Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman. Maria Helleberg

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Der Pflug des Zorns - Ein historischer Roman - Maria Helleberg

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daß er die Schuld auf sich nahm. Herrgott, du warst doch zwei Jahre mit ihnen in Norwegen, in der Verbannung, du mußt doch wissen, warum sie gezwungen waren, das Land zu verlassen! Dein Pflegevater wurde geächtet, weil ihm nicht erlaubt wurde, für den Mord Bußgeld zu zahlen!

      Aber so war das nicht, dachte Gunnar. Es war gut möglich, daß es für Außenstehende so aussehen konnte; aber niemals für ihn. Nicht aus der Nähe. Erik konnte das nicht sagen: daß seine Eltern einander liebten und daß ein wenig von der Wärme, die zwischen ihnen strömte, ihm zum ersten Mal Leben und Mut gegeben hatte. Jofrid, seine Pflegemutter, die sich seiner angenommen hatte, als er zehn war, und als seine Mutter im Kindbett gestorben war. Sten, sein Pflegevater, der ihn immer freundlich behandelt hatte, immer so, als sei er ein Mensch.

      Es stimmte auch nicht, daß er nichts wußte über ihre Vorgeschichte. Er hatte davon gehört – Bruchstücke aus Gesprächen, Gerüchte und aus dem Zusammenhang gerissene Bemerkungen. Aber er hatte sich nie gefragt, inwieweit die Vergangenheit sein Leben lenkte.

      Es stimmte Gunnar nicht versöhnlicher, daß er es nun wußte. Eine Kluft tat sich zwischen ihm und Erik auf, dieses Wissen, das alle außer ihm zu haben schienen. Der Schlüssel zum Verständnis dessen, wer und was er war.

      – Aber warum können wir nicht mehr zusammensein? fragte er zu Erik gewandt, der sich auf die Schlafpritsche gesetzt hatte, mit dem Rücken zu ihm, krumm und gebeugt. Aber er erhielt keine Antwort; eigentlich hatte er heute abend auch genug zu hören bekommen. Also tappte er die Leiter hinunter und hinaus in die Kälte, ohne Mantel, und ohne richtig zur Besinnung zu kommen.

      Ein Schauer überlief ihn, als er spürte, wie der Wind durch die Kleidung fuhr. Nun war er wieder allein, viel einsamer als vorher – und er begriff nicht, warum.

      Habe es gewußt, gewußt, gewußt, hallte es wie ein Echo in ihm. Aber vor ihm sollte es also verborgen werden. Und es mußte auch dieses Wissen sein, was ihn von Erik getrennt hatte, einen anderen Grund konnte er beim besten Willen nicht finden.

      Es gab keinen Ort, an den er flüchten konnte, keinen Ort, wo er allein sein konnte, niemanden, mit dem er reden konnte. Alle anderen tanzten. Auf der grasbewachsenen Anhöhe vor der Burg war ein Feuer entzündet worden. Noch am gestrigen Abend hatte er sich auf den Tanz gefreut, Fremde würden dabei sein, all die anderen jungen Männer hatten Bräute, sogar Erik.

      Der Mißmut schloß sich um ihn, wie naßkalte, dunkle Erde um einen Geist, der zum Grab zurückkehrt, nachdem er seine Geliebte besucht hat. Das war das Lied, das sie im Kreis grölten, ohne auf die Worte zu achten. Nun mußte er wohl zu den anderen hinuntergehen, sonst würden sie nach ihm suchen und Erik finden, und wer wußte schon, welche Teufeleien sich ergeben konnten?

      Nils gab ihm einen großen Becher in die Hand, und er trank gehorsam von dem starken Bier. Versuchte sich dazu zu überreden, zu Erik zurückzugehen – so unheilbar konnte ihre Freundschaft nicht zerstört sein. Die Männer und Frauen hier waren betrunken und roh, tanzten und amüsierten sich. Er hatte bei ihnen nichts verloren, er würde sie nur bei ihrem Vergnügen stören, sie machten einen Bogen um ihn, als wäre er ein Aussätziger.

      Der einzige Mensch, der genauso einsam wirkte, wie er sich fühlte, war ein junges Mädchen. Sie saß auf einer Bank an der Schmalseite des kleinen Steinhauses. Im Schein des Feuers fand er, daß sie Erik ähnelte. Blaß, blond und schmächtig, die weißen Hände fromm im Schoß über Kreuz gelegt. Jedesmal, wenn sich ein Mann an sie wandte, schüttelte sie abweisend den Kopf.

