Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac страница 28
»Bewahren Sie das Geld lieber für gute Unternehmungen auf, mein Junge«, hatte er zu ihm gesagt. Birotteau sah mit Bewunderung zu dem Notar auf, fragte ihn ferner ständig um Rat und machte ihn zu seinem Freunde. Wie Ragon und Pillerault hatte er ein solches Vertrauen zu einem Notar, daß er ihm ohne jeden Verdacht in alles Einblick gewährte. Dank Roguins Rat hätte Cäsar, im Besitz der elftausend Franken Konstanzes für neue Geschäfte, seine Aussichten nicht gegen die des ersten Konsuls eingetauscht, wie glänzend auch Napoleons Zukunft zu sein schien. Zuerst hielt sich Birotteau nur eine Köchin, bezog den über seinem Laden gelegenen Zwischenstock, eine Art von Rumpelkammer, die von einem Tapezierer ziemlich hübsch instand gesetzt wurde und in dem für das junge Paar ein dauernder Honigmond begann. Im Kontor erschien Frau Konstanze wie ein Wunder. Ihre berühmt gewordene Schönheit war von außerordentlichem Einfluß auf den Verkauf, und unter den jungen Elegants der Empirezeit war fortwährend die Rede von der schönen Frau Birotteau. Wenn Cäsar auch royalistischer Gesinnungen beschuldigt wurde, so erkannte man doch seine Rechtschaffenheit an, und wenn etliche benachbarte Kaufleute ihn auch um sein Glück beneideten, so hielt man ihn doch dessen für würdig. Die Verwundung, die er auf den Stufen von Saint-Roch erhalten hatte, verlieh ihm den Nimbus eines in die politischen Geheimnisse eingeweihten und eines tapferen Mannes, obwohl er weder irgend welchen militärischen Mut im Herzen, noch irgendeine politische Idee im Gehirn besaß. Auf dieser Basis wählten ihn die rechtschaffenen Leute des Arrondissements zum Kapitän der Nationalgarde; er wurde aber von Napoleon kassiert, der nach Birotteaus Ansicht ihm ihr Renkontre im Vendémiaire noch nachtrug. Cäsar wurde so um billigen Preis vom Glanze des Verfolgten umgeben, was ihn in den Augen der Opposition interessant machte und ihn eine gewisse Bedeutung gewinnen ließ.
Betrachten wir nun, wie das Schicksal dieses Ehepaars weiter verlief, dessen Gefühl gegenseitiger Zuneigung nicht nachließ, und das höchstens durch kaufmännische Sorgen beunruhigt wurde.
Im Verlauf des ersten Jahres weihte Cäsar Birotteau seine Frau in den Verkauf und die Einzelheiten der Parfümerien ein, wofür sie ein ausgezeichnetes Verständnis bewies; sie schien geschaffen und in die Welt gesetzt zu sein, um Kunden zu bedienen. Aber am Ende dieses Jahres war der ehrgeizige Parfümhändler entsetzt über die Bilanz; nach Abzug aller Kosten würde er in zwanzig Jahren kaum das bescheidene Kapital von hunderttausend Franken, das er sich als Ziel gesetzt hatte, erspart haben können. Er beschloß daher, schneller zu Vermögen zu kommen, und wollte zunächst die Fabrikation mit dem Detailgeschäft verbinden. Gegen den Rat seiner Frau mietete er einen Schuppen und etwas Terrain im Faubourg du Temple und ließ darauf mit großen Buchstaben malen: Fabrik von Cäsar Birotteau. Er mietete sich in Grasse einen Arbeiter aus, mit dem er zu gleichen Anteilen die Fabrikation von Seifen, Essenzen und Kölnischem Wasser begann. Aber die Sozietät mit diesem Arbeiter dauerte nur sechs Monate und endete mit Verlust, den er allein zu tragen hatte. Ohne sich entmutigen zu lassen, wollte Birotteau um jeden Preis zu einem Erfolge kommen, einzig deshalb, weil er nicht von seiner Frau gescholten werden wollte, der er später gestand, daß ihm in dieser Zeit der Verzweiflung der Kopf wie ein Schlot rauchte, und daß er mehrmals, wenn ihn nicht seine religiöse Überzeugung gehindert hätte, in Versuchung war, sich in die Seine zu stürzen. Niedergeschlagen über mehrere ergebnislose Versuche, ging er eines Tages langsam die Boulevards entlang nach Hause zum Essen, denn der Pariser Flaneur ist ebenso häufig ein verzweifelter wie ein müßiger Mensch. Da wurden seine Blicke unter etlichen Büchern zu sechs Sous, die in einem Korbe auf der Erde lagen, von einem staubvergilbten Titel gefesselt: »Abdeker, oder die Kunst, die Schönheit zu erhalten.« Er nahm das angeblich arabische Buch auf, eine Art Roman von einem Arzt des vorigen Jahrhunderts, und stieß auf eine Seite, wo von Parfüms die Rede war. Er durchblätterte das Buch, an einen Boulevardbaum gelehnt, und las eine Stelle, wo der Autor das Wesen der Unter- und der Oberhaut erklärt und zeigt, welche Paste oder Seife eine häufig der Erwartung entgegengesetzte Wirkung hervorbringt, wenn die Paste und die Seife die Haut zusammenziehen, die entspannt gehalten sein will, oder die Haut entspannen, die nach Zusammenziehen verlangt. Birotteau kaufte das Buch, von dem er ein Vermögen erhoffte. Da er trotzdem seiner Erleuchtung nicht traute, begab er sich zu einem berühmten Chemiker, Vauquelin, von dem er ganz naiv das Rezept erbat, um ein Kosmetikum mit zwiefacher Wirkung, das den verschiedenen Spielarten der menschlichen Epidermis Rechnung trug, herzustellen. Die wahren Gelehrten, die Männer, die wirklich groß sind in dem Sinne, daß ihnen bei Lebzeiten der Ruhm, den ihre ungekannten außergewöhnlichen Arbeiten verdient hätten, niemals zuteil wird, sind fast alle dienstwillig und freundlich gegen die geistig Armen. Vauquelin gewährte also dem Parfümhändler seine Protektion, gestattete ihm, sich Erfinder einer Paste, die die Weiße der Hände erzielt, zu nennen, und gab ihm deren Zusammensetzung an. Birotteau nannte sie Doppelpaste der Sultaninnen. Um die Sache vollkommen zu machen, wendete er das Verfahren der Paste für die Hände auf ein Wasser für den Teint an, das er Eau Carminative nannte. Bei dem weiteren Vorgehen machte er sich das Prinzip des Petit-Matelot zu eigen und entwickelte, als erster unter den Parfümhändlern, jenen Luxus von Plakaten, Annoncen und andern Reklamen, die man vielleicht mit Unrecht Charlatanerie nennt.
Die