junge, nein, damit allein hätte ich es nicht geschafft. Ich will nicht behaupten, daß ich nicht einen ebenso guten Kopf hätte wie andere, aber ich besaß auch noch Ehrlichkeit, so wahr Gott lebt, ich verstand, mich zu benehmen, und ich habe nie eine andere Frau geliebt als meine. Und die Liebe, die ist ein großartiges Vehikel, ein sehr glücklicher Ausdruck, den gestern Herr von Villèle auf der Tribüne gebraucht hat.«
»Die Liebe!« sagte Popinot. »Ach, Herr Birotteau, sollte ich …«
»Sieh mal, da kommt der alte Roguin zu Fuß dort hinten von der Place Louis XV., früh um acht Uhr. Was macht der Mann denn hier?« sagte Cäsar und vergaß Anselm Popinot und das Nußöl vollständig.
Er erinnerte sich an den Verdacht seiner Frau, und statt in den Garten der Tuilerien hineinzugehen, schritt Birotteau auf den Notar zu. Anselm folgte seinem Prinzipal in einiger Entfernung, ohne sich erklären zu können, welches Interesse dieser an einer anscheinend so unwichtigen