      Er nahm allen Mut zusammen, ging zu ihr hinüber und bat sie um einen Tanz – ohne darüber nachzudenken, was ihn trieb. Als die anderen Männer sie darum gebeten hatten, da hatte sie immer verschämt auf ihre Hände niedergeblickt, mit steifem Hals, als ob man sie quälte. Nun aber richtete sie sich auf und sah zu ihm hoch, und es war die Überraschung seines Lebens. Als er Erik getroffen hatte, war es ihm vorgekommen, als sei er das merkwürdigste Geschöpf unter der Sonne. Aber dieses Mädchen war noch eigenartiger. Die Augen hatten dieselbe Farbe wie dunkler Bernstein, Haar und Haut erinnerten an frische lauwarme Milch, ganz ohne Schrammen, Fältchen und irgendwelche Fehler. Das Haar war am Ansatz dunkler, und unter den hohen schrägen Wangenknochen zeigten sich Schatten. Wie Erik schien auch sie nur ein halbwegs irdisches Wesen zu sein – der Hals war viel zu lang und gebogen, dünn und mit Flaum bedeckt. Sie wirkte frisch und unerfahren, auf jede Weise unberührt, wie Laubbäume in der ersten Woche nach dem Ausschlagen.

      Während des Tanzes konnte er nicht auf das Lied achten, wagte nicht, den Blick von ihr zu wenden, aber er war immer noch einsam. Sie sang nicht mit, auf dem kleinen Gesicht ruhte unverändert der verschlossene Ernst, als denke sie über etwas nach, das weitaus interessanter war als das Lied. Es konnte nicht gesund sein, so viel zu grübeln. Aber sie ähnelten einander.

      Heute hatte er seinen einzigen Freund verloren, daher war Gunnar so niedergeschlagen, daß sogar dieses schweigsame Elfenmädchen mit den Bernsteinaugen und dem milchblonden Haar neben ihm fröhlich wirkte.

      Ihr Haar war aus der Stirn gekämmt und wurde von einem schmalen Seidenband gehalten. Ein kleines Schmuckstück blinkte mitten auf der hohen, schmalen Stirn: die Jungfrau Maria mit dem Kind. Er strich mit den Fingerspitzen über das Band und blickte zu ihr hinunter: Während des Tanzes war ein bißchen Farbe auf ihre Wangen und Leben in ihr Gesicht gekommen. Etwas wie ein Lächeln huschte über ihre Augen, während sie ihn betrachtete.

      Sie standen allein draußen in der kühlen Luft, und er schnupperte an ihrem Haar. Er war klein von Statur, und sie noch einen ganzen Kopf kleiner – eines der kleinsten, aber vollkommensten Wesen, denen er je begegnet war. Und sie hieß Gunhild.

      – Mein Vater nennt mich Gunilla, fügte sie hinzu, – das paßt besser, weil ich so klein bin. Und wie heißt du?

      – Fast genauso, antwortete er mit einem Schulterzucken, erschrocken über das Gefühl der Sicherheit, das von der Jungfrau Maria und ihren Augen herrührte und ihn durchströmte, – ich heiße Gunnar. Und du bist süß.

      Diese Bemerkung brachte sie zum Lachen, ein kleines, lustiges Glucksen, tief unten in ihrer Kehle. Aber ihr Mund blieb geschlossen. Das gab ihm Mut, seinen Arm um ihren Rücken zu legen, und sie gingen miteinander, in seliger Ruhe. Wenn sie es verlangte, könnte er von Kalmar bis Stockholm gehen und wieder zurück, barfuß und mit verbundenen Augen.

      An der Treppe zu dem Haus, in dem sie schlief, blieb sie stehen, wandte sich ihm entschlossen zu, die Hände verschränkt vor sich. Er könne gern mitkommen, erklärte sie; auf Treu und Glauben oder auf der Decke liegen, das taten alle anderen auch, dabei konnte nichts passieren.

      – Was ist, wenn dein Bräutigam kommt – ich glaube nicht, daß er entzückt wäre, mich dort oben zu finden, sagte er. Mit ihrer Zutraulichkeit hatte sie ihn über den Schrecken des Zerwürfnisses mit Erik hinweggetröstet. Er wollte den Abend nicht durch einen neuen, unvorbereiteten Streit verderben. Aber Gunilla lachte und schüttelte den Kopf, so daß ihr das Haar um das spitze Kinn flog. Diesmal konnte er ihre kleinen, weißen Mausezähne sehen.

      – Er hat am liebsten nichts mit mir zu tun, sagte sie, als berührte sie das nicht im geringsten, – was das auch immer für ein Unmensch sein mußte, der nicht bereit war, alles auf der Welt dafür zu geben, um mit ihr zusammenzusein!

      – Dann muß er blind und taub und lahm sein, stieß er hervor, und er meinte es – griff nach ihren Händen, erfaßte die dünnen Ellbogen und strich über den milchfarbenen Stoff der Ärmel. Sie blieb stehen, still und in sich gekehrt, bis seine Hände ihren Nacken erreichten.

      In dem Augenblick sah sie zu ihm auf, und er küßte sie – bevor er überhaupt beschlossen hatte, daß es genau das war, was er wollte.

      Ihr

